1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Robuste Partnerschaft zwischen Iran und China

17. Juli 2020

Iran und China streben ein langfristiges Kooperationsabkommen an - für Handel und Militär. Die Vereinbarung gilt als Schlappe für die USA. Die Region könnte sich ganz neu ausrichten.

https://p.dw.com/p/3fVCO
Iran China Xi Jinping Ali Khamenei
Bild: ana.press

Investitionen von 400 Milliarden Dollar, gestreckt über 25 Jahre: Mit dieser Summe will sich China laut Medienberichten im Iran engagieren. Die Summe soll in den Ausbau von Straßen, Bahnstrecken, Häfen und weiteren Infrastrukturprojekten, in den Tourismus und in die Erdöl- und Gasindustrie fließen. So berichtet es die New York Times, der das unterschriftsreife Dokument zur künftigen Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten vorliegt. Demnach wird China auch in den iranischen Banken- und Telekommunikationssektor investieren. Im Gegenzug soll der Iran Erdöl nach China liefern, zu einem stark begünstigten Sonderpreis.

Das 18-seitige Handelsabkommen sieht der New York Times zufolge zudem eine engere militärische Zusammenarbeit vor. Geplant sind gemeinsame Ausbildungsgänge und Manöver sowie Forschung und Waffen-Entwicklung. Auch wollen beide Staaten die Erkenntnisse ihrer Geheimdienste teilen.

Neue Märkte für Öl und Gas 

Das Abkommen könnte für beide Staaten nützlich sein, sagt Stefan Lukas, Nahost-Analyst am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen der Universität Jena.

Karikatur der Woche Mana Neystani Kooperationsabkommen Iran China
Bild: Mana Neystani

"Der Iran versucht, nach dem Scheitern des Atomabkommens neue Märkte und Abnehmer für sein Öl, Gas und Stahl im Osten zu finden. Dazu bietet sich insbesondere China an, da das Land einen enormen Energiebedarf hat und derzeit ebenfalls eine konträre Position zur US-Politik einnimmt."

Das Ziel sei, sich besser auf mögliche militärische Angriffe durch die USA und Israel einstellen zu können. "In diesem Sinne hat der Iran bereits erste Schritte zur Mitgliedschaft in der von China und Russland dominierten Sicherheitsorganisation 'Shanghai Cooperation Organisation' (SCO) getan."

China hingegen sehe im Iran zum einen einen großen Absatzmarkt mit mehr als 80 Millionen Konsumenten, von denen die meisten unter 40 Jahre alt und zudem konsumfreudig seien, so Lukas im DW-Gespräch. "Außerdem ist der Iran für Peking aufgrund seiner geostrategischen Lage zwischen Zentral-, Süd- und Westasien interessant. Das wird besonders im Rahmen der neuen Seidenstraßeninitiative (BRI) deutlich, in dem der Iran als einer der wichtigsten Partner gilt." Derzeit seien insbesondere chinesische Bau- und Transportunternehmen im Iran tätig, die enge Kontakte zu den Revolutionsgarden und ihren Großunternehmen hätten.

"Wendepunkt" der iranisch-chinesischen Beziehungen

Zugleich zeigten sich in dem Abkommen auch die militärischen Absichten Chinas im Iran. Dabei gehe es insbesondere um die Nutzung von Häfen und Flughäfen für chinesische (und russische) Militärmaschinen. "Hierdurch kann man mit verhältnismäßig geringem Aufwand die USA auch weiterhin in der Region binden, welche unter Obama eigentlich den Pazifik als neues 'Kampfgebiet' mit China ausgemacht haben", so Lukas.

Iran Bildergalerie KW 39
Chinesische Marine im Persischen Golf für ein gemeinsames Manöver mit dem Iran 2014Bild: IRNA

Der Polit-Analyst Kaveh L. Afrasiab beschreibt das Abkommen im Interview mit der staatlichen iranischen Webseite "Iranian Diplomacy" als Wendepunkt in den iranisch-chinesischen Beziehungen. Er sieht die Gründe in dem gescheiterten Atomabkommen, den Sanktionen wie auch den misslungenen europäischen Versuchen, den Iran auf Handelswegen wirtschaftlich zu unterstützen.

Zwar sei die Übereinkunft noch nicht in allen Einzelheiten bekannt, so Afrasiab. Doch die bislang veröffentlichten Einzelheiten ließen darauf schließen, dass sie "amerikanische Sanktionen torpedieren" könne.

