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PolitikEuropa

Republika Srpska - "Staat" im Staate Bosnien und Herzegowina

12. Januar 2023

Die Republika Srpska (RS) ist ein Sonderfall der europäischen Gegenwart und ein Resultat des kriegerischen Zerfalls Jugoslawiens. Was man über die serbische Entität in Bosnien und Herzegowina wissen sollte.

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Luftbild eines Demonstrationszuges, der eine lange serbische Fahne trägt
Demonstration bosnischer Serben am 9.01.2022 in Ost-SarajevoBild: AP/dpa/picture alliance

Die Republika Srpska (Serbische Republik, RS) ist eine von zwei Entitäten des Staates Bosnien und Herzegowina und nicht identisch mit der Republik Serbien (Republika Srbija).

Eine gekünstelte Geographie

Die RS besteht aus zwei von einander getrennten Teilen, die durch den neutralen Brcko-Distrikt im Norden separiert sind, der im Staat Bosnien und Herzegowina eine eigene administrative Einheit darstellt. Der Brcko-Distrikt wurde nach Kriegsende 1995 unter anderem geschaffen, damit die bosnischen Serben über kein zusammenhängendes, an Serbien grenzendes Gebiet in Bosnien und Herzegowina verfügt.

Karte Bosnien-Herzegowinas mit den Teilrepubliken
Drei Teilrepubliken bilden Bosnien-Herzegowina

Die RS und die Föderation

Zusammen mit der Föderation Bosnien und Herzegowina bildet die Republika Srpska den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina (BiH) mit den konstituierenden Völkern Bosniaken, Kroaten und Serben. Gemäß der Verfassung ist der Staat BiH zuständig für die Außenpolitik, den Außenhandel, die Zoll- und Währungspolitik, Migrationsfragen, internationale Strafverfolgung, Telekommunikation und die Luftverkehrshoheit. Seit 2006 besitzt die Staatsebene auch die Zuständigkeit für die Verteidigungspolitik. Alle anderen Bereiche regeln die Entitäten in Eigenregie.

Echte Freunde

Die EU genießt in der RS keine Wertschätzung, Moskau dafür sehr viel. Am 9.01.2023 verlieh Milorad Dodik, Präsident der Republika Srpska, dem russischen Staatschef Wladimir Putin den höchsten Orden der Entität. Für seine "patriotische Sorge und Liebe" für die RS, so die Begründung.

Symbolträchtig erhielt Putin die Staatsmedaille in Abwesenheit am 31. Jahrestag des Staates, der keiner ist und auch keiner sein will. Das Ziel der RS heißt "alle Serben in einem Staat". Eine gefährliche Provokation für BiH und Europa.

Sitzung des Parlaments der Republika Srpska
Sitzung des Parlaments der Republika Srpska am 14.09.2022. Am Pult spricht der heutige Präsident der RS, Milorad DodikBild: Dragan Maksimovic/DW

Wann und wie die RS entstand

Am 9. Januar 1992 erklärte die bosnisch-serbische Versammlung die Republika Srpska zur "Republik des serbischen Volkes von Bosnien und Herzegowina". Die Ausrufung der RS gilt als einer der Auslöser des Bosnien-Krieges, der mehr als 100.000 Menschen das Leben kostete und Hunderttausende in die Flucht trieb.

Ethnische Säuberungen als Kriegsziel

Neben anderen nationalistischen Akteuren bei allen drei Parteien der Kriegsgegner gingen auf serbischer Seite vor allem der politische Serben-Führer Radovan Karadzic, der Armeechef Ratko Mladic und die Parlamentspräsidentin Biljana Plavsic als ethnische Säuberer in die Annalen ein.

Radovan Karadzic
Radovan Karadzic am 20.03.2019 vor dem Strafgerichtshof in Den HaagBild: Reuters/P. Dejong

Dayton als endgültiger Geburtshelfer

Ihre Vertreibungspolitik bestätigte der Friedensvertrag von Dayton 1995, der den Krieg beendete, aber die territoriale "Kriegsbeute" anerkannte. 49 Prozent von BiH stehen seitdem in Form der RS unter serbischer Kontrolle; dort leben etwa 1,2 Millionen Menschen mit überwiegend serbischer Identität.

Die Institutionen der RS

Die bosnische Serben-Republik verfügt über ein eigenes politisches System mit unabhängiger Legislative, Exekutive und Judikative. Laut ihrer Verfassung ist Sarajevo ihre Hauptstadt. De facto ist Banja Luka seit 1998 Regierungssitz der RS.

Die Gespenster der Vergangenheit

Als schwere Belastung für den "kalten Frieden" in BiH spaltet die Frage der verurteilten Kriegsverbrecher das Land, das sich immer noch unter internationaler Aufsicht befindet. Vor allem in der RS genießen sie bis heute "Helden-Status".

Christian Schmidt unterzeichnet ein Dokument
Christian Schmidt, der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft für Bosnien und HerzegowinaBild: Elman Omic/AA/picture alliance

Der Hohe Repräsentant und die RS

Erst vor wenigen Wochen erinnerte der deutsche Hohe Repräsentant Christian Schmidt die Bevölkerung und die politische Elite der RS daran, dass Karadzic und Mladic die "Urheber von Völkermord" sind und als solche vom Haager Kriegsverbrechertribunal verurteilt wurden.

Nationale Identitäten und Religionszugehörigkeit

Die ethnischen Unterschiede zwischen Bosniaken, Kroaten und Serben sind praktisch nur geringfügig, etwa bei Vor- und Nachnamen sowie bei minimalen Abweichungen im Sprachgebrauch des einstigen Serbokroatischen, heute des Bosnischen, Kroatischen und Serbischen. Klare Unterschiede bestehen bei der Religionszugehörigkeit: Die Bosniaken haben einen muslimischen, die Kroaten einen katholischen, die Serben einen orthodoxen Hintergrund. Die Trennung nach nationalen und religiösen Kriterien verhindert auch seit Jahren die Bildung eines Bürgerstaates und einer Bürgergesellschaft. In der Föderation Bosnien und Herzegowina unterstehen nahezu alle öffentlichen Ämter einem Ethno-Proporz zwischen Bosniaken und Kroaten. Zudem sind Personen, die sich nicht einer der drei konstituierenden Nationen des Staates zuordnen, von der Ausübung bestimmter politischer Ämter ausgeschlossen.

Vucics Serbien und Dodiks RS

Zum Jahrestag der RS-Gründung hatte Serbiens starker Mann Alexandar Vucic am 9.01.2023 seinen Sohn Danilo entsandt. Ein Zeichen für die politische Unterstützung Belgrads für Dodiks Politik der Loslösung aus dem Staatsverband, ohne dass der serbische Präsident selbst in den Fokus rückte. "Die Serbische Republik wird nur sich selbst und jene um sie herum zerstören, wenn sie dem Irrlicht der Unabhängigkeit nachjagt", quittierte die US-Botschaft in Sarajevo via Twitter die Abspaltungsvisionen Dodiks.

Porträt eines Mannes mit Mittelscheitel und Bart
Volker Wagener Autor für DW Programs for Europe