Rio Alaaf!
10. Februar 2013"Fastelovend em Blot - he un am Zuckerhot" (Karneval im Blut - hier und am Zuckerhut) - so lautet das diesjährige Motto des Kölner Karnevals. Seit November ist die Domstadt im Sambafieber: die Narren sind unterwegs in gelb-grünen Kostümen mit vielen Federn, Sambagruppen erobern die Bühnen der Sitzungssäle und fast jede Karnevalsband hat ein Lied geschrieben, das sich auf Brasilien bezieht. Sogar das Dreigestirn - die obersten Repräsentanten des Kölner Karnevals - präsentiert einen Samba-Schlager.
"Noch nie war ein Motto so stark in den unterschiedlichen Bereichen vertreten", erzählt Christoph Kuckelkorn, Vizepräsident des Festkomitees Kölner Karneval und Leiter des Rosenmontagszugs. "Seit fünf Jahren schon möchte ich Brasilien im Sessionsmotto für den Kölner Karneval umsetzen."
Dieses Jahr gab es nun einen doppelten Anlass: Seit einem Jahr sind Rio de Janeiro und Köln Partnerstädte, und im Mai beginnt das Deutsch-Brasilianische Jahr. Die Initiative stößt in Rio auf Gegenlieben: Die große Sambaschule Unidos da Tijuca widmet Deutschland dieses Jahr ihren großen Auftritt im Sambodrom.
In mehreren großen Städten finden die Wettbewerbe zwischen den Samba-Schulen in solchen "Sambastadien" statt. Sie bestehen aus Paradestraßen mit Tribünen zu beiden Seiten. Das Sambodrom in Rio ist rund 700 Meter lang und fasst annähernd 90.000 Zuschauer.
Brasilianische Tön'
Im Großraum Köln hatten sich vor allem die über 30 Sambagruppen eine Menge vom diesjährigen Motto versprochen: "Wir dachten: Das ist jetzt das Jahr des Samba und der Kölner Sambagruppen", erzählt Ralph Plaßmann, Auftrittskoordinator des Vereins Sambacabana. "Aber da lagen wir falsch", konstatiert er, "denn für die großen Veranstaltungen wurden eher Brasilianer gebucht."
Mehr Anfragen als in den letzten Jahren hätten sie trotzdem gehabt, allerdings vor allem für private Feiern. Sambacabana hat mehr zu bieten als die meisten deutschen Sambagruppen: "Am Anfang treten wir nur mit Musik auf, später kommen dann die Tänzer dazu - dann geht richtig die Post ab", erzählt Plaßmann, der selbst mittrommelt, stolz. Im Straßenkarneval wollen die 32 Mitglieder der Sambacabana die jecke Menge bei den Schull- und Veedelszöch (Schul- und Viertelszüge), den kleineren Umzügen in den Kölner Stadtvierteln, begeistern.
Das Highlight
Auch der Rosenmontagszug, das absolute Highlight unter den vielen Umzügen des Kölner Karnevals, wird in diesem Jahr mottogetreu eröffnet. Fünf Karnevalsgesellschaften haben sich zu einer großen Gruppe zusammengeschlossen. Sie führen als Sambaschule den sieben Kilometer langen Rosenmontagszug an.
"In der Mitte der Gruppe fahren 150 Musiker auf einem großen Gemeinschaftswagen. Ihre Musik wird live aufgenommen und über Lautsprecher auf den anderen Wagen der einzelnen Vereine wieder abgespielt", erklärt Zugleiter Kuckelkorn voller Vorfreude. Diese Präsentationsform feiere ihre Premiere, schwärmt der Karnevalist: "Damit wird die gleiche Akustik erzeugt wie im Sambodrom in Rio."
Der Kölner weiß, wovon er spricht. Im letzten Jahr reiste er zwei Mal nach Rio de Janeiro und sah sich die Samba-Shows an. "Ich bin sogar bei einer Sambaschule mitgegangen", erzählt Kuckelkorn stolz.
Rousseff mit der Dampfwalze
Der Rosenmontagszug ist dafür bekannt, sowohl Kölner als auch nationale und internationale Themen als Motive darzustellen. "Dieses Jahr haben wir auch die kommende Fußball-Weltmeisterschaft, die Olympischen Spiele und den Weltjugendtag in Brasilien dabei", verrät der Zugleiter.
"Zum Beispiel sitzt da die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff neben FIFA-Präsident Sepp Blatter auf einer Dampfwalze und räumt ein Armenviertel aus dem Weg. Im Hintergrund glänzt Rios Skyline", beschreibt Kuckelkorn einen Wagen, der darauf anspielt, dass in mehreren Städten ganze Straßenzüge zwangsgeräumt wurden, um den WM-Stadien Platz zu machen.
Andere Wagenkultur
Der Brasilianer Wanderley Vieira baut seit 15 Jahren Wagen für den Karneval in Rio und in Lissabon. Nun wurde er für den Rosenmontagszug beauftragt. Sein Wagen thematisiert den Regenwald im Amazonas-Gebiet.
Eigentlich wollte er viele bewegliche Elemente einbauen, wie Vögel, die in der Luft schweben. "Doch all das war nicht möglich", bedauert Vieira. "Hier bekommt man einen Wagen mit vorgefertigter Struktur, der dann verkleidet wird." Aus Brasilien ist er es gewohnt, dass Menschen auf den Wagen tanzen und mit ihm verschmelzen. Sie verkörpern Figuren, die zum Gesamtbild gehören. Deshalb arbeiten die Wagenbauer dort eng mit den Tänzern und Kostümbildnern zusammen.
"In Brasilien habe ich mehr Freiheiten bei meiner Arbeit und wir feiern viel ausgelassener", bemängelt Vieira. Das ließe das strenge Sicherheitssystem in Deutschland nicht zu. "Dafür ist hier alles sehr gut organisiert und viel professioneller als in Brasilien", räumt der Wagenbauer ein.
Für den Bau seines Amazonaswagens brauchte er nur einen Monat. Aber er sei ja auch sehr klein, findet der Brasilianer. "Wir wollen unsere Wagen immer so groß wie möglich bauen. Sie sind um die zehn Meter hoch", erzählt er. Allerdings fahren sie auch nur im Sambodrom und nicht auf der Straße. In Köln darf ein Karnevalswagen nicht höher als 4,5 Meter sein.
Trotz der strengen Regeln hat der Brasilianer die Zeit in der Domstadt genossen. "Die werfen hier Bonbons bei den Umzügen. Das ist toll!", lacht Vieira. Und er ist sich sicher: "Die Brasilianer in Köln werden sich am Rosenmontag ein bisschen wie zu Hause fühlen."