Razzien wegen rechtsextremer Polizisten-Chats
24. November 2020Das Ausmaß der rechtsextremen Vorfälle bei der NRW-Polizei ist um eine Chat-Gruppe größer. In mehreren Städten Nordrhein-Westfalens waren mehr als 160 Polizisten zu einer weiteren Razzia in den eigenen Reihen ausgerückt. Neben den Privatwohnungen der verdächtigten Beamten in Essen, Mülheim, Velbert und im Emsland seien auch Räume im Polizeipräsidium Essen durchsucht worden. Insgesamt würden 15 Beamte verdächtigt. 13 davon waren im aktiven Dienst.
Mehr als 600 Datenträger wurden sichergestellt. In der Chat-Gruppe selbst seien rund 8000 Nachrichten gepostet worden, die noch nicht alle gesichtet und bewertet worden seien. Es werde wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt, bestätigte die Staatsanwaltschaft Duisburg.
Landesinnenminister Herbert Reul teilte danach mit, die schon bisher laufenden Ermittlungen zu dem Themenkomplex hätten die weitere WhatsApp-Gruppe zutage gefördert. Die 15 Mitglieder der Chatgruppe, allesamt Polizisten, hatten sich laut Reul gemeinsam zu einem Kegelclub zusammengeschlossen, dabei sei es in erster Linie um Termine und Fahrten gegangen, es seien aber auch rechtsextreme und mutmaßlich strafrechtlich relevante Inhalte geteilt worden. Die Bandbreite reiche "von furchtbar dummem Zeug bis hin zu hochgradig fremdenfeindlichen und menschenverachtenden Inhalten", sagte Reul. "Antisemitische Inhalte, Verherrlichung von Hitler und des NS-Regimes, alles das steckt in diesem Chat."
Die neuen Durchsuchungen waren laut Innenminister Reul das Ergebnis einer systematischen Auswertung zweier Handys, die im Rahmen der Ermittlungen gegen eine ähnliche Chatgruppe sichergestellt wurden. Erste rechte Chat-Gruppen bei der Polizei waren im September aufgeflogen. Insgesamt gebe es bei der Polizei in NRW mittlerweile Hinweise auf 191 Beschäftigte, die möglicherweise rassistisches Gedankengut verbreitet haben, sagte Reul.
Michael Mertens, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW, sagte: "Es war zu befürchten, dass durch die Ermittlungen weitere Fälle ans Licht kommen. Sollten die Vorwürfe zutreffen, gibt es keine zwei Meinungen: Wer menschenverachtende oder rassistische Dateien teilt, hat bei der Polizei nichts zu suchen."
Rassismus-Vorwürfe auch gegen Feuerwehr in Bremen
Ähnliche Gruppen scheint es auch bei Teilen der Bremer Berufsfeuerwehr zu geben. Dort sollen Beamte über Internet-Chats jahrelang rassistische und rechtsextremistische Inhalte ausgetauscht haben. Die Bremer Innenbehörde geht den Vorwürfen nach. Für die strafrechtlichen und disziplinarischen Ermittlungen sei eine Sonderermittlerin eingesetzt worden. Die Staatsanwaltschaft Bremen bestätigte Ermittlungen gegen einen 52 Jahre alten Berufsfeuerwehrmann wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Es habe in diesem Zusammenhang eine Wohnungsdurchsuchung gegeben, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Nachrichten wurden demnach vor 2015 geteilt. Was danach mit der fraglichen Chatgruppe passierte und ob es bei der Bremer Feuerwehr weitere Chats mit rechtsextremen Inhalten gab oder gibt, wird noch geprüft. Die Sender NDR, Radio Bremen und die "Süddeutsche Zeitung" berichten von Zeugenaussagen, wonach der Mann unter anderem auf der Dienststelle ein Foto seiner Kinder vor Hakenkreuzfahnen herumzeigte.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sprach von einer Katastrophe. Er sei entsetzt, dass Beamte, die einen Eid auf das Grundgesetz geleistet hätten, derartige Inhalte ins Netz stellten.
qu/se (dpa, epd, afp, WDR)