Reformen auf kubanisch
27. Januar 2012Fünf Jahrzehnte haben die Castro-Brüder Kuba regiert. Die meisten Kubaner können sich schon nicht mehr an die Zeit vor Fidel (85) und Raúl (80) erinnern. Jetzt, im hohen Alter, haben die Castros angeblich erkannt, dass Wechsel das politische Geschäft belebt.
In Zukunft sollen deswegen hohe Regierungsposten nur noch maximal zehn Jahre mit der selben Person besetzt werden. Die neue Regelung soll an diesem Wochenende (28./29.01.2012) auf der ersten Nationalen Konferenz der Kommunistischen Partei beschlossen werden.
Subventionen runter, Preise rauf
Raúl Castro, seit 2006 Kubas Präsident, hatte zuvor bereits weitreichende Wirtschaftsreformen eingeleitet. Im April 2011, beim letzten regulären Parteitag, beschlossen die Kommunisten mehr als 300 Maßnahmen zur Reform des maroden Wirtschaftssystems. Seitdem wurden die Leistungen des Staates zurückgefahren, Subventionen gekürzt, Preise erhöht.
Gleichzeitig erleichterte der Staat die Gründung von Kleinunternehmen. "Es gibt inzwischen einen transparenten Markt für Dienstleistungen", erklärt Bert Hoffmann, Kuba-Experte des GIGA-Instituts für Lateinamerikastudien. Viele Kubaner gründeten Restaurants, Imbissbuden oder kleine Hotels. Andere machten sich als Frisöre, Klempner oder Mechaniker selbstständig. "Die Leistungen dieser Betriebe sind deutlich besser als entsprechende Angebote des Staates", so Hoffmann. Allerdings seien auch die Preise gestiegen.
Die Liberalisierung der Wirtschaft dient auch als Ventil für die politische Unzufriedenheit der Menschen. "Es gibt jetzt viel mehr Möglichkeiten", so Hoffmann, "wo die Leute ihre Energie loswerden können." Allerdings gibt es auch Verlierer, Rentner zum Beispiel, die sich wegen der gestiegenen Preise vieles nicht mehr leisten können.
Wirtschaftliche Reformen, politischer Stillstand
Politisch habe sich in Kuba auch unter Raúl Castro nur wenig bewegt, stellt Hoffmann fest: "Wir haben einen Prozess der zwei Geschwindigkeiten. Die Wirtschaftsreformen gehen voran. Da gibt es einen echten Reformprozess. Im politischen Bereich aber herrscht Stagnation."
Eigentlich sollte auf der jetzt anstehenden außerordentlichen Nationalen Konferenz der Partei über politische Reformen gesprochen werden. So wurde es auf dem letzten Parteitag 2011 beschlossen.
Denn die Forderungen nach politischen Reformen werden immer lauter. Kubanische Dissidenten machen mit Hungerstreiks auf sich und ihre Forderungen aufmerksam. Zuletzt hungerte sich der Regimekritiker Wilman Villar zu Tode.
Auch von Seiten der katholischen Kirche wächst die Kritik am Regime. Die Konferenz der Partei sei die "letzte Möglichkeit für die historische Generation der Revolution, wahrhaftige und dauerhafte Reformen einzuleiten", schrieb Lenier González, stellvertretender Herausgeber der der Kirche nahestehenden Zeitschrift "Espacio Laical" in einem Leitartikel.
Skepsis vor der Parteikonferenz
Doch Präsident Raúl Castro selbst trat schon im Vorfeld auf die Bremse: "Man sollte sich keinen so großen Illusionen hingeben im Hinblick auf die Konferenz, die so viele Erwartungen geweckt hat. Die Konferenz ist eine interne Angelegenheit der Partei."
Der Kuba-Experte Bert Hoffmann hat nur geringe Erwartungen. "Im Prinzip", sagt Hoffmann, "ist das eine Veranstaltung, die sich eher an die Parteimitglieder als an das breite Volk richtet". Es ginge vor allem darum, Geschlossenheit zu demonstrieren und die Partei auf Linie zu halten.
Auch die regimekritische kubanische Bloggerin Yoani Sánchez ist skeptisch. "Die meisten Kubaner", schreibt sie in ihrem Blog "Generacion Y", "erwarten wenig von dem Treffen." Auf den Straßen spreche kaum jemand darüber. Ein typischer Kommentar sei "das ändert doch nichts".
"Schon jetzt ist die Frustration und Resignation in Kuba groß", erklärt Hoffmann. Trotzdem sei vorerst kein Regimewechsel in Sicht, die Führung des Inselstaates stabil. Bisher würden die Eliten aus Partei, Staatsapparat und Militär zusammenhalten. Zu groß sei ihre Angst vor Bürgerkrieg, Gewalt und einem Verlust ihrer Privilegien.
Autor: Nils Naumann
Redaktion: Thomas Kohlmann