Trump und die Rede zur Lage der Nation
30. Januar 2018Eine Rede zur Lage der Nation hat dann Erfolg, wenn nicht nur die Abgeordneten der Partei des Präsidenten applaudieren, sondern wenn es gelingt, konkrete Vorhaben darzulegen, denen eine Mehrheit der Amerikaner zustimmen kann. Und hier ist der Punkt, an dem es für Präsident Trump kompliziert wird.
Es beginnt damit, dass ihm formelle Reden nicht liegen. Er hat sich darüber lustig gemacht, dass sein Amtsvorgänger Barack Obama und seine Rivalin im Wahlkampf, Hillary Clinton, Teleprompter benutzt haben, die normalerweise bei längeren Reden eingesetzt werden. Trump dagegen mag politische Kundgebungen und Twitter, wo er aus dem Stegreif sprechen, andere Politiker beleidigen und ganz allgemein über das reden kann, was ihm gerade in den Sinn kommt.
Trumps Programm ist außerdem oft unspezifisch, verändert sich in der Regel und lässt sich daher oft nur schwer in konkrete gesetzgeberische Ziele fassen. Es hatte seinen Grund, dass die jüngste Steuerreform das bisher einzige größere Gesetzesvorhaben geblieben ist, das Trump in seinem ersten Jahr im Amt umgesetzt hat.
Schließlich ist Trump nach den Umfragen nicht nur ein höchst unbeliebter Präsident, was so früh in der Amtszeit ungewöhnlich ist. Er ist auch - und das zählt vielleicht noch mehr - ein Präsident, der besonders stark spaltet.
Ein präsidentieller Trump ist kaum vorstellbar
Gerade weil eine Analyse von Trumps Rede nicht die Dinge außer acht lassen kann, die seine Amtszeit bisher geprägt haben - seine Unberechenbarkeit, seine oft scharfe Rhetorik, seine wechselnden politischen Standpunkte und seine Spaltungstendenzen -, wäre jede normale Bewertung seiner Rede nicht ausreichend.
"Die Tatsache, dass wir uns diese Fragen stellen, dass wir auf solche Dinge achten sollten, zeigt schon, wie ganz anders und in vielerlei Hinsicht unnormal diese Präsidentschaft ist", sagt Vinca LaFleur, eine frühere Redenschreiberin von Ex-Präsident Bill Clinton. Ironischerweise führt jede formal-rhetorische Untersuchung von Trumps Reden wegen dessen Twitter-Vorliebe und seiner verbalen Ausbrüche nicht recht weiter.
"Es scheint merkwürdig, aber ich glaube, wenn er eine typische Rede zur Lage der Nation hielte, die auch ein anderer Präsident hätte halten können, würde sich das beinahe falsch anhören", glaubt LaFleur. "Ich glaube, die Leute wissen sehr gut, wie er wirklich klingt, wie er sich ausdrückt, was er wirklich denkt und was nicht."
Doch hat Trump überhaupt ein Interesse, mehr Menschen für sich zu gewinnen und eine breitere Basis zu schaffen, um einige seiner Ziele zu verwirklichen, wo sein Image doch bereits für seine Anhänger wie für seine Gegner in Stein gemeißelt scheint?
Neue Möglichkeiten
Mary Kate Cary, ehemalige Redenschreiberin von Präsident George Bush Senior und heute Politikwissenschaftlerin an der Universität von Virginia, sieht es so: "Ich glaube, das ist für ihn eine weitere Gelegenheit." Trumps Worte beim Weltwirtschaftsforum in Davos seien ein gutes Zeichen, weil er nicht vom Skript abgewichen sei. "Ich glaube, während er im Amt reift, wird es ein wenig besser". Es gebe aber einen himmelweiten Unterschied zwischen dem, "was ich den Teleprompter-Trump nenne, und dem, was ich den Twitter-Trump nenne". Cary gibt zwar zu, es werde für Trump schwierig sein, sein festgefügtes Image zu ändern oder wenigstens ein wenig zu glätten, aber möglich sei es durchaus noch.
Sarada Peri, ehemalige Redenschreiberin von Präsident Obama, dagegen glaubt das nicht: "Mit keiner Rede, und sei sie noch so gut geschrieben, könnte er die festgefügten Vorstellungen von ihm ändern, ob man ihn nun bewundert, ihn hasst oder sich mit ihm einfach abgefunden hat", schreibt Peri in einer E-Mail. "Er kann kein Skript ablesen, mit dem er die Amerikaner überzeugen könnte, dass er sinnvolle Ziele oder eine Strategie hat." Außerdem, so Peri weiter, könne Trump nichts sagen, "was das Land zusammenführen kann - nach Jahren der rassistischen Hetze, des weißen Nationalismus, dass er die US-Staatsbürgerschaft des ersten schwarzen Präsidenten infrage stellte, ganz zu schweigen von seiner fremdenfeindlichen, sexistischen, hasserfüllten Sprache."
#MeToo einen Minenfeld
LaFleur, Clintons frühere Redenschreiberin, glaubt ebenfalls, dass es für Trump sehr schwierig werden wird, die Masse der Amerikaner zu erreichen, wie es bei Reden zur Lage der Nation üblich ist, indem Präsidenten die großen Fragen ansprechen, die die Laute beschäftigen.
Als Beispiel für eine Sache, über die sehr viele Amerikaner reden, die aber Trump in seiner Rede tunlichst meiden sollte, nennt sie die #MeToo-Bewegung. "Dieser Präsident darf nicht darüber reden." Sie glaube daran, dass Reden etwas verändern könnten, sagt LaFleur, "aber man kann nicht den Redner von der Rede trennen. Es ist ist zuviel passiert. Ich glaube, wir wissen einfach, wer er ist."