Riss durch Europa
30. Januar 2003Staats- und Regierungschefs aus acht europäischen Ländern haben am Donnerstag (30.1.2003) gemeinsam zur Unterstützung der USA bei der Entwaffnung Iraks aufgerufen. "Unsere Stärke liegt in der Einheit", hieß es in einer in der Londoner "Times" und im deutschen "Handelsblatt" veröffentlichten Erklärung von Großbritannien, Spanien, Italien, Portugal, Polen, Ungarn, Dänemark und Tschechien. Die transatlantischen Beziehungen dürften nicht Opfer des gegenwärtigen Regimes in Irak werden, das ständig versuche, die Sicherheit in der Welt zu bedrohen. "Das irakische Regime und dessen Massenvernichtungswaffen stellen eine eindeutige Bedrohung der Sicherheit der Welt dar."
Deutschland und Frankreich fehlen
Der Bericht der UN-Waffeninspekteure habe bestätigt, dass Saddam Hussein sich den Vorgaben der Vereinten Nationen weiter widersetze. "Wir müssen zusammenstehen in dem Beharren, dass sein Regime entwaffnet wird." Sonst verliere auch der Weltsicherheitsrat seine Glaubwürdigkeit, warnten die Unterzeichner. Nach Berichten der "Times" hatte der spanische Ministerpräsident Jose Maria Aznar die Initiative angeregt. Die Erklärung wurde unterzeichnet von den Staats- und Regierungschefs Anders Fogh Rasmussen (Dänemark), Tony Blair (Großbritannien), Silvio Berlusconi (Italien), Leszek Miller (Polen), Jose Barroso (Portugal), Jose Maria Aznar (Spanien), Vaclav Havel (Tschechien) und Peter Medgyessy (Ungarn). Die Regierungschefs, der oft als "Motor der EU" bezeichneten Staaten Deutschland und Frankreich zählen nicht zu den Unterzeichnern
"Es geht ganz offensichtlich ein tiefer Riss durch Europa", kommentierte Franz-Josef Meiers vom Zentrum für europäische Integrationsforschung an der Universität Bonn im Gespräch mit DW-WORLD die Erklärung. "Immer wenn es um wirklich heikle, schwierige Themen geht, dann gibt es keine Gemeinsamkeit." Die EU komme auf ihrem Weg hin zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht voran. "Wir haben immer nur die Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner." In Bezug auf den Umgang mit dem Irak sei dies die Forderung nach mehr Zeit für die Inspektoren. "Aber schon bei der Frage, wieviel mehr Zeit und was geschieht, wenn der Irak auch dann die Forderungen der UN-Resolution nicht erfüllt, gibt es keinen Konsens", betonte Meiers.
Schuss vor den Bug
Für Wolfgang Wessels, Politikwissenschaftler an der Universität Köln, stellt die Erklärung nicht nur eine Unterstützung der USA dar, sondern hat vor allem auch eine EU-interne Zielrichtung. "Das könnte als Schuss vor den Bug für Deutschland und Frankreich gedacht sein." Möglicherweise wollten die anderen großen EU-Staaten Großbritannien, Italien und Spanien klarstellen, dass Frankreich und Deutschland in der Irak-Frage nicht für die gesamte EU sprechen könnten. "Es reicht jetzt, könnte das Motto gewesen sein", sagte Wessels im Interview mit DW-WORLD. "Diese Aufteilung in Gruppen innerhalb der EU bei einer so wichtige Frage ist schon ein außergewöhnlicher Vorgang. Ich kann mich an keinen ähnlichen Fall in den letzten Jahrzehnten erinnern."
Die Schuld am Dissens der Europäer in der Irak-Frage trägt nach Auffassung des EU-Experten Meiers Deutschland. "Die Bundesrepublik hat durch ihre kategorische a-priori-Festlegung auf ein Nein zu jeder Art von Militäraktion eine gemeinsame europäische Position sabotiert", sagt Meiers. Dagegen habe Frankreich sich stets strategisch und diplomatisch klüger verhalten. "Frankreich hat nie ausgeschlossen, dass es auf eine Veränderung der Lage reagieren wird." Dadurch habe Frankreich auch einen größeren Einfluss auf die bisherige US-Politik gegenüber dem Irak ausgeübt.
Mehr Spielraum für Frankreich
Während es Frankreich durchaus noch möglich sei, einem Krieg im Irak zuzustimmen, habe sich die Bundesrepublik diese Möglichkeit verbaut. "Deutschland ist in der in der EU in der Defensive und wird von Frankreich im Sicherheitsrat nur gegen die USA instrumentalisiert." Von der Benutzung der Irak-Frage als Wahlkampfthema durch Bundeskanzler Schröder bis zur falschen Einschätzung der französischen Position seien der Bundesregierung gravierende Fehler unterlaufen. "Für die deutsche Außenpolitik ist das der Super-Gau", sagte Meiers.