Mindestlohn auf den Weg gebracht
2. April 2014Es sei ein "Wendepunkt" und ein "historischer Tag": Vor der Hauptstadtpresse spart Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nicht mit Lob, wenn es um den Gesetzesvorschlag zum Mindestlohn geht, der an diesem Morgen vom Bundeskabinett beschlossen worden ist. Ab 2015 soll es nur noch in Ausnahmefällen gestattet sein, Arbeitnehmern weniger als 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen. "Das ist eine gute Nachricht für die Menschen, die hart arbeiten, aber nicht davon leben können", sagt die Ministerin. Das gelte auch für ausländische Arbeitnehmer, die in Deutschland beschäftigt würden. Das Gesetz verhindere damit Lohndumping und menschenunwürdige Bezahlung und betreffe vier Millionen Arbeitnehmer.
Es ist ein Wunsch- und Prestigeprojekt der SPD, das gegen einigen Widerstand der Koalitionspartner CDU und CSU umgesetzt wurde. Nahles Zufriedenheit rührt auch daher, dass sie den Bürgern demonstrieren kann, wie wirkungsmächtig die SPD-Minderheit in der Regierung ist. Ursprünglich waren für einen Mindestlohn zwar zehn Euro im Gespräch, Nahles verteidigte den gefundenen Kompromiss jedoch als "Lösung mit Augenmaß". Weitere Erhöhungen liegen künftig in Händen der Tarifpartner, die mit Hilfe einer Tarifkommission die Allgemeinverbindlichkeit von Lohnuntergrenzen festlegen sollen. Eine erste Erhöhung könnte 2017 statt finden.
Kritik innerhalb der SPD
Auch gilt der künftigen Mindestlohn entgegen erster Vorankündigungen nun doch nicht für jeden Beschäftigten: Kinder und Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Auszubildende und Praktikanten, die maximal sechs Wochen eingesetzt werden oder Pflichtpraktika im Rahmen von Schule, Studium oder Ausbildung absolvieren, fallen nicht unter die Regelung. Besonders scharfe Kritik findet die Ausnahmebestimmung für Langzeitarbeitslose. Wer schon länger als zwölf Monate ohne Arbeit ist, darf für ein halbes Jahr unter den 8,50 Euro beschäftigt werden. Die Jugendorganisation der Sozialdemokraten, Jusos, sieht den Mindestlohn "ausgehölt wie einen Schweizer Käse". Der Paritätische Wohlfahrtsverband bezeichnet die Ausnahmen für Langzeitarbeitslose als "üble Diskriminierung" und rechnet mit dem "Einstieg in einen Zwei-Klassen-Arbeitsmarkt." Nahles spricht hier vorsichtig von "einer Brücke in den ersten Arbeitsmarkt."
Die Sozialdemokratin ist sich sicher, dass die neuen Regelungen ohne größere Veränderungen durch den Gesetzgebungsprozess gehen und dann im nächsten Jahr positive Wirkungen zeigen werden. In der langen Debatte um einen Mindestlohn war wiederholt davor gewarnt worden, dass bestimmte Branchen nicht mehr wettbewerbsfähig seien, etwa in der Gastronomie oder im Dienstleistungssektor. "Nach unseren Beobachtungen, auch in anderen europäischen Staaten erwarten wir neutrale Effekte", erklärt dahingegen die Ministerin. Möglicherweise könne es in bestimmten Bereichen zu Preissteigerungen kommen, aber demgegenüber stünde auch eine höhere Kaufkraft. Das müsse man zusammen denken.