Roma zieht es nach Deutschland
23. September 2012In ihren Heimatländern wollen sie nicht bleiben. Rund 930 Serben und mehr als 1000 Mazedonier haben im August einen Asylantrag in Deutschland gestellt. In Mazedonien hat sich die Zahl damit allein zum Vormonat verdreifacht, heißt es beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Fast alle sind Roma und Sinti. Die Minderheiten werden in ihren Herkunftsländern oft diskriminiert und ausgegrenzt, teilweise fühlen sie sich sogar verfolgt.
Wirtschaftliche Gründe
Sie locke ein besseres Gesundheitssystem und die Aussicht auf Sozialleistungen, erklärt BAMF-Präsident Manfred Schmidt der Deutschen Welle. "Da wird in den Anhörungen, die wir durchführen, auch gar kein Hehl draus gemacht", so Schmidt. Der Auslöser für den rasanten Anstieg der Asylanträge ist für ihn klar: Im Juli hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Regelsätze für Asylbewerber in Deutschland deutlich angehoben und an die Sozialhilfe angeglichen werden müssen. "Seit dieser Entscheidung sind die Zugangszahlen extrem angestiegen, extremer als in all den Jahren davor", erklärt der BAMF-Präsident.
Aussichtsreich sind die Anträge jedoch nicht. "Sie leben in prekären Verhältnissen, da dürfen wir uns nichts vormachen", räumt Schmidt ein. Sie würden aber nicht politisch verfolgt, so dass ihre Situation unter die Tatbestände der Genfer Flüchtlingskonvention oder des deutschen Aufenthaltsgesetzes falle. Die Anerkennungsquote solcher Asylanträge liegt daher bei nur 0,1 Prozent.
Auch EU-Bürger stehen vor Problemen
Ganz ohne Asylantrag können Roma aus Rumänien und Bulgarien in Deutschland leben. Seit die Länder 2007 der Europäischen Union beigetreten sind, darf sich ihre Bevölkerung frei in der EU bewegen. Mehr als 5000 Bulgaren und Rumänen sind so seit der letzten EU-Erweiterung allein nach Duisburg gekommen, angezogen von preiswerten Wohnräumen in den Stadtteilen Marxloh, Hochfeld und Laar. "Es kommen Menschen zu uns, die in ihren Herkunftsländern in Armut leben", erklärt die Integrationsbeauftragte der Stadt, Leyla Özmal. "Bei der Volksgruppe der Roma und Sinti wissen wir auch, dass sie vor starker Diskriminierung flüchten."
Doch vor beiden Problemen stehen sie auch hier. Wegen der Beschränkungen für osteuropäische EU-Bürger dürfen sie in Deutschland nicht arbeiten. Was ihnen bleibt, sind Jobs als billige Tagelöhner für drei Euro die Stunde oder der Weg in die Kriminalität. Viele Kinder gehen nicht zur Schule, eine Krankenversicherung haben nur die wenigsten, und weil sie kaum Geld haben, leben sie in heruntergekommenen Häusern.
Die Fremden stoßen auf Ablehnung
Die alteingesessene Bevölkerung fühlt sich oft von den Neuankömmlingen gestört. Immer wieder gibt es Beschwerden über Müll vor den Häusern und zu viel Lärm. Die in den Straßen auf Arbeit wartenden Männer sorgen für Unmut. Oft werden die Neuankömmlinge auch in Deutschland ausgegrenzt und diskriminiert.
Und die Kommunen sind überfordert. So auch Duisburg. Die Stadt leidet seit dem Niedergang der Bergbau- und Stahlindustrie unter hoher Arbeitslosigkeit - viele Bewohner leben hier von Sozialleistungen. Die öffentlichen Kassen sind seit Jahrzehnten leer. Nun kommt die Integration der EU-Neubürger hinzu.
Integration kostet Geld
Doch die Situation der Roma aus Rumänien und Bulgarien könnte sich bald verbessern: Am 1. Januar 2014 werden die Arbeitsbeschränkungen für die Osteuropäer aufgehoben. "Wir müssen die Zeit nutzen um, die Menschen auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten", fordert Integrationsbeauftragte Özmal. Deutschkurse und andere Qualifizierungen seien aber nur möglich, wenn es zusätzliche Gelder für Projekte gebe. Mit der von der EU ausgerufenen Roma-Integration und den eingerichteten Fördertöpfen ist sie nicht glücklich. Die Mittel sind speziell für die Volksgruppe der Roma vorgesehen, ihre Abstammung verleugnen aber viele Roma aufgrund ihrer Erfahrung mit Diskriminierung. Leyla Özmal fordert deshalb, Menschen weniger als Angehörige einer Volksgruppe zu betrachten, sondern als Europäer zu sehen: "Im Zuge der europäischen Integration tut es allen Ländern und auch Europa gut, zu sagen: Wir setzen Mindeststandards für Menschen fest, die in Europa leben."