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Rhetorisches Pathos, aber keine Beweise

Daniel Scheschkewitz29. Januar 2003

Präsident Bush bereitet Amerika und die Welt auf den Irakkrieg vor. Ein Kommentar von Daniel Scheschkewitz.

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Genau vor einem Jahr hatte Präsident Bush die Achse des Bösen aus der Taufe gehoben. Es gibt politische Beobachter, die sagen , dass schon damals im Weißen Haus ein Krieg zur Entmachtung Saddam Hussein beschlossene Sache war. Wie dem auch sein mag. Heute, ein Jahr später, stand Bush vor der schwierigen Aufgabe, eine wohlstandsverwöhnte Nation von der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen, der auch amerikanische Menschenleben kosten wird.

Er tat dies, indem er an die heroischen Instinkte dieser freiheitsliebenden Nation appellierte und indem er die durchaus reale Gefahr von Massenvernichtungswaffen heraufbeschwor, die von despotischen Regimen, wie dem Saddam Husseins, an Terroristen weitergegeben werden.

Diese Gefahr leugnet kein ernst zu nehmender Mensch.

Und doch hat die Rede Bushs viele Fragen offen gelassen. Warum stellt der Irak gerade jetzt eine so große und imminente Gefahr dar? Warum kann man dieses Problem nur militärisch lösen, während Nordkorea, das ganz offen sein Atomprogramm wiederaufgenommen hat, mit Mitteln der Diplomatie in die Schranken gewiesen werden soll? Und wann endlich legt das Weiße Haus die überzeugenden Beweis für die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen auf den Tisch, die von den UN-Inspekteuren vermutet aber bislang nicht verifiziert werden konnten?

Als neues Datum nannte Bush jetzt den 5. Februar - dann aber im Weltsicherheitsrat in New York. Dort hängt die Mission der UN-Waffensinspekteure an einem seidenen Faden, der jederzeit von Washington aus gekappt werden kann. Wenn die USA diese Inspektionen jetzt beenden wollen, wo sie gerade erst richtig begonnen haben, dann ist die Bush-Regierung der Welt einen Beweis schuldig, der überzeugender ausfällt als das bisher vorgelegte Sammelsurium von ein paar Litern Anthrax hier und ein paar Dutzend Sprengköpfen dort.

Fällt dieser Beweis nicht überzeugend aus, droht die Legitimation für den amerikanischen Führungsanspruch in der freien Welt verloren zu gehen.

Amerika stellt sich seit dem 11. September mit großem Engagment dem Kampf gegen den Terrorismus als der größten außenpoltischen Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg. Doch deswegen kann kein US-Präsident die Augen vor den großen sozialen Problemen dieser reichen Nation verschließen. Bush hat in seiner Rede einem staatlichen Gesundheitssystem eine erneute Absage erteilt - aber er hat nicht gesagt, wie er den 40 Millionen unversicherten US-Bürger eine bezahlbahre Krankenversicherung ermöglichen will.

Und mit Steuersenkungen alleine kann Bush den Konsum im Lande vielleicht einen kurzfristigen Impuls geben . Doch zu einem nachhaltigen Aufschwung, der auch auf die globale Konjunktur abstrahlt, dürfte es kaum reichen. Im Gegenteil: Das ohnehin schon große Haushaltsdefizit der USA wird weiter wachsen und damit die Lösung sozialer Probleme für weitere Generation vertagt werden.

Die Gefahren von Massenvernichtungswaffen in den Händen von Terroristen hat Bush eindringlich becshworen. Die Gefahren eine Krieges im Irak hat Bush den Amerikanern jedoch erneut verschwiegen. Darüber kann auch kein rhetorisches Pathos hinwegtäuschen. Mit seiner Schwarz-Weiss-Malerei vom guten Amerika in einer Welt des Bösen kann Bush vielleicht den durchschnittlichen US-Bürger beeindrucken - doch eine zunehmend kritischen Weltöffentlichkeit wird das noch lange nicht überzeugen.