Redet die SPD sich die GroKo schön?
12. Januar 2018"Kommt, wir machen ein Foto", sagt SPD-Chef Martin Schulz zu seinen Koalitionspartnern in spe, dann lächelt er neben Angela Merkel und Horst Seehofer in die Kameras. Es ist vermutlich das erste "Familienfoto" der künftigen Bundesregierung, die bis Ostern stehen soll. Kurz zuvor hatten die drei Parteivorsitzenden in einer Pressekonferenz erstmals das 28-seitige Papier kommentiert, in dem die Ergebnisse der Sondierungsgespräche festgehalten sind. Vorausgegangen war eine 24-stündige Mammutsitzung der 39 Unterhändler im Willy-Brandt-Haus.
Gute Stimmung bei der CSU
Die Kommentare am Ende der fünftägigen Sondierungen fallen durchaus unterschiedlich aus: CSU-Chef Seehofer strahlt die größte Zufriedenheit aus und kommt auf die Vorzüge seines Bundeslandes Bayern zu sprechen, in dem seine Partei in diesem Jahr schwierige Landtagswahlen zu bestehen hat. Es war also klar, dass die CSU bei ihren Kernthemen wenige Kompromisse machen würde, etwa in der Flüchtlingspolitik, in der sie einen restriktiven Kurs fährt. Und so kam es dann auch: Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus bleibt vorerst ausgesetzt, bis ein Gesetz erarbeitet ist, das den Nachzug von maximal 1.000 Angehörigen pro Monat unter bestimmten Bedingungen gestattet. Es ist eines der Ergebnisse, mit denen Seehofer "hochzufrieden" ist, die SPD aber weniger.
Angela Merkel hält sich mit Freuden-Bekundungen darüber zurück, dass sie ihrer vierten Amtszeit als Bundeskanzlerin nunmehr ein großes Stück näher gekommen ist. Nüchtern und pragmatisch erklärt die CDU-Vorsitzende, wie die angestrebte "GroKo" - es wäre dann die dritte unter ihrer Führung - Deutschland modernisieren will. Dabei fokussiert sie auf Themen, bei denen die letzte große Koalition mehr Stillstand als Bewegung erzeugt hat, etwa bei der Digitalisierung. Es ist ihr Versuch zu sagen, dass eine neuerliche große Koalition das Land nicht lähmen werde, wie Kritiker befürchten. Es sei ein Papier "des Gebens und Nehmens", erklärt Merkel, das für die Gesellschaft "einen breiten Bogen" aufspanne. Geht es nach ihr, dann finden sich unter diesem Bogen möglichst viele Bundesbürger wieder - und sie im Bundestag die nötigen Stimmen für eine "stabile Regierung".
Schulz nun doch auf "GroKo"-Kurs
Und was ist mit Martin Schulz, der nach dem desaströsen Wahlergebnis für die SPD über eine Neuauflage der großen Koalition zunächst auf gar keinen Fall sprechen wollte? Der SPD-Vorsitzende scheint die Kehrtwende, die er nach einem Appell des Bundespräsidenten vollzog, nun gänzlich verinnerlicht zu haben. Hatte er vor Beginn der Sondierungen noch betont, auch andere Modelle als eine große Koalition kämen für die SPD infrage, scheint er sich nun mit einer neuerlichen großen Koalition unter Merkels Führung arrangiert zu haben.
Zumindest öffentlich hadert Schulz mit keiner Zeile des Papiers, sondern lobt die "hervorragenden Ergebnisse", von denen er nun die Delegierten des Parteitags am 21. Januar und anschließend die Mitglieder überzeugen müsse. Zwar spricht Schulz, dessen Auftritt stellenweise defensiv wirkt, genau wie Merkel vom Zusammenhalt der Gesellschaft. Aber was ist mit dem Zusammenhalt in seiner eigenen Partei?
Einige zentrale Anliegen der Sozialdemokraten finden sich noch nicht mal im Ansatz in dem Sondierungspapier wieder, etwa die Forderung nach einer Bürgerversicherung oder die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Auch beim Familiennachzug für Flüchtlinge, den sie wieder zulassen wollte, hat die SPD deutliche Abstriche gemacht. "Beschämend" nennt daher ein SPD-Parlamentarier das Papier, das die Verhandlungsdelegation der SPD einstimmig gebilligt hat. Andere Sozialdemokraten hingegen loben, dass die SPD vor allem in der Sozialpolitik viel erreicht habe.
Wie denken die SPD-Mitglieder?
Die entscheidende Frage ist nun: Ist der Parteibasis der Geist des Papiers sozialdemokratisch genug? Oder wird dieser Beschluss einen Keil zwischen Martin Schulz und die SPD-Mitglieder treiben, von denen viele dringend von einer "GroKo" abraten? In der kommenden Woche will der SPD-Vorsitzende durchs Land reisen und für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU werben. Vermutlich wird er argumentieren, dass die SPD in den Verhandlungen in einzelnen Punkten noch nachbessern könne.
Doch die Gegner einer großen Koalition sind zahlreich: Gegen eine "GroKo" machen unter anderem die Jugendorganisation der SPD (Jusos) mit ihrem Vorsitzenden Kevin Kühnert und Vertreter des linken Parteiflügels mobil. Da eine zerrissene SPD nicht im Sinn der Union ist, widmete sich sogar CSU-Chef Horst Seehofer kurz dem Streit in der SPD - er wünschte Martin Schulz ausdrücklich viel Glück für seine Werbetour. Der argumentierte, statt roter Linien habe er rote Inhalte in das Papier bringen wollen - und das sei in den teils turbulenten Verhandlungen ja auch gelungen.