Roper: "Über den Tellerrand hinausblicken"
4. August 2016DW: Über 450 deutschen Athleten reisen nach Rio de Janeiro. Sie sind eine davon - was bedeutet das für Sie?
Miryam Roper: Das ist Wahnsinn. Man muss sich das so vorstellen, dass man normalerweise alleine in seiner Sportart und in seinem kleinen Dunstkreis ist. Und dann ist man auf einmal mit dem ganzen Team da. Man lernt unglaublich nette Leute kennen, interessante Charaktere, man blickt einfach mal über den Tellerrand hinaus. Das ist genau das, was auch im olympischen Dorf so toll ist. Dass man nicht nur mit der einen Nation und den ganzen Sportarten zusammen ist, was schon an sich großartig ist, sondern mit der ganzen Welt. Man kann wirklich die unterschiedlichsten Personen kennenlernen.
Im olympischen Dorf wohnen tausende von Athleten. Kommt da so etwas wie ein olympischer Teamspirit auf oder ist jeder auf seinen eigenen Wettkampf fokussiert?
Diesen Olympia-Spirit gibt es auf jeden Fall. Natürlich ist man auf den Wettkampf fokussiert, da muss man sich nichts vormachen. Das ist der höchste Wettkampf, den es in der Sportwelt gibt. Das steht im Vordergrund. Aber dieses Zusammensein, das Miteinander, die Welt trifft sich an einem Ort - gerade im olympischen Dorf spielt das auch eine große Rolle. In den Wettkampfstätten ist das dann wiederum anders, aber man verbringt ja viel Zeit im Dorf. Man frühstückt, schläft dort, das ist schon etwas ganz Besonderes.
Mit welchem Ziel reisen Sie nach Rio?
Ich möchte meinen Wettkampf immer gewinnen. Dafür habe ich auch die Möglichkeiten. Über eine Medaille wäre ich überglücklich, egal mit welcher Farbe. Aber Ziel ist es natürlich, zu gewinnen.
Wer sind die Konkurrenten?
Die Konkurrenten sind sicherlich Karoi Mazimoto aus Japan und Rafaela Silva aus Brasilien - zuhause hat sie natürlich das ganze Land im Rücken. Dazu Automne Pavia aus Frankreich, und dann gibt es noch die Mongolin Yiodzuren. Wir haben ein recht breites Feld, gerade in meiner Gewichtsklasse von 57 Kilogramm. Das ist ein typisches Frauengewicht, deswegen haben wir eine ganz gute Dichte.
Sie sind bekannt für Ihren offensiven Kampfstil. Aber ist das auch medaillentauglich oder muss man bei so einem Turnier etwas taktischer agieren?
Man hat, glaube ich, in den letzten Jahren gesehen, dass ich die Kämpfe auch taktisch gestalten kann. Ich gehe nicht mehr direkt auf Sieg. Wenn der Moment sich ergibt, bin ich ganz da, aber ich kann den Kampf auch erst mal taktisch gestalten. Da habe ich in den letzten Jahren gut dazugelernt.
Es gibt die Geschichte, dass Sie vor einem Wettkampf mal 300 Gramm zu schwer waren und sich dann die Haare dafür abgeschnitten haben. Ist das richtig?
Die Geschichte stimmt so nicht ganz. Ich musste einfach ein bisschen mehr Gewicht abnehmen und das habe ich auch immer geschafft. Aber ich wechsele auch öfter mal meine Frisuren und dann sind auch mal Haare als Zusatzgewicht dabei. Aber vielleicht muss ich mal eher auf eine Mahlzeit verzichten.
Wie haben Sie bisher den Teamgeist in der deutschen olympischen Mannschaft erlebt? Unterstützt man sich gegenseitig, kommen auch andere Athleten zu Ihren Wettkämpfen und feuern Sie an?
Auf jeden Fall. Es kommt natürlich darauf an, wie viel Zeit man neben Training, Vorbereitung und Wettkampf hat, aber ich war selber auch nach meinem Wettkampf bei verschiedenen Veranstaltungen. Ich habe die Beach-Volleyballer im Finale angefeuert und mit den Hockeyspielern mitgefiebert. Bei Olympia in London hatten wir alle in einem Häuserblock gewohnt. Man hat dann z. B. gemeinsame Aufenthaltsräume, was sehr schön ist. Man lernt sich kennen und feuert sich gegenseitig an - das ist schon toll.
In Brasilien diskutieren viele Menschen die Gefahren einer Ansteckung mit dem Zika-Virus. Beschäftigt Sie das?
Angst habe ich davor nicht. Ich weiß, dass der DOSB mit den Ärzten zusammenarbeitet und die Gefahren für gering hält. Es ist außerdem Winter, wenn wir da sind und nicht die aktuelle Mückenzeit. Mücken gibt es ja in jedem tropischen Land. Natürlich ist es etwas, mit dem man bewusst umgehen muss. Es ist aber nichts, was mich großartig besorgt. Wir sind natürlich über die Lage informiert und wissen ganz gut, womit wir es zu tun haben.
Die Judoka Miryam Roper, geboren 1982, tritt bei den Olympischen Spielen in Rio in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm an. Bei der EM 2014 erreichte sie den 2. Platz, die WM 2013 beendete sie als Dritte. Im selben Jahr rückte Roper als erste Deutsche überhaupt an die Spitze einer Judo-Weltrangliste.
Das Interview führte Joscha Weber.