Romandebüt: Ronja von Rönne "Wir kommen"
8. März 2016"Die letzten vier Monate waren die Hölle", sagt Ronja von Rönne, während sie mit den Fingern auf ihren druckfrischen Debütroman trommelt. Morgens gucke sie tendenziell lieber Serien auf Netflix, als zu schreiben. "Wir kommen" sei trotzdem ganz gut geworden, meint sie. Es ist ein Buch über die Ablehnung von Extremsituationen. Von Rönne sitzt mit einem Glas Wein im fast leeren Café Liebling in Berlin. Sie nennt das Buch eine "Nicht-Liebesgeschichte" und sagt: "Jetzt liegt es da und tut so, als sei es Literatur." Das wirkt eher bescheiden.
Die 24-Jährige hat vier abgebrochene Studiengänge, eine dunkle Zeit voller Panikattacken, zahlreiche Kolumnen für die Tageszeitung "Die Welt", einen Buchvertrag und zwei Shitstorms hinter sich. In einem Artikel mit dem provokanten Titel "Warum mich der Feminismus anekelt" zog sie letztes Jahr den Ärger von Netzfeministinnen auf sich, als sie schrieb: "Die Alternative zum senilen Birkenstock-Feminismus findet sich im Internet, der sogenannte Netzfeminismus, die etwas gestörte Tochter des traditionellen Feminismus". Ein Jahr später strahlt sie ein stilles Selbstbewusstsein aus, wirkt ziemlich geerdet und ist damit ihren eigenen Protagonisten um einiges voraus.
"Wir kommen" erzählt von einem unsympathischen Quartett
In "Wir kommen" hadert die Erzählerin Nora mit Panikattacken. Sie lebt mit Karl, Leonie und Jonas in einem Beziehungsgeflecht, das in der Theorie glücklicher macht als im Alltag. Alle vier fallen vor allem durch eine unsympathische Passivität auf. Weder ihr Lebenskonzept noch ihre belanglosen Berufe erfüllen sie. Als Noras Angstschübe die Oberhand nehmen und ihr Therapeut in den Urlaub fährt, reisen die vier zusammen mit Leonies schweigender Tochter und Noras Schildkröte ans Meer.
Zwischendurch wird Nora von ihrer Vergangenheit auf dem Dorf mit Maja eingeholt. Erst zaghaft, dann immer aggressiver. Maja soll angeblich tot sein und Nora weigert sich, das zu glauben. "Maja ist eigentlich die Einzige, die ich mag, weil sie etwas macht", sagt Ronja von Rönne. Auch wenn es nicht immer rational ist, wenn sie sich zum Beispiel auf dem Supermarktparkplatz auf Autodächer setzt. Nora blickt lethargisch auf die abenteuerreiche und unvernünftige Zeit mit Maja zurück. Wenn sie nicht gerade die TV-Sendung "Super-Shopper" moderiert, lässt sie sich von ihrer eigenen "verdutzten Entschlossenheit", wie sie sagt, schieben. Meistens bleibt sie aber einfach im Bett liegen.
Von der theoretischen Chance, alles richtig zu machen
Von Rönne selbst glaubt nicht, dass "dieses Viererding" funktionieren kann und überwindet am Anfang einer Beziehung am liebsten den Teil, der offen ist: "Ich finde das anstrengend." Gerade ist die Autorin ziemlich verliebt und zwar "erzkonservativ und monogam", wie sie es nennt. Die Liebe hat ihr über die Wucht zweier Shitstorms nach ihrem Artikel im letzten Jahr hinweg geholfen. Nächstes Mal will sie im Falle von akuter Wut lieber "in eine Birne beißen, als zu schreiben". Ihre steilen Thesen sind seltener geworden. Sie widmet sich als Kolumnistin nun lieber Möbelhäusern oder Jugendportalen. Ist das schon Selbstzensur? "Es geht einfach um mein Seelenheil, es war einfach wahnsinnig viel letztes Jahr. Jetzt nehme ich mir erst mal eine Auszeit und schreibe unterhaltsame Texte, quasi als Schreibübung."
Die Orientierungslosigkeit, die von Rönnes Protagonisten täglich das Leben schwer macht, beobachtet sie auch im realen Leben: "Es gibt eine gewisse Unübersichtlichkeit und die theoretische Chance, alles richtig zu machen. Und da sandet man irgendwie umher", sagt sie. Wer von Rönnes bissige Kolumnen und Blogs kennt, wundert sich zwischendurch, weshalb ein so kluger Mensch, der so viel zu sagen hat, einen Roman mit so wenig Handlung und Haltung schreibt. Auf den letzten fünf Seiten, und auf die ist von Rönne auch am meisten stolz, fällt dann endlich der Groschen - und der Groschen tut ziemlich weh. Und so nervt oder tröstet "Wir Kommen", weil es den Spiegel hochhält. Es nervt und tröstet zugleich, weil es den Zweifeln das Romantische, dem kaputten Beziehungskonstrukt die Coolness und der Traurigkeit das Intellektuelle nimmt.