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Von Frust- zu Freudentränen

Stefan Nestler11. Juli 2016

Es ist der Abend des Cristiano Ronaldo - und das, obwohl das EM-Finale für Portugals Superstar eigentlich schon nach acht Minuten beendet ist. Doch der 31-Jährige mischt auch hinterher noch kräftig mit.

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Ronaldo jubelt. Foto: Reuters
Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Und plötzlich wird der häufig als arrogant verschrieene Superstar wieder zum ganz normalen Kicker. In der Verlängerung des Endspiels der Europameisterschaft zwischen Portugal und Frankreich hält es Ronaldo nicht aus, einfach nur still auf der Ersatzbank auf die Entscheidung zu warten. Wie ein Derwisch tanzt er an der Linie herum, feuert seine Teamkollegen an, gestikuliert, als wäre er der Trainer und nicht Fernando Santos, der neben ihm steht und seinen Star gewähren lässt. "Er war sehr wichtig für uns, in der Kabine und auf dem Platz", sagt Santos nach dem Portugal ist Europameister:1:0 nach Verlängerung gegen Gastgeber Frankreich. Portugal ist Europameister.

Alles versucht

8. Minute: Ronaldo hat den Ball, als Dimitri Payet angerauscht kommt, um ihm dem das Leder abzujagen. Ein unnötig harter Einsatz des Franzosen. Knie prallt auf Knie, Ronaldo liegt am Boden und krümmt sich vor Schmerzen. In diesem Moment ist dem 31-Jährigen wahrscheinlich schon klar, dass die Partie für ihn beendet ist. Nach kurzer Behandlung humpelt Ronaldo nur noch über den Platz. Dann setzt er sich auf den Boden und weint hemmungslos. Noch einmal Eisbeutel aufs Knie. Ronaldo versucht es wieder. Vier Minuten später sitzt er erneut auf dem Rasen. Es geht nicht weiter. Wieder rollen ihm die Tränen über die Wangen. Ronaldo wird vom Platz getragen. Auch die französischen Fans, die ihn sogar noch ausgepfiffen haben, als jeder sehen konnte, dass er verletzt ist, verabschieden ihn nun mit Applaus. Die portugiesische Mannschaft wirkt bis zur Pause konsterniert. Der Dreh- und Angelpunkt ihres Spiels fehlt. Wie soll es weitergehen?

Ronaldo hält sich nach Payets Attacke das Knie. Foto: Reuters
Am Knie erwischtBild: Reuters/C. Platiau
Ronaldo beweint sein Aus beim EM-Finale. Foto: Reutes
Ronaldo beweint sein Aus beim EM-Finale, nach 25 Minuten muss er rausBild: Reuters/C. Recine

Schwan bestärkt hässliches Entlein

In der zweiten Hälfte fängt sich Portugal, in der Verlängerung ist das Team besser als die Équipe tricolore. Auch ohne Ronaldo, obwohl er in gewisser Hinsicht immer noch auf dem Platz steht. "Wir haben uns geschworen, für ihn zu gewinnen, und wir haben für ihn gewonnen", berichtet Abwehrchef Pepe hinterher. Das Siegtor, das Ronaldo so gerne erzielt hätte, macht in der 109. Minute der eingewechselte Eder. "Diesmal hat nicht der Schwan getroffen, sondern das hässliche Entlein", sagt Trainer Santos später mit einem Augenzwinkern. "Ich habe gezeigt, was ich kann, indem ich hier das entscheidende Tor geschossen habe", freut sich das "hässliche Entlein" Eder, vergisst aber nicht, sich bei "Schwan" Ronaldo zu bedanken, der in der Pause das Wort an seine Mannschaftskollegen gerichtet hat: "Cristiano hat gesagt, dass er uns allen vertraut. Mit dieser Energie hat er uns neuen Mut gemacht."

Ronaldo wild gestikulierend neben Trainer Santos. Foto: Reuters
Trainer Fernando Santos (l.) und sein neuer "Co-Trainer" RonaldoBild: Reuters/C. Recine

"Einer der glücklichsten Tage meines Lebens"

Um 23.48 Uhr erfüllt sich Ronaldos großer Traum. Endlich darf er bei einem großen Turnier für Portugal den Siegerpokal in den Himmel recken. Als einziger Spieler traf Ronaldo bei vier EM-Endrunden, mit insgesamt neun Treffern ist er gemeinsam mit Frankreichs Ex-Star Michel Platini Rekordtorjäger bei Europameisterschaften. Zwei Rekorde in der langen Liste der Bestmarken, die der portugiesische Ausnahmefußballer in seiner Karriere aufgestellt hat.

"Portugal hat das verdient, das waren so viele Jahre voller Opfer", freut sich Ronaldo, der weiß, wie es sich anfühlt, wenn man im Finale einer Heim-WM verliert: 2004 stand er als 19-Jähriger auf dem Platz, als Portugal sensationell 0:1 gegen Griechenland verlor. Diesmal im Stade de France ist es anders herum gelaufen. Und Ronaldo vergießt am Ende keine Frust-, sondern Freudentränen: "Es ist einer der glücklichsten Tage meines Lebens. Ich wollte unbedingt einen Titel mit Portugal gewinnen, und es hat endlich geklappt. Diesen Triumph werde ich nie vergessen."