Razzia bei Deutschlands größter Landesbank
8. Dezember 2009Haben die Bankmanager der Landesbank Baden-Württemberg beim Drehen am großen Finanzrad die Kontrolle verloren? Nach Meinung der Staatsanwaltschaft Stuttgart und des Landeskriminalamts Baden-Württemberg besteht zumindest der Anfangsverdacht, dass bei der größten deutschen Landesbank einige Vorstandsmitglieder in riskante Finanzgeschäfte investierten. Einige Managern stehen unter Verdacht der schweren Untreue.
Ermittler durchsuchen die Bank-Zentrale
240 Ermittler haben am Montag (07.12.2009) in Stuttgart die LBBW-Zentrale sowie zehn Privatwohnungen durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt. Wie Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt mitteilten, stehen sieben amtierende und frühere Vorstandsmitglieder unter Verdacht. Sie sollen seit Ende 2006 dreistellige Millionenbeträge in zu riskante Finanzgeschäfte investiert oder diese Investitionen nicht verhindert haben. Dabei sei ein Schaden in Millionenhöhe entstanden.
Gegen den erst kürzlich eingesetzten LBBW-Vorstandsvorsitzenden Hans-Jörg Vetter wird nicht ermittelt. Allerdings gehöre sein Vorgänger Siegfried Jaschinski zum Kreis der Beschuldigten. Den Managern wird vorgeworfen, riskante Kreditgeschäfte getätigt oder geduldet zu haben, obwohl im Zusammenhang mit der Immobilienkrise in den USA der Markt für Hypothekenanleihen unmittelbar vor dem Zusammenbruch stand. Zum Ankauf entsprechender Finanzprodukte habe das Kreditinstitut auch mehrere Zweckgesellschaften im Ausland unterhalten.
Der neue Chef wird nicht verdächtigt
"Der Vorstand der LBBW unterstützt die Ermittlungen voll umfänglich, um zu einer raschen Aufklärung des Sachverhalts beizutragen", erklärten LBBW-Chef Vetter und der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Peter Schneider. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt schon seit Monaten wegen riskanter Geschäfte gegen Spitzenkräfte der LBBW Immobilien GmbH. Im August war ein Anfangsverdacht der besonders schweren Untreue gegen zwei amtierende und einen ehemaligen Geschäftsführer der LBBW-Tochter bestätigt worden. Seinerzeit waren bereits Räume der Bank durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt worden.
Der Vorwurf: Schwere Untreue
Gegen die LBBW-Vorstandsmitglieder ermittelt das Landeskriminalamt nach Angaben der Staatsanwaltschaft seit November wegen besonders schwerer Untreue. Vorermittlungen wurden bereits Ende 2008 eingeleitet, nachdem bekanntgeworden war, dass die LBBW in der Finanzkrise Verluste in Milliardenhöhe erlitten hatte.
Eine weitere Hiobsbotschaft für die Bank, die in diesem Jahr bereits einige Täler durchschreiten musste. So rechnet die Bank in diesem Jahr mit tiefroten Zahlen. Im laufenden Geschäftsjahr werde ein Verlust von rund zwei Milliarden Euro erwartet, verlautete es vor einigen Wochen in Stuttgart aus Kreisen der Eigentümer der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Gründe dafür seien die Wirtschaftskrise und Ausfälle durch riskante Immobiliengeschäfte. Daraufhin wurde von den LBBW-Trägern, darunter Sparkassen, das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart, ein "Restrukturierungsplan" abgesegnet, der es in sich hat: Jeder vierte Job im LBBW-Reich fällt weg, pro Jahr sollen 700 Millionen Euro gespart werden. Doch damit nicht genug: Denn die EU-Kommission will in den kommenden Tagen über Auflagen entscheiden, unter denen sie der größten deutschen Landesbank die Milliardenhilfen ihrer Eigner Land, Sparkassen und Stadt Stuttgart genehmigt.
Oppositionsparteien in Stuttgart sind entsetzt
SPD und Grüne im Stuttgarter Landtag forderten eine rasche Aufklärung der Untreuevorwürfe. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel sagte: "Wir sind entsetzt." Der Grünen-Finanzexperte Eugen Schlachter mahnte eine Sondersitzung des Finanzausschusses an. Die Durchsuchung der LBBW durch die Staatsanwaltschaft beschädige in einer kritischen Phase das Ansehen der Bank, erklärte Schmiedel. Noch vor kurzem habe der Landtag eine Bürgschaft von 12,5 Milliarden Euro für die Landesbank beschlossen, betonte Schlachter. "Hier stehen wir in der Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern." Der Landtag und vor allem der Finanzausschuss müssten daher schnell und präzise informiert werden.
Oettinger will die Fusion mit der Bayern LB
Für Experten und Kenner der Bankenszene ist klar: Belastet haben die Bilanz der Stuttgarter Banker vor allem die wegen der Wirtschaftskrise notwendig gewordene hohe Absicherung gegen die zunehmende Gefahr von Kreditausfällen. Außerdem schlugen sich die Kosten für den Umbau der angeschlagenen Bank nieder. LBBW-Chef Vetter rechnet damit, dass dies dem Branchenprimus auch im Schlussquartal zusetzen wird. Für das Gesamtjahr 2009 geht er von einem deutlichen Verlust aus.
Die Ermittlungen dürften auch den Mitgliedern des Verwaltungsrats sauer aufstoßen. Ohnehin war bei den darin vertretenen Abgeordneten und Regierungsmitgliedern mit jeder neuen Hiobsbotschaft weiterer Verluste der Eindruck gewachsen, dass einige Top-Manager der Bank die wahre Lage des kreditinstituts verschleiert hatten. Allerdings hatten Verwaltungsräte der Regierung wie der Oppositionsparteien den nun ebenfalls verdächtigten Ex-Chef Jaschinski lange gestützt. Auch der scheidende Ministerpräsident und künftige EU-Kommissar Günther Oettinger hatte den früheren LBBW-Chef lange Zeit gegen Kritik in Schutz genommen. Und auch Oettinger will, dass die Bank weiter am großen Rad dreht: Noch vor einigen Tagen forderte er, dass die LBBW die ebenfalls in finanzielle Schieflage geratene bayrische Landesbank übernehmen soll. Die Landesbanken von Rheinland-Pfalz und von Sachsen gehören bereits der LBBW.