Razzien gegen Nawalny-Unterstützer in Moskau
27. Januar 2021Die russische Polizei hat Büros der Unterstützergruppe des Regierungskritikers Alexej Nawalny sowie mehrere Privatwohnungen von Mitarbeitern und der Familie durchsucht. Dazu gehörten auch Wohnungen, in denen sich die Ehefrau des inhaftierten Oppositionellen und ein Bruder aufhielten, teilte der Leiter der Anti-Korruptionsstiftung von Nawalny, Iwan Schdanow, auf Twitter mit. Die Tür zu Nawalnys Wohnung im Norden Moskaus sei von maskierten Beamten aufgebrochen worden. Ermittler hätten gegen die Tür geschlagen, während Julia Nawalnaja die Polizei gebeten habe, auf die Ankunft ihres Anwalts zu warten.
Die Anwältin von Julia Nawalnaja, Veronika Polyakova, sagte der Deutschen Welle: "Wir sehen, dass es heute Massendurchsuchungen in den Häusern von Mitarbeitern des Anti-Korruptions-Fonds gibt. Sie werden von den Behörden eindeutig voreingenommen behandelt und ihre Rechte auf gesetzlichen Schutz werden verletzt. Als ihre Anwältin würde ich sagen, dass Julias Rechte derzeit verletzt werden und auch die Rechte der anderen, die ihre Anwälte nicht sehen dürfen. Leider ist das im Moment eine gängige Praxis."
Russische Nachrichtenagenturen berichteten unter Berufung auf die Sicherheitsorgane, Grund für die Razzien an mehr als zehn Standorten seien Verstöße gegen Corona-Hygieneauflagen gewesen. Nawalnys Team habe mit den Aufrufen zu Protestversammlungen Corona-Restriktionen ignoriert.
Aufrufe zu weiteren Protesten sollen verhindert werden
Wegen der Verbreitung von Protestaufrufen an Minderjährige verhängten russische Behörden an diesem Mittwoch Strafen gegen Online-Netzwerke. Die Plattformen Facebook, Instagram, Twitter, Tiktok, VKontakte, Odnoklassniki sowie Youtube würden zu Geldstrafen verurteilt, weil sie die Vorschrift nicht eingehalten hätten, Aufrufe an Minderjährige zur Teilnahme an den nicht genehmigten Versammlungen vom 23. Januar zu löschen, erklärte die russische Telekom-Aufsichtsbehörde Roskomnadsor. Die Strafen liegen nach Angaben der Behörde zwischen 800.000 und vier Millionen Rubel (8700 bis 43.600 Euro).
Nach einem Aufruf Nawalnys hatten am Wochenende zehntausende Menschen in ganz Russland gegen Präsident Wladimir Putin und für die Freilassung des Regierungskritikers demonstriert. Nach einer Zählung der Nichtregierungsorganisation OWD-Info wurden fast 3900 Teilnehmer der Kundgebungen festgenommen. Unterstützer des Oppositionellen haben für das kommende Wochenende erneut zu Demonstrationen aufgerufen.
Kremlchef bemüht sich um den Westen
Bei einem Online-Forum des Weltwirtschaftsforums in Davos, zu dem er sich zugeschaltet hatte, sagte Präsident Wladimir Putin derweil an die Adresse Europas: Wir müssen "Phobien der Vergangenheit loswerden". Er rief die Europäer dazu auf, die angespannten Beziehungen zu verbessern und stattdessen in die Zukunft zu blicken. Aktuell sei die Situation "offensichtlich unnormal". Sein Land sei bereit, eine "positive Agenda" zu verfolgen. Konkrete Vorschläge, wie eine Verbesserung der Beziehungen erreicht werden könnte, machte Putin nicht. Genauso vermied er es, das Thema Nawalny anzusprechen, dessen Namen Putin grundsätzlich totschweigt.
Es war das erste Mal seit 2009, dass Putin sich an dem Weltwirtschaftsforum beteiligte. Zwischen Russland und der EU gibt es tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten, etwa hinsichtlich des Ukraine-Konflikts und des Syrien-Kriegs. Aktuell sind die Beziehungen zum Westen vor allem wegen der Vergiftung des Kremlgegners Nawalny und dessen Inhaftierung in Moskau angespannt. Mehrere europäische Politiker, darunter auch der deutsche Außenminister Heiko Maas, haben die sofortige Freilassung Nawalnys und seiner Unterstützer gefordert. Russland hingegen verbittet sich dies als eine Einmischung in innere Angelegenheiten.
Gericht prüft Inhaftierung Nawalnys
Am Donnerstag will ein Gericht in der Nähe von Moskau in einem Berufungsverfahren über die 30-tägige Haftstrafe entscheiden, zu der Nawalny nach seiner Rückkehr aus Deutschland in Moskau verurteilt worden war. Nawalnys Anwälte wollen im Stadtgericht von Chimki die Freilassung des 44-Jährigen erreichen. Ihm wird vorgeworfen, während seines Deutschlandaufenthalts gegen Meldeauflagen verstoßen zu haben. Deshalb war Nawalny zur Fahndung ausgeschrieben.
Im August wurde Nawalny im sibirischen Tomsk Opfer eines Mordanschlags mit dem Nervengift Nowitschok. Er machte danach ein "Killerkommando" des Inlandsgeheimdienstes FSB unter Befehl des Präsidenten für das Attentat verantwortlich. Putin und der FSB weisen das zurück.
qu/kle (rte, dpa, afp)