Rebellen im Süden Syriens ergeben sich
19. Juli 2018Nach mehr als sieben Jahren Bürgerkrieg geben Rebellen in Syrien eines ihrer letzten Gebiete auf, die noch unter ihrer Kontrolle standen. Oppositionelle Milizen stimmten einem unter russischer Vermittlung erzielten Abkommen für die Provinz Kunaitra im Süden zu, wie Staatsmedien und die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte melden. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Kämpfer und Zivilisten in die noch von Rebellen kontrollierte Provinz Idlib im Nordwesten Syriens übersiedeln oder die Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad anerkennen. Zehntausende Flüchtlinge sollen in ihre Heimatorte zurückkehren. Zur Übergabe der schweren Waffen sollen es noch weitere Verhandlungen geben.
Die Truppen des syrischen Regimes hatten im Juni im Gebiet um Kunaitra eine Offensive begonnen und in den vergangenen Wochen bereits viele Orte übernommen. Mit dem Abkommen verlieren die Regierungsgegner im Süden Syriens fast ihr vollständiges Gebiet. Dort kontrolliert jetzt nur noch ein Ableger der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) eine kleine Region. Diese grenzt an die von Israel besetzten und annektierten Golanhöhen.
Sorgenfalten in Israel
Die israelische Regierung beobachtet die Entwicklung mit großem Unbehagen. Sie befürchtet, dass mit den syrischen Truppen auch Kämpfer des Erzfeindes Iran bis an die Grenze vorrücken. Der Iran unterstützt - ebenso wie Russland - Assad im Kampf gegen die größtenteils sunnitischen Aufständischen. Teheran finanziert unter anderem die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, die mit Israel verfeindet ist und in Syrien an der Seite der Regierungstruppen kämpft. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte erst vor einer Woche bei einem Besuch in Moskau vor der Präsenz des Irans in Syrien.
In einer Pufferzone zwischen Israel und Syrien wurden 1974 UN-Soldaten stationiert, die den Waffenstillstand zwischen beiden Ländern überwachen sollen. Der Kapitulationsvereinbarung zufolge sollen zwei syrische Armeebrigaden an die Waffenstillstandslinie zurückkehren, also dorthin, wo sie bereits vor Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 stationiert waren. Das meldet ein Informationsdienst der regierungstreuen libanesischen Hisbollah-Miliz. Laut Rebellen sollen die Brigaden von russischer Militärpolizei begleitet werden.
Wechselndes Kriegsglück
Der Bürgerkrieg war im Frühjahr 2011 ausgebrochen, als syrische Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen Demonstrationen vorgingen. Seitdem kamen in dem Konflikt mehr als 400.000 Menschen ums Leben, Millionen sind geflohen. Zeitweilig sah es so aus, als könnten die Rebellen Assad stürzen. Mit russischer und iranischer Hilfe gelang es den Regierungskräften jedoch, große Teile des Landes wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, darunter alle wichtigen Städte.
Oppositionelle Milizen sind nun außer in der Provinz Idlib noch in einem Gebiet im Norden präsent, das sie zusammen mit der türkischen Armee beherrschen. Beobachter rechnen damit, dass sich das syrische Militär im nächsten Schritt Idlib zuwenden wird.
Räumung in Idlib beendet
In der Provinz wurde am Donnerstag die Evakuierung zweier Orte abgeschlossen, die noch in der Hand regierungstreuer Truppen waren. Dutzende von Bussen brachten mindestens 6900 Zivilisten und Pro-Assad-Kämpfer Kämpfer aus Fua und Kafraja in andere Gebiete unter Kontrolle des Regimes, wie die Agentur Sana meldet. In beiden Orten lebten vor allem Schiiten. Sie wurden seit 2015 von Rebellen belagert. Die beiden Schiiten-Dörfer waren die letzten beiden von den Rebellen belagerten Ortschaften in Syrien. Nach Angaben der mit den Rebellen verbündeten Dschihadistenallianz Hajat Tahrir al-Scham wurde im Gegenzug die Freilassung von 1500 Gefangenen aus Regierungsgefängnissen vereinbart. Die Räumung ist Teil einer Einigung zwischen Russland als Verbündetem der syrischen Regierung und der Türkei als Unterstützer der Aufständischen.
Im April 2017 war in der Region schon einmal eine ähnliche Einigung ausgehandelt worden. Damals wurden Tausende Einwohner aus den Dörfern in einer ähnlichen Aktion umgesiedelt. Im Gegenzug wurden zwei von Regierungstruppen belagerte Städte in der Nähe von Damaskus evakuiert. Der Flüchtlingskonvoi aus Fua und Kafraja wurde allerdings damals angegriffen. 150 Menschen starben, darunter 72 Kinder.
Maas will vermitteln
Unterdessen erklärte der deutsche Außenminister Heiko Maas, Deutschland stehe als Vermittler im Syrien-Konflikt bereit. Er verwies dabei auf die Rolle Deutschlands als wichtiges Geberland für Syrien. Deutschland sei auch bereit, eine Führungsrolle beim Wiederaufbau des Landes zu übernehmen, sobald es eine politische Lösung gebe, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wir wollen auch den politischen Friedensprozess mitgestalten." Russland und die USA müssten in dem Konflikt die verschiedenen Gesprächsformate wieder zusammenführen. Die Beendigung "dieses scheußlichen Konflikts" sei einer der wichtigsten Aufgaben der Gegenwart.
kle/sti (dpa, rtr, afp)