Rom und die Realität
5. Oktober 2014Eröffnet wurde die Synode mit einer Messe im Petersdom mit Papst Franziskus und zahlreichen Kardinälen und Bischöfen.
Der Titel der Bischofssynode klingt schon merkwürdig: "Dritte außerordentliche Generalversammlung der Bischofssynode". Außerdem mutet das Thema recht sperrig an: "Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung". Entschieden wird in Rom bei dem Treffen auch nicht, lediglich beraten... Und doch: Der Führungswechsel im Vatikan und der neu aufkommende Mut, die kirchliche Gegenwart auch realistisch zu sehen und ehrliche Meinung zu äußern, machen die Veranstaltung spannend, die an diesem Sonntag (05.10.2014) im Vatikan beginnt und zwei Wochen dauert. Denn sie erinnert sehr deutlich an den Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65). An jenen Mut zum offenen Gespräch, der in den Jahrzehnten danach erlahmte.
Das Instrument der Bischofssynoden richtete Papst Paul VI. wenige Monate vor Ende des Konzils durch ein Apostolisches Schreiben ein. Es mag eine Erkenntnis gewesen sein aus den ungewohnt offenen Gesprächen des Konzils - Gesprächen zwischen fruchtbarem theologischem Diskurs und auch tiefem Konflikt bis hin zu Streit und Strippenzieherei. Paul VI. wollte mit dem neuen Instrument der Bischofssynoden die Beziehungen zwischen Papst und Bischöfen der Weltkirche vertiefen und für drängende Themen ein gemeinsames Forum schaffen. Seit 1967 kamen im Vatikan 13 sogenannte Ordentliche und zwei Außerordentliche Bischofssynoden zusammen.
"Spontan und kontrovers diskutieren"
An die Anfangszeit erinnert sich Albert Franz genau. Der heute 67-Jährige studierte ab 1967 fünf Jahre an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom Philosophie und Theologie. Gleich drei Synoden fielen in diese Zeit. "Das war damals mit sehr vielen Hoffnungen verbunden", sagt der Theologe. Aber das Synodalprinzip sei bald zurückgedrängt worden, hierarchisches Denken setzte sich durch. Und heute? "Die Erwartungen waren damals sehr hoch. Und nach wie vor habe ich sie", sagt Franz, heute Präsident des Katholischen Akademischen Ausländerdienstes, der Deutschen Welle. "Ich wehre mich dagegen, das einfach als ein Stück Geschichte abzulegen."
Die Hoffnungen keimen heute wieder auf. Auch wenn, vielleicht auch gerade weil bei einer Außerordentlichen Synode, wie sie jetzt stattfindet, die Runde kleiner ist und am Ende keine Entscheidung stehen soll. Die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen weltweit - derzeit gibt es 114 - kommen nach Rom. Zudem hat Franziskus die Spitzen östlicher Kirchen und die Chefs von 25 vatikanischen Behörden eingeladen. Dazu kommen einige weitere Bischöfe sowie Experten und Gasthörer, überwiegend Laien. Gut 250 Beteiligte sind es insgesamt. Und anders als bei vielen vergangenen Synoden sollen sie nicht einfach nur vorher schriftlich eingereichte Statements vorlesen und lauschen, sondern spontan und auch kontrovers diskutieren. Der Papst, so der Generalsekretär der Synode, Kardinal Lorenzo Baldisseri, wünsche eine Neubelebung des synodalen Gedankens.
"Es werden Lösungen verlangt"
Gerade die Zusammenkunft der Bischofskonferenz-Vorsitzenden ist ungewöhnlich. Sie treffen einander normalerweise nie in einem solchen Rahmen. "Eines der brisantesten Themen" der vergangenen Jahre, so der deutsche Kardinal Reinhard Marx, sei die "volle Teilhabe" am Leben der Kirche von Katholiken, die nach einer Scheidung eine zweite Zivilehe eingegangen sind - und damit kirchlich im Abseits stehen. In Deutschland sei klar, "dass gerade in dieser Frage nach Lösungen verlangt wird". Durchaus wahrscheinlich ist, dass Bischöfe aus anderen europäischen Ländern ähnlich denken. Vielleicht kommt aus den USA stärker der Blick auf den Umgang mit Homosexuellen, aus Afrika die mancherorts fast alltägliche Erfahrung, dass auch viele männliche Katholiken im Laufe der Zeit mehrere Frauen haben. Rund 80 Prozent der Teilnehmer an dieser Synode kommen nicht aus Europa. Das macht sie ein Stück weit unberechenbar.
