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Realismus ist geboten

Daniel Scheschkewitz, Washington28. März 2003

Für Präsident Bush ist die Sache klar. Der Krieg geht solange weiter bis Saddam Hussein entmachtet ist. Aber was dann? Ein Kommentar von Daniel Scheschkewitz.

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Selbst zwischen dem obersten Kriegsherren in Washington und seinem britischen Adjutanten Tony Blair gibt es da unterschiedliche Vorstellungen. Bush möchte solange die Kontrolle im Irak behalten, bis alle Massenvernichtungswaffen zerstört und eine stabile irakische Selbstverwaltung nach demokratischen Prinzipien möglich geworden ist. Vor allem Letzteres kann dauern.

Die UNO kann aus der Sicht Bushs vorläufig bestenfalls humanitäre Hilfsdienste leisten. Für Blair stellt sich die Sache anders dar. Ähnlich wie in der Vorkriegszeit, wo er die US-Regierung auf einen mulilateralen Kurs zu bringen versuchte, drängt der Brite auch jetzt auf eine administrative Rolle für die UN sobald die Koalitionsstreitkräfte eine stabile Kontrolle über den Irak ausüben. Blair macht sich damit zum transatlantischen Brückenkopf der Europäischen Union.

Auch in der EU will man die UNO so schnell wie möglich wieder ins Spiel bringen und Blair sieht darin auch eine Modalität, um die Schäden im transatlantischen Verhältnis zu reparieren. Außerdem braucht er die Unterstützung seiner europäischen Partner, um zuhause in Großbritannien Ansehen und politisches Terrain zurück zu gewinnen. So wünschenswert die Beteiligung der UNO an einem Wiederaufbau des Irak auch sein mag. Im Moment ist dies vor allem ein Gedankenspiel.

Der militärische Zeitplan der Kriegskoalition ist durch den unerwartet starken Widerstand des irakischen Regimes ins Rutschen geraten. Es wäre schlichtweg naiv anzunehmen , Bush würde das Leben hunderttausender Amerikaner riskieren, um hinterher die Neuordnung des Landes ausgerechnet jenen zu überlassen, die ihm in seiner diplomatischen Strategie zur Legitimierung des Kriege einen Strich durch die Rechnung gemacht hatten. Jetzt sollten sich die im Sicherheitsrat vertretenen Länder darauf konzentrieren , die drohende humanitäre Katastrophe im Irak abzuwenden. Dazu bedarf es dringend einer Wiederaufnahme des Öl-für- Lebensmittelprogramms.

Schon jetzt sieht man, dass die Koalitionsstreitkräfte bei der Verteilung der humanitären Hilfe überfordert sind. Allerdings stehen auch Bush und Blair hier in der Verantwortung. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat zurecht daran erinnert, dass die Kriegsparteien die Verantwortung für die humanitäre Grundversorgung der Menschen in der Kriegsregion tragen. Die UNO sollte dies nach Kräften unterstützen, ohne daran unrealistische Bedingungen zu knüpfen, wie einen sofortigen Waffenstillstand. Bundesaußenminister Fischer hat hier den richtigen Weg gewiesen. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für Schuldzuweisungen. Jetzt muss sich die internationale Staatengemeinschaft auf ihre humanitäre Pflicht besinnen. Der Zeitpunkt, Amerika über die UNO in die Schranken zu weisen, wird noch kommen. Spätestens dann wenn die amerikanische Öffentlichkeit sich der wahren Kosten dieses Krieges bewusst wird. Und dieser Prozess hat schon begonnen.