Doch kein Kotau vor der Türkei
2. September 2016Seibert wies jedoch darauf hin, dass die Entschließung des Parlaments keinerlei rechtlich bindende Wirkung habe. Zuvor hatte "Spiegel Online" berichtet, dass sich Auswärtiges Amt und Kanzleramt darauf geeinigt hätten, dass Seibert vor die Presse treten und sich im Namen der Regierung von der Resolution distanzieren solle.
Gemeint ist die vom Bundestag verabschiedete Resolution, die die Verbrechen an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als Völkermord eingestuft hatte. Sich davon zu distanzieren wäre eine politische Geste an die türkische Regierung gewesen, damit deutsche Abgeordnete die in Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten wieder besuchen dürfen. Denn die Türkei verweigert deutschen Abgeordneten seit Verabschiedung der Armenien-Resolution Anfang Juni den Besuch bei den dort stationierten Bundeswehrsoldaten.
Um den Konflikt beizulegen, waren Vertreter des Auswärtigen Amtes zu Besuch in Ankara. Dort sei ihnen unmissverständlich mitgeteilt worden, dass die türkische Regierung eine öffentliche Distanzierung von der Völkermord-Resolution des Bundestags verlange.
Empörung bei der Opposition
Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz reagierte auf Twitter sarkastisch auf die Äußerungen Seiberts:
Christian Lindner, Vorsitzender der oppositionellen Liberalen, schrieb ebenfalls über den Kurznachrichtendienst Twitter:
Martin Schulz bleibt hart
Zuvor hatte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz die Haltung der EU gegenüber der Türkei bekräftigt: Bei seinem ersten Besuch nach dem Putschversuch in Ankara machte am Donnerstag unmissverständlich deutlich, dass die EU auf ihre Bedingungen gegenüber der türkischen Regierung bestehen werde. Konkret geht es um die Einhaltung der Menschenrechte, ein Punkt von vielen, den Ankara erfüllen muss, um die ersehnte Visafreiheit innerhalb der EU zu erlangen. Nach den Worten von Schulz hält die EU auch an ihrer Forderung fest, dass die Türkei ihr Anti-Terrorgesetz ändern muss. "Solange sie das nicht tut, wird es auch keine Visa-Liberalisierung geben", erklärte der SPD-Politiker in einem ZDF-Interview.
Er sprach sich aber zugleich dafür aus, "den Gesprächsfaden mit der Türkei nicht abreißen zu lassen". Bei allen Gegensätzen müsse auch ausgelotet werden, wo es Gemeinsamkeiten gebe. Er glaube nicht, dass die Türkei wieder einen Flüchtlingsstrom nach Europa zulasse, sagte Schulz. Er denke, dass sich die Türkei nicht zum Verbündeten von Schlepperbanden machen wolle. Außerdem habe die Türkei auch kein Interesse daran, dass wieder mehr Flüchtlinge in das Land kämen. Schulz äußerte die Hoffnung, dass die Türkei ebenso wie die EU ein Interesse daran habe, pragmatische Lösungen zu finden.
bri/mm/fu (reuters, afp, dpa, spiegel-online)