Dafür, dass die jetzigen Erwartungen gewiss höher sind als die Ergebnisse, zu denen die Synode bis zum 19. Oktober kommen wird, hat Franziskus selbst gesorgt. Im Spätherbst 2013 bat er Bischöfe aus aller Welt um Erfahrungsberichte zur Akzeptanz der überkommenen kirchlichen Lehre beim Thema Ehe und Familie. Vollkommen ungewöhnlich: Auch die Meinung von kirchlichen Laien (die bei diesem Thema mehr konkrete Erfahrung haben als Priester) war gefragt. Die Ergebnisse hätten in Deutschland kaum deutlicher sein können: Das Volk ist weit weg von der strengen Sexualmoral, die Sexualität ausschließlich an das Ehesakrament bindet.
Kurienkardinal Kasper: "Mehr Barmherzigkeit"
Auf Einladung des Papstes referierte im Februar der mittlerweile 81-jährige deutsche Kurienkardinal Walter Kasper zum Thema Familie - vor den in großer Zahl in Rom zu einem sogenannten Konsistorium versammelten Kardinälen. Kasper, der für seinen theologischen Ansatz größerer Barmherzigkeit schon des öfteren öffentlich von Franziskus Lob zugesprochen bekam, blieb seinem Plädoyer treu, die bisherige Strenge zu überdenken. Seitdem werden die Lager klarer: Diverse konservative Bischöfe und Kardinäle wandten sich in den vergangenen Wochen gegen Kasper und warnten vor jedem Kurswechsel. Und mancher langjährige Beobachter sagte: "Sie nennen Kasper, aber sie meinen den Papst." Auf der anderen Seite machten Bischöfe klar, dass aus Rom Signale der Veränderungsbereitschaft und der Veränderungen kommen müssten.
Diese deutlichen Kontroversen, die Lagerbildung, das offene Wort – all das mag Beobachter irritieren. Denn über Jahrzehnte hatten ehrliche Debatten und das Aushalten von Gegensätzen in der katholischen Kirche keine Konjunktur. Die bislang letzte außerordentliche Bischofssynode, zu der 1985 Papst Johannes Paul II. in den Vatikan geladen hatte und die viele Experten für die bislang wichtigste aller 15 Synoden halten, brachte den Katechismus der katholischen Weltkirche auf den Weg. Ein großer Wurf der theologischen Lehre, aber ein Werk der globalen Uniformität.
Regionale Lösungen?
Nun erwarten viele ein Signal, dass Rom bewusst die unterschiedlichen Entwicklungen aufwerten wird - oder auch die je eigene Kompetenz von nationalen Bischofskonferenzen und größeren kirchlichen Regionen. Beispiele dafür gibt es: Katholische Ost-Kirchen, die in Gemeinschaft mit dem Papst stehen, kennen seit langem verheiratete Priester. Und verheiratete männliche Diakone gibt es seit Nachkonzils-Zeiten zwar in vielen Ländern Europas, aber fast nirgends in Lateinamerika.
Die jetzigen Beratungen werden auf jeden Fall die Richtung aufzeigen, die Rom bis zu einer zweiten, dann Ordentlichen Synode zum gleichen Thema im Herbst 2015 gehen will. Zum Beispiel, ob in verschiedenen Regionen verschiedene Wege möglich sind. Und in welcher Form Laien an den weiteren Beratungen beteiligt sein sollen. "Ich würde mir wünschen, dass das synodale Prinzip wirklich wieder zum Tragen käme", sagt der Theologe Franz. In den vergangenen Jahren habe man das zurückgedrängt: "Heute spielt es doch keine wirkliche Rolle mehr." Der langjährige Münchner Dogmatiker Peter Neuner (73), der sich bereits 1971 mit der Konzeption der Bischofssynoden auseinandersetzte, verweist besonders auf den Begriff der "communio", der "Gemeinschaft". Für Neuner bleibt der Status der Bischofssynoden vorerst das Hauptproblem: "Die Konzilsväter hatten eher gedacht, das wäre eine Fortsetzung des konziliaren Geschehens", sagt Neuner der Deutschen Welle. Aber der römische Apparat habe bald ausschließlich auf Beratungen im Dienste des Papstes gesetzt.
Gewiss, der römische Apparat ist weithin noch der gleiche. Doch kein Papst seit dem Konzil hatte einen solch eigenen, offenen theologischen Stil wie Franziskus.
Die dritte außerordentliche Generalversammlung der Bischofssynode findet vom 5. bis 19. Oktober 2014 im Vatikan statt. Sie steht unter dem Thema: "Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung". Zu der Versammlung werden 191 Synodale und 62 weitere Teilnehmer in Rom erwartet.