Bayern-Reisechaos nach Sieg bei Hertha
6. Februar 2021Wenn die Spieler des FC Bayern München gewusst hätten, dass sie die Nacht im Flugzeug verbringen müssen, hätten sie sich beim Duschen und mit der Anreise zum Flughafen wohl mehr Zeit gelassen. Doch statt wie geplant noch am Abend nach dem 1:0 (1:0)-Sieg bei Hertha BSC im Freitagabendspiel des 20. Bundesliga-Spieltags ins warme Katar zu fliegen, um dort die Klub-Weltmeisterschaft zu gewinnen, endete die Reise schon am neuen Berliner Flughafen BER. Um 23.15 Uhr sollte Flug QR 7402 eigentlich nach Katar abheben, doch da die Starterlaubnis fehlte, musste die Bayern-Maschine am Boden bleiben - und das sogar noch einige Stunden. Da in Berlin ein Nachtflugverbot gilt, ging erstmal nichts mehr, das Team verbrachte die Nacht im Flieger. Erst am Samstagmorgen teilte der FC Bayern München via Twitter mit: "Wegen verweigerter Starterlaubnis hebt der FC Bayern jetzt mit mehr als siebenstündiger Verspätung zur FIFA Klub-WM nach Doha ab." Zu allem Überfluss war auch noch ein Zwischenstopp in München nötig, da vor dem Weiterflug nach Doha die Crew ausgetauscht werden musste.
Dabei wäre die Maschine laut des Flughafens BER um 23.59 Uhr abflugbereit gewesen. "Aus unserer Sicht sprach auch nichts dagegen, dass die Maschine wie geplant abhebt", sagte Flughafen-Sprecherin Sabine Deckwerth am Samstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Doch dazu hätte es eine Ausnahmegenehmigungen während des Nachtflugverbots vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung geben müssen. "Wir fühlen uns von den zuständigen Stellen bei der brandenburgischen Politik total verarscht", schimpfte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gegenüber der "Bild". "Die Verantwortlichen wissen gar nicht, was sie unserer Mannschaft damit angetan haben."
Ob die gestörte Nachtruhe negative Auswirkungen auf die Leistung der Münchner hat, wird sich zeigen. Die Eingewöhnungszeit in Katar ist für die Bayern durch die massive Verspätung jedenfalls knapper geworden. Bereits an diesem Montag treffen sie als europäischer Champions-League-Sieger im Halbfinale auf Al Ahly SC aus Ägypten. Am Donnerstag kommender Woche wird dann das Endspiel ausgetragen.
Khedira muss lange zuschauen
Bis dahin können sich Trainer Hansi Flick und sein Team immerhin damit trösten, dass vor dem Reisechaos auf dem Rasen des Olympiastadions unter dem Strich alles nach Plan lief. Die Pflichtaufgabe gegen Hertha BSC wurde erledigt. Vielleicht hatte die Berliner Mannschaft von Trainer Pal Dardai darauf gehofft, dass der eigentlich übermächtige Gegner an diesem Abend schon mit seinen Gedanken bei der Klub-WM sein und nicht die volle Konzentration an den Tag legen würde. Auch wenn es so war, erfüllte sich diese Hoffnung nicht.
Dabei hatte die Hertha vor diesem Spiel noch Sami Khedira verpflichtet, den Weltmeister von 2014, der mit seiner Erfahrung dabei helfen soll, die langersehnte Erfolgsgeschichte mit dem Berliner Traditionsverein endlich zu starten. Schließlich belegen die Herthaner derzeit Platz 15 in der Tabelle - und sind trotz der großen Investitionen von rund 80 Millionen Euro akut abstiegsgefährdet. Lediglich ein Sieg aus den vergangenen zehn Partien steht nun zu Buche. Es wird also höchste Zeit. Und der 33-Jährige, zuletzt bei Juventus Turin kaum noch berücksichtigt, soll den stotternden Hertha-Motor in Fahrt bringen. Allerdings auf der Position, die ihm Dardai über weite Teile bei diesem Spiel zugedacht hatte, konnte er schlicht nicht helfen. Khedira saß über 80 Minuten auf der Reservebank oder machte Aufwärmübungen hinter dem Hertha-Tor. "Es war ein gutes Gefühl, wieder gebraucht zu werden, auch wenn es sehr kurz war", sagte Khedira.
Und so spielten die Bayern, wie sie es so häufig tun, wenn sie ihre Pflicht erfüllen müssen. Sie zogen das Tempo an, wenn es sein musste. Sie spielten ihre individuelle Schnelligkeit aus, wenn Kingsley Coman oder Leroy Sané auf den Außenbahnen sich den Ball schnappten und in die Mitte zogen. So entstand auch die Bayern-Führung, als Coman aus 16 Metern abzog und Niklas Stark so unglücklich abfälschte, dass der Ball über Torhüter Rune Jarstein hinweg ins Tor fiel. Das war der 51. Treffer der Bayern in einem Pflichtspiel in Folge. Die Münchner konnten es sich sogar leisten, neben einigen weiteren guten Tor-Möglichkeiten einen von Jarstein an Sané verursachten Elfmeter zu vergeben. Der Berliner Torhüter verhinderte mit einer Parade das 25. Saisontor von Robert Lewandowski. "Man kann nicht in jedem Spiel zelebrieren. Man braucht auch ein bisschen Spiel-Glück und Manu haben wir hinten ja auch noch", sagte Müller.
Neuer wieder mit starken Paraden
Die Berliner waren keineswegs chancenlos, hatten einige gute Tor-Möglichkeiten. Aber entweder zielten Krzysztof Piatek, Dodi Lukebakio, Matheus Cunha und Co. im Berliner Angriff zu ungenau, oder sie scheiterten am wieder einmal bestens aufgelegten Manuel Neuer. Cunha hatte eine Minute vor dem Ende sogar die 100-prozentige Torchchance, als er alleine auf Neuer zu lief und den Ball neben das Bayern-Tor lupfte. Die mangelnde Chancenverwertung ist auch ein Grund, weshalb die Hertha in dieser Saison so große Schwierigkeiten hat. 25 Saisontore hat die Hertha bisher lediglich erzielt.
Die Bayern sind keineswegs unantastbar. Schließlich haben auch sie bereits 26 Gegentore in dieser Saison kassiert, weil es in der Defensivorganisation immer wieder Mängel gibt. Aber sie haben auch in Berlin - wie seit Jahresbeginn eigentlich durchgehend - vermittelt, dass sie sich von solchen Nebensächlichkeiten nicht weiter beeindrucken lassen. Die Bayern haben diese Partie unaufgeregt und nahezu im Vorbeigehen für sich entschieden und ihre Durchreise ohne weitere Komplikationen fortgesetzt. Es war der fünfte Bundesliga-Erfolg in Serie. Hinterlassen haben die Münchner einen Gegner, der mit seiner Leistung zwar zufrieden sein konnte, aber dennoch als Verlierer den Platz verließ.