Riesenkoteletts und Smog
17. Mai 2011Eine uralte Seilbahn hat uns auf den Berg San Cristobal hinaufgetragen - er liegt mitten in Santiago de Chile. Neben mir stehen meine chilenisch-deutschen Freunde. "Ach, das sieht aber toll aus, dieser Nebel", sage ich. Von hier hat man einen wunderschönen Blick auf die Sieben-Millionen-Metropole Santiago. Meine Freunde fangen laut an, zu lachen. "Das ist kein Nebel, Julia", klären sie mich auf, "das ist der Smog über der Stadt." Oh Gott, denke ich! Denn über der ganzen Stadt hängt eine graue Wolke, die manche Häuser und Wolkenkratzer verdeckt. Von den 6000 Meter hohen Anden, die Santiago umschließen, ist im Moment gar nichts zu sehen. Zwar gilt Chile als eines der am höchsten entwickelten Länder Lateinamerikas, trotzdem hat das Land Umweltprobleme.
Das spüre ich immer wieder, auch auf der Drehreise. "Ach, ist es leer auf den Strassen hier", sage ich am nächsten Tag zu Bruno, dem Kameramann. "Ganz anders als in Mexiko." "Na klar", sagt der. "Hier ging vor einigen Jahren gar nichts mehr - bis die Regierung beschlossen hat, dass an bestimmten Tagen nur die Autos mit bestimmten Nummernschildern fahren dürfen. Jetzt geht es besser."
Gut aussehende Chilenen
Auf dem Weingut angekommen, ist von Umweltverschmutzung nichts mehr zu spüren. Ganz im Gegenteil: ein herrlicher Sonnenschein empfängt uns, der Duft nach Trauben und der Geruch nach Wein.
Es herrscht Stress, denn in nur zwei Monaten müssen die Arbeiter die ganze Ernte einfahren. Trotzdem ist die Laune der meisten gut. Die Arbeiter wirken fast fröhlich, so, als sei die Traubenernte immer etwas ganz Besonderes. Chefingenieur Roberto bestätigt das. Er Anfang 30, ein gut aussehender Chilene, der gar nicht mehr aufhört zu reden, als er mich auf Spanisch sprechen hört. Er dachte, er müsse das Interview auf Englisch geben. Jetzt ist er so erleichtert, dass wir Spanisch sprechen, dass er mir seine ganze Familiengeschichte erzählt. "Meine Eltern waren hier Bauern, damals gab es nur so kleine Weingüter. Jetzt, ach jetzt ist ja fast jeder Fleck in Chile voll mit Wein." Er ist inzwischen Chefingenieur, hat als Einziger in der Familie studiert und seine Eltern seien sehr stolz auf ihn.
Carne a lo Pobre - Fleisch, nicht nur für Arme
Der Wein schmeckt fantastisch, aber zurück in Santiago de Chile kann ich es nicht lassen, ein typisch einheimisches Gericht zu bestellen. Alle haben mir bestätigt "carne a lo pobre" sei soooo toll. Na, wird schon nicht so viel sein, denke ich, schließlich heißt das übersetzt: Fleisch für die Armen. Ich wundere mich nur, dass es auf der Karte eines der teuersten Gerichte ist, denke aber, das liegt wohl daran, dass es so typisch ist. Als der Kellner mir mein Gericht bringt, sage ich ihm, dass er sich vertan hat. "Carne a lo pobre" – das kann ja wohl nicht sein. Vor mir liegen zwei riesige Koteletts, gepaart mit Pommes Frites, die für meine Söhne und mich zusammen reichen würden und oben drauf: noch ZWEI Spiegeleier. Wer soll das alles essen??? Der Kellner grinst und wünscht mir guten Appetit. Jetzt nur nicht aufgeben. Schließlich starren sie hinter der Theke schon zu mir rüber und fragen sich wohl, wie mir das schmeckt. "Muy bien!", rufe ich tapfer. Und tatsächlich! Es schmeckt so gut, dass ich mir am nächsten Tag gleich noch mal dasselbe bestelle.
Autorin: Julia Henrichmann
Redaktion: Ranty Islam