Das Abkommen ist im Iran umstritten 

Zu dieser Einschätzung ist ganz offenbar auch die iranische Staatsführung gekommen. Präsident Hassan Rouhani gab sich in seiner Rede am 15. Juli aus Anlass des fünften Jahrestags des gescheiterten Atomabkommens selbstbewusst: "Die Amerikaner sollten wissen, dass sie trotz der Beharrlichkeit, mit der sie gegen die Interessen des iranischen Volkes arbeiten, ihre Ziele niemals erreichen werden", ohne sich ausdrücklich auf das neue Abkommen mit China zu beziehen.

Allerdings ist das Abkommen im Iran durchaus umstritten. So kritisierte der ehemalige Präsident Mahmoud Ahmadinedschad die Regierung Rouhani für die "heimliche Unterzeichnung eines Abkommens" mit einem ausländischen Staat. "Ein solches Abkommen, das dem Willen und den nationalen Interessen des Volkes entgegenwirkt, ist nicht gültig und wird von der iranischen Nation nicht anerkannt", sagte Ahmadinedschad dem Internet-Magazin "Al-Monitor". Die Unterzeichnung des Abkommens verstoße gegen die Grundprinzipien der Islamischen Revolution. Besonderen Unmut erregt Al-Monitor zufolge die bislang unbestätigte Nachricht, das Abkommen ermächtige China, bis zu 5000 Soldaten in den Iran zu entsenden, um seine dortigen Interessen zu schützen.

Außenpolitische Folgen

Außenpolitisch dürfte Iran von dem Abkommen mit China enorm profitieren, erwartet Lukas. China werde dem Iran - außer im Fall eines offenen iranisch-amerikanischen Krieges - weiterhin politischen und wirtschaftlichen Rückhalt geben. "Die Unterstützung reicht dabei auch bis ins höchste UN-Gremium, wo Russland und China im UN-Sicherheitsrat dem Iran immer öfter unter die Arme greifen. Für die Region bedeutet dies zunächst einen stabileren Iran, der zugleich aber weiterhin selbstbewusst und mitunter provokant auftreten wird."

China Jiangsu | Coronavirus | Medikamente für den Iran
Von China für den Iran - Hilfsgüter zur Bekämpfung der Corona-Krise Bild: picture-alliance/Zuma Press/TPG

Zwar müsse der Iran aufgrund der angespannten ökonomischen Situation im eigenen Land die Finanzierung seiner Stellvertretertruppen wie etwa der Hisbollah im Libanon oder der Volksmobilisierungseinheiten im Irak derzeit zurückschrauben. "Doch wird man sich auf eine Festigung des iranischen Einflusses im Irak, Syrien, Libanon und teilweise auch Jemen und dem Gaza-Streifen einstellen müssen.

Außerdem wird es nach den Präsidentenwahlen im nächsten Jahr höchstwahrscheinlich einen Präsidenten geben, der aus dem Lager der Hardliner kommen wird. Die Töne aus Teheran werden dann wohl auch außenpolitisch deutlich lauter und radikaler sein als unter Hassan Rouhani, erwartet Lukas.

Zudem werde sich mit der verstärkten Präsenz russischer und langfristig wohl auch chinesischer Truppen in der Region das Kräfteverhältnis zu Gunsten der östlichen Kooperationspartner und ihrer Verbündeter verschieben, so Lukas weiter. "Vor allem Saudi-Arabien, die VAE und auch andere bisherige enge Partner 'des Westens' werden dies nicht unbeachtet lassen und ihre Aufmerksamkeit nicht mehr wie früher nur gen Westen ausrichten. Erste Waffendeals mit chinesischen Konsortien in den Golfstaaten sind ein Indiz hierfür."

Auswirkungen auf Chinas Beziehungen zwischen zu den USA

Zudem dürfte das Abkommen die Beziehungen zwischen Washington und Teheran massiv beeinflussen. "Würde die Partnerschaft so umgesetzt wie vorgesehen, würde sie neue und potenziell gefährliche Brennpunkte in der sich verschlechternden Beziehung zwischen China und den Vereinigten Staaten schaffen", heißt es in einer Analyse der New York Times.

Symbolbild USA China Beziehungen
New York Times: "China glaubt sich in der Lage, sich den USA zu widersetzen"Bild: imago images/Panthermedia/Kentoh

Der Zeitung zufolge spielt das nachlassende Engagement der USA China direkt in die Hände. "In einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten von der Rezession und dem Coronavirus betroffen sind und international zunehmend isoliert sind, spürt Peking die amerikanische Schwäche." Der Entwurf des Abkommens zeigte eines, so die New York Times: "Anders als die meisten anderen Länder glaubt sich China in der Lage, sich den Vereinigten Staaten zu widersetzen und stark genug, um amerikanischen Strafen wie im Handelskrieg standzuhalten."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika