Rekordjagd an der Börse - bis zum Crash?
10. März 2021Der Deutsche Aktienindex (Dax) markierte auch an diesem Mittwoch zwischenzeitlich einen neuen Höchststand bei 14.561 Punkten. Doch anders als vor 20 Jahren und noch im vergangenen Jahr sind es jetzt nicht mehr die Technologiewerte, die den Aufschwung treiben. Aktien wie Amazon oder Apple büßten in den vergangenen Wochen sogar ein, der amerikanische Technologie-Index Nasdaq ging in den letzten vier Wochen um zehn Prozent zurück. Ähnlich der deutsche TecDax, der bis Ende vergangener Woche ebenfalls um ein Zehntel einbrach, seine Verluste aber inzwischen wieder leicht auf knapp acht Prozent reduziert hat.
Lieber Growth oder lieber Value?
"Wir sehen eine Sektor-Rotation", meint etwa Michael Beck, Leiter der Vermögensverwaltung beim Bankhaus Ellwanger & Geiger. Viele Werte aus dem sogenannten Growth-Bereich wie eben Technologie oder Biotech seien sehr schnell gewachsen. Meist verzeichnen sie hohe Verschuldungsquoten und die Niveaus der Bewertungen seien sehr hoch. Solche Titel wurden in den vergangenen Wochen verkauft, ebenso Krisengewinner wie der Essenslieferdienst Delivery Hero. So wenden sich die Anleger lieber anderen Titeln zu, den sogenannten Value-Werten.
Dazu gehören Industriewerte aus der Chemie, aus der Autobranche oder dem Maschinenbau. Inzwischen werden auch Aktien aus der Finanzbranche wieder gekauft - da profitiert die Deutsche Bank, aber auch Papiere aus der Tourismusbranche sind wieder stärker nachgefragt. Dahinter stehen die Hoffnungen auf ein Ende der Pandemie in den nächsten Monaten. Die Börsianer setzen darauf, dass die Impfungen und vermehrte Tests im Sommer dazu führen, dass der Lockdown weitgehend beendet wird.
Es bleibt unruhig - auch am Anleihemarkt
Dann könnten die Verbraucher wieder verstärkt konsumieren und auch hoffentlich wieder reisen. Diese gute Stimmung zeigt sich auch beim jüngsten Sentix-Konjunkturindex. Darin beurteilen die Anleger die Lage inzwischen deutlich besser, während die Aussichten als stabil beurteilt werden. "Bei den Tech-Titeln dürfte der Boden bald erreicht sein", prophezeit Christoph Mertens von der Fürst Fugger Privatbank. Langfristig blieben sie ein Kauf. Und er rechnet mit einem weiter unruhigen März.
Vor kurzem noch waren die Anleger verschreckt, weil die Anleihe-Renditen in den USA über die Marke von 1,5 Prozent geklettert waren. Höhere Renditen auf Staatsanleihen könnten die Investoren weg von Aktien und hin zu Renten führen, glaubten sie damals. Inzwischen haben sich die meisten da etwas entspannt. Trotz aktuell höherer Inflationszahlen dürften die die Notenbanken Sorgen zerstreuen, dass die Inflation stärker ansteige und damit auch die Geldpolitik eine Wende einleiten könnte, glauben etwa die Konjunkturexperten der BayernLB.
Diese Wende dürfte darin bestehen, dass sie die Anleihekäufe reduzieren und schließlich auch die Zinsen erhöhen. "Die Notenbanken wissen, was steigende Zinsen für hochverschuldete Staaten bedeuten", glaubt Christoph Mertens von der Fürst Fugger Privatbank. "Sie werden daher eine 'richtige' Inflation mit hohen Zinsen nicht zulassen." Das ist eine Ansicht, die andere Beobachter zumindest auf längere Sicht für problematisch halten. Diese Frage einer "Fiskaldominanz" dürfe die EZB nicht leiten, warnt etwa Volker Wieland, Professor für Monetäre Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt.
Was macht die EZB?
Dennoch werde die EZB bei ihrer Sitzung an diesem Donnerstag durch die steigende Inflation "hindurchschauen", sind die meisten Experten überzeugt. Und das führt auch dazu, dass die Börsianer sich doch wieder auf Aktien stürzen. Das tun vermehrt auch Privatanleger; jüngste Zahlen zeigen, dass etwa in den USA deren Anteil inzwischen von zehn auf 25 Prozent gestiegen ist. Auch in Deutschland ist die Zahl der Aktionäre gestiegen auf 12,35 Millionen - das ist der höchste Stand seit fast 20 Jahren. Die investierten 2020 mit knapp 21 Milliarden Euro mehr als viermal so viel Geld wie 2019.
Das Auf und Ab der Aktie von Gamestop aber zeigt, dass damit auch die Schwankungsanfälligkeit erhalten bleibt. Das macht der Finanzbranche Sorgen: "Am Ende des Tages braucht man doch auch Beratung", meint etwa Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. "Das Finanzwissen ist in der Bevölkerung nicht sehr groß." Das macht die Börsen auch anfälliger für schnelle Stimmungswechsel.
Doch die Hoffnung bleibt, dass sich die Wirtschaft weltweit auf breiter Front erholt. Der Optimismus ist also groß. Da die Börsen meist sechs bis neun Monate in die Zukunft schauen, dürfte es also noch aufwärts gehen. Rückschläge nicht ausgeschlossen.