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Ratlosigkeit in Brüssel

Bernd Riegert, Brüssel30. Januar 2006

Nach dem Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas-Bewegung in den Palästinensergebieten ringt die Europäische Union um Fassung. Das hat auch das EU-Außenministertreffen am Montag (30.1.) in Brüssel gezeigt.

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Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik: Forderungen an die HamasBild: AP

Nach langer Diskussion konnten die Außenminister der Europäischen Union ihre Ratlosigkeit darüber, wie mit der radikalen Hamas umzugehen sei, nicht verbergen. Erst einmal abwarten, wie die neue palästinensische Regierung nach dem Erdrutsch-Wahlsieg der Hamas aussieht, heißt die Devise. Eine weitere finanzielle Förderung und politische Zusammenarbeit könne es nur geben, wenn die Hamas auf Terror und Gewalt verzichtet, Israel anerkennt und den Friedensprozess fortsetzt, heißt es in einer Erklärung der Außenminister. Die Ratsvorsitzende, Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik, sagte, die Hamas müsse das Existenzrecht Israels anerkennen. "Die EU erwartet, dass die neue Regierung in den Palästinensergebieten sich friedlichen Mitteln verpflichtet und eine Verhandlungslösung des Nahostkonflikts anstrebt", sagte Plassnik.

Aber wie soll die Hamas, die auf der Terrorliste der EU steht, zu diesem Sinneswandel gebracht werden? Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hält in diesem Zusammenhang nichts von Drohungen, den Geldhahn zuzudrehen. Allein durch den Hinweis auf finanzielle Mittel würde man diesen Prozess nicht steuern können. "Aber in der Tat glaube ich, dass von uns im Moment ja nichts anderes erwartet werden kann, als der klare Hinweis auf die Bedingungen unserer Zusammenarbeit und der Aufruf an die arabische Welt, hier Einfluss zu nehmen auf die innere Meinungsbildung bei der Hamas und sie mit auf einen Weg zu Demokratie und Gewaltverzicht zu bringen."

Vom ökonomischen Hebel

Die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner rechnete den Ministern vor, dass nur ein Viertel der 280 Millionen Euro, die die EU aus der Brüsseler Gemeinschaftskasse in den palästinensischen Gebieten jährlich investiert, ein direkter Zuschuss an die Palästinenserverwaltung ist. 200 Millionen Euro werden aus den nationalen Haushalten der Mitgliedsstaaten für bilaterale Projekte ausgegeben. Der direkte ökonomische Hebel, die Hamas zur Umkehr zu zwingen, ist also nicht so übermäßig groß. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier geht davon aus, dass im Zweifelsfalle der Hamas ideologisch nahe stehende Staaten wie der Iran in die Bresche springen könnten: "Ich sehe die Gefahr, dass sich Finanzgeber finden, die die Finanzierungsbereitschaft der Europäischen Union ersetzen könnten. Ob das sehr kurzfristig und für die Autonomiebehörde schnell genug der Fall ist, kann ich nicht beurteilen."

Frank-Walter Steinmeier
Frank-Walter SteinmeierBild: AP

In vierzehn Tagen bereits sind die Gehälter für die 138.000 Angestellten der Autonomiebehörde fällig. Sollte sich die EU an diesen Zahlungen beteiligen, würde sie technisch noch mit der alten Palästinenserregierung verkehren. Die EU-Minister gehen davon aus, dass die Hamas noch Wochen, wenn nicht Monate brauchen wird, um eine neue Regierung zu bilden. EU-Diplomaten warnen, ein Einfrieren der Hilfe jetzt würde zu noch größerer Instabilität führen.

Noch viel folgenreicher

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier geht davon aus, dass der Sieg der Hamas bei demokratischen Wahlen noch viel folgenreicher sein werde, als man das jetzt erkennen könne. Die radikalen Kräfte in den Nachbarstaaten könnten sich bestärkt fühlen:

"In arabischen Zeitungen finden sie den vielfachen Hinweis darauf, dass das islamische bis islamistische Element im Nahen und Mittleren Osten durch dieses Wahlergebnis gestärkt ist", sagt Steinmeier. "Und das schafft natürlich Selbstbewusstsein."

Die Hamas hatte neuen Angaben der Wahlkommission zufolge nach Auszählung aller Stimmen bei der Parlamentswahl eine absolute Mehrheit von 74 der 132 Mandate errungen. Dies sind zwei Sitze weniger als zuvor von der Wahlkommission im vorläufigen Endergebnis genannt. Die bisher regierende Fatah erzielte demnach 45 Mandate, zwei mehr als ursprünglich bekannt gegeben.