Religion als Mittel zum Zweck
12. April 2006Kritiker halten das Treffen für eine Propaganda-Veranstaltung der Regierung in Peking. Es soll religiöse Offenheit vortäuschen und von der Verletzung der Menschenrechte in der Volksrepublik ablenken. Es erscheint auch passend, dass das Buddhismus-Forum kurz vor einem Treffen von Chinas Staatschef Hu Jintao mit George W. Bush Ende April stattfindet. Der US-Präsident ist überzeugter Christ und Verfechter der Religionsfreiheit.
Bis zu 1000 Mönche, Nonnen und Buddhismus-Experten aus 30 Ländern treffen sich vom 13. bis 16. April beim World Buddhist Forum in der chinesischen Stadt Hongzhou. Es ist das erste internationale Buddhismus-Forum in China seit 1949. Von der Deutschen Buddhistischen Union, Dachverband mehrerer buddhistischer Richtungen in Deutschland, nimmt die Vorsitzende teil. "Wir wollen uns ansehen, welche Möglichkeiten es für Buddhisten in China gibt", so Hans-Erich Frey, Vize-Vorsitzender der DBU.
Keine Staatsreligion, aber anerkannte Glaubensrichtungen
Eine reine PR-Show ist das Treffen für Hanns Hilpert von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin nicht. "Schließlich lässt die Regierung Buddhismus und Religion in China ja zu", sagt der China-Kenner. Das Recht auf Religionsfreiheit ist in der Verfassung des kommunistischen Staates festgeschrieben. Es gibt keine Staatsreligion, aber Buddhismus (mit mehr als 100 Millionen Anhängern), Daoismus, Islam und Christentum sind anerkannte Glaubensrichtungen. Es sollen sogar wieder Gespräche zwischen dem Vatikan und Peking über eine Annäherung stattfinden. Die katholische Kirche ist seit 1951 in China gespalten, es gibt eine offiziell zugelassene "patriotische Vereinigung" und eine katholische Untergrundkirche.
"Das Buddhismus-Forum ist ein Zeichen für das wachsende Selbstbewusstsein der Buddhisten in China", meint Buddhismus-Forscher Carsten Krause aus Hamburg. "Sie verstehen sich als ernst zu nehmende Religionsvertreter." Andererseits gibt es in China immer auch Wechselwirkungen mit der Politik. "Sicherlich will die Regierung in Peking auch gerne zeigen, dass sie sich für die Pflege und den Erhalt dieser Religion einsetzt und einen guten Eindruck machen", sagt der Kenner des chinesischen Buddhismus. Dieses Signal ist nach Innen an die eigene Bevölkerung gerichtet, aber auch an das Ausland, zeigen sich Experten einig.
Die harmonische Gesellschaft als gemeinsames Ziel
Das Motto des religiösen Treffens lautet: "A harmonious world begins in the mind – Eine harmonische Welt beginnt im Geiste." Ähnlich klingt die von Hu ins Leben gerufene Kampagne von der "Harmonious society", der harmonischen Gesellschaft. Der Regierungschef dürfte sie angesichts zunehmend auftretender Unruhen im Land initiiert haben. "Hier vereinnahmen sich chinesische Buddhisten und Politiker wohl gegenseitig", meint der Sinologe Krause.
Religion hat insgesamt an Bedeutung in China gewonnen. "Die marxistisch-leninistische Lehre zieht nicht mehr, weil alle Geld verdienen und reich werden wollen. Andererseits fehlt das spirituelle Element im Leben", meint Hilpert von der SWP. Religion hat in der chinesischen Gesellschaft immer eine wichtige Rolle gespielt, die buddhistische Tradition in China ist 2000 Jahre alt.
Totalitäre Volksrepublik
Es gibt in China aber Grenzen: "Eine Religion wird von der staatlichen Seite nur so lange toleriert, wie sie das Machtmonopol nicht in Frage stellt", sagt Hilpert. Die sektenartige Falun-Gong-Bewegung wurde 1999 in der Volksrepublik verboten. Religionen können Freiräume nutzen, wenn sie dabei die Kommunistische Partei in China nicht herausfordern, meint auch der französische Sinologe Nicholas Bequelin. "China ist immer noch ein totalitärer Staat, in dem sämtliche Lebensbereiche wie Religion, Sport, Kultur oder Wirtschaft von der Regierung kontrolliert werden", meint China-Kenner Hilpert von der SWP.
Zwei der wichtigsten Lamas des tibetischen Buddhismus nehmen an dem religiösen Treffen Mitte April nicht teil: Der Dalai Lama lebt seit 1959 im indischen Exil, nachdem er aus seiner von China besetzten Heimat Tibet fliehen musste. Auch der Karmapa Lama, drittwichtigster Mönch im tibetischen Buddhismus, lebt seit 2000 in Indien. Sie setzen sich beide für ein freies Tibet ein.