Religion prägt Wahlkampf in Nigeria
15. April 2011In diesem Wahlkampf beherrschte im muslimischen Norden Nigerias vor allem ein Thema die Diskussionen: Die Abkehr der Demokratischen Volkspartei (PDP) vom regionalen Rotationsprinzip, dem "Zoning". Dem vor einem Jahr gestorbenen muslimischen Präsidenten Umaru Musa Yar'Adua hätte nämlich nach den parteiinternen Regeln noch eine zweite Amtszeit zugestanden. Nun ist sein ehemaliger Vize, der Christ Goodluck Jonathan, Kandidat der Partei bei der Präsidentschaftswahl am Samstag (16.04.2011). Der Politikwissenschaftler Abubakar Isah Hassan aus dem nördlichen Bundesstaat Jigawa hat dafür kein Verständnis: "Sie hätten sich an die Vereinbarung halten sollen. Das ist eine Frage der Ehrlichkeit." Mit der Kandidatur Jonathans sei die Vereinbarung über das "Zoning" abgeschafft.
Religion prägt den Wahlkampf
Wie schon die Vorwahlen innerhalb der PDP sei nun auch die Präsidentenwahl selbst durch eine religiöse Debatte geprägt, klagt Hassan. Die Menschen würden sich auf ihre eigene Gemeinschaft zurückziehen und einen Kandidaten nur noch danach beurteilen, ob er Christ oder Muslim sei. Auch die Journalistin Eunice Bosua kritisiert diese Entwicklung. Sie stammt aus dem Zentrum Nigerias und ist eine der wenigen Christen, die im muslimischen Jigawa leben. Bosua verweist auf die vielen Probleme wie wachsende Arbeitslosigkeit und Defizite im Bildungswesen, die auf eine neuen Präsident warten. "Wir sollten für denjenigen stimmen, von dem wir erwarten, dass er die Probleme löst." Nicht die Religion dürfe im Vordergrund stehen.
Von den vier größeren Parteien haben drei einen muslimischen Kandidaten. Der bisherige Gouverneur von Kano, Ibrahim Shekarau von der All Nigeria Peoples Party (ANPP), ist vor allem durch die von ihm eingeführte islamische Sitten-Polizei aufgefallen. Er gilt selbst im Norden als chancenlos. Nuhu Ribadu vom Action Congress of Nigeria (ACN) hat sich unter dem früheren Präsidenten Obasanjo einen Namen als Chef der Anti-Korruptionsbehörde gemacht. Gegen ihn spricht seine vermeintliche Nähe zum im Norden eher unbeliebten Obasanjo. Außerdem werfen viele Nigerianer Ribadu vor, dass er nun im ACN mit Leuten zusammenarbeite, die er früher wegen Korruption verfolgt habe.
Ein Heilsbringer für den Norden?
Profitieren kann von der neuen Lage vor allem Muhammadu Buhari, Mitte der 1980er Jahre für eineinhalb Jahre Chef der Militärjunta Nigerias. Er gilt vielen im Norden Nigerias als Heilsbringer. Die Christin Bosua schätzt ihn ebenso wie ihre muslimische Kollegin Zainab Abdullahi. Die erinnert an die Zeit, als Buhari später für den Petroleum Trust Fund (PTF) verantwortlich war: "Gesundheit, Straßen, Schulen, Strom, Wasser - von all dem haben wir profitiert." Ausgerechnet unter dem äußerst korrupten Junta-Chef Sani Abacha war es Buhari gelungen, zahlreiche Infrastrukturprojekte aufzubauen. Nun hoffen viele Nigerianer, dass Buhari als Präsident Ähnliches leisten werde, erklärt Zainab Abdullahi seine Popularität.
Buhari wollte schon 2003 und 2007 Präsident werden. Vergeblich. Diesmal könnte ihm der Frust über die Regierungspartei PDP zu Gute kommen. Besonders angespannt ist die Lage in seinem Heimatstaat Katsina, aus dem auch der verstorbene Yar'Adua stammte. Hier wie in anderen nördlichen Bundesstaaten halten viele aus dem Establishment weiter zum PDP-Kandidaten Goodluck Jonathan, auch die nach wie vor einflussreichen Emire.
"Wenn Umaru Musa Yar'Adua diesen Mann geholt hat, damit der die Geschäfte übernimmt, falls er nicht mehr sein sollte, dann gibt es für uns keinen Grund, schlecht über ihn zu reden", ist der Vertreter des Emirs von Katsina Ahmadu Na Funtua überzeugt. Yar'Aduas Wort habe auch nach seinem Tod noch großes Gewicht in Katsina, betont Na Funtua. Noch kann die PDP auf den internen Streit in Buharis Partei, der CPC (Congress for Progressive Change), hoffen. In seiner Heimat Katsina konnte die CPC zwar bei der Parlamentswahl am 9. April große Erfolge erzielen. Aber in anderen Bundesstaaten, auch im benachbarten Kano, kämpfen die CPC-Mitglieder mehr gegen einander als gegen die anderen Parteien.
Fortschritte im demokratischen Prozess
Der bevölkerungsreiche Bundesstaat Kano hat im Norden eine Schlüsselrolle inne. Hier sieht der Demokratie-Aktivist Mohammed Mustapha Yahaya große Fortschritte, wenn er den Wahlkampf heute mit dem vor vier Jahren vergleicht. Es habe viel weniger Gewalt gegeben. Im Wahlkampf sei es viel mehr um Inhalte gegangen, lobt Yahaya.
So hätten sich die Parteien auf die bisher geleistete politische Arbeit ihrer Gegner bezogen und versucht, deutlich zu machen, was sie besser machen würden. Da es in Kano jetzt neben der PDP und dem CPC noch die bisher im Staat regierende ANPP und den ACN als starke Parteien gebe, gehe es viel demokratischer zu, freut sich Yahaya. Wenig profitiert haben von dieser neuen Vielfalt allerdings die Frauen. Noch weniger als im Süden Nigerias können im Norden Frauen darauf hoffen, auch nur in den Landesparlamenten eine nennenswerte Anzahl Sitze zu bekommen.
Autor: Thomas Mösch
Redaktion: Jan-Philipp Scholz