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Politik

"Die Tür der EU ist für Albanien offen"

23. Dezember 2016

Bei seinem Besuch in Tirana betonte der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt Michael Roth, dass EU-Integration nicht nur technische Fragen umfasst, sondern auch einen gesamtgesellschaftlichen Wandel.

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Albanien Michael Roth in Tirana
Albanien Michael Roth in TiranaBild: Außenministeirum Tirana

Wo steht Albanien im Prozess der EU-Annäherung? Wo hakt es aus Sicht der Gesprächspartner und was haben Sie den albanischen Politikern diesbezüglich gesagt?

Albanien ist auf gutem Weg. 2016 hat das Land große Fortschritte gemacht, das verdient zunächst einmal Anerkennung. Das habe ich vor Ort deutlich gemacht. Vor allem die Justizreform ist ein Meilenstein auf dem Weg der EU-Annäherung. An den fünf Schlüsselprioritäten hat sich nichts geändert. Ich wünschte wir könnten alsbald Verhandlungen mit Albanien beginnen. Dass die Regierung engagiert die notwendigen Reformen vorantreibt, stimmt mich zuversichtlich. Die Tür ist jedenfalls offen: an der EU-Beitrittsperspektive der Westbalkan Staaten hat sich nichts geändert.

Politischer Wettbewerb ist zweifelsohne nötig in einer Demokratie. Es gibt jedoch auch besonders weitreichende Reformen, die einen breiten politischen Konsens erfordern, damit sie allen Bürgerinnen und Bürgern Albaniens zugute kommen. Da kommt es auf die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition an. Die Venedig Kommission des Europarats hat nunmehr bestätigt, dass das so genannte Vetting Gesetz verfassungsgemäß ist. Die Opposition sollte jetzt den Weg für die Implementierung frei machen.

Albanische Jugend ist proeuropäisch

Sie haben in Tirana auch mit jungen Albanerinnen und Albanern zum Thema Europa diskutiert. Wie ist Ihr Eindruck, wo steht die albanische Jugend in Europa heute?

Es geht ja nicht nur um technische Fragen, sondern immer auch um einen gesamtgesellschaftlichen Wandel, wenn wir von EU-Integration sprechen. Wir sind mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft: vor allem sind wir eine Wertegemeinschaft. Hier spielt die Zivilgesellschaft, und besonders die junge Generation eine herausragende Rolle. Sie sind Träger des Wandels, weshalb sie auf dem Weg in die EU unerlässlich sind. Nicht nur in Albanien, auch in den anderen Ländern des Westlichen Balkan treffe ich immer wieder auf eine Jugend, die nach wie vor große Hoffnungen in die EU setzt. Die meisten jungen Menschen sind sehr proeuropäisch, die Zivilgesellschaft sehr bunt und aktiv. Da es die Jungen sind, die nicht nur die Zukunft Albaniens, sondern auch die Zukunft Europas gestalten werden, müssen sie immer auch eingebunden werden in den EU-Integrationsprozess. Das ist doch nicht alleinige Sache der Politiker und Beamten. 

Berlin Michael Roth
Michael Roth (SPD), Staatsminister für Europa im Auswärtigen AmtBild: picture-alliance/dpa/B. v. Jutrczenka

Bei der Einweihung des Regionalen Jugendkooperationszentrums (RYCO) vor einigen Tagen in Tirana war Deutschland wenig sichtbar, obwohl es ein wichtiger Motor des Projekts ist. Worin besteht (auch finanziell) der Beitrag der Deutschlands jetzt in der Implementierungsphase? Was erwarten Sie von dem Jugendwerk?

Wir haben das Vorhaben im deutsch-französischen Schulterschluss von Beginn an eng begleitet. Ich bedauere sehr, dass es mir nicht möglich war, gemeinsam mit meinem Freund Harlem Désir zur Eröffnung zu kommen. Während meines Besuchs diese Woche habe ich mir sowohl die Räumlichkeiten angesehen als auch mit einigen Akteuren gesprochen. Entscheidend scheint mir, was wir im Politikjargon ownership nennen. Die Jugendlichen der Westbalkan Länder müssen ihren eigenen Weg der Aussöhnung und Freundschaft gehen. Das deutsch-französische Beispiel ist sicher Vorbild, eins zu eins übertragbar ist es aber nicht. Der Westbalkan ist eine Region in Europa, die viel Potential hat. Die Bevölkerung ist jung und größtenteils gut ausgebildet. Deshalb dürfte neben der Aussöhnung auch die Mobilität der Menschen innerhalb der Region gesteigert werden. Das verbessert Berufsperspektiven und ist auch wirtschaftlich ein Gewinn. Wir haben mittlerweile in Grenzregionen beispielsweise deutsch-französische Arbeitsvermittlungen. Ich freue mich, wenn nun Projekte schnell starten können. Dann werden wir auch über konkrete Unterstützung sprechen können.

Vorbil Albanien

Wie sehen Sie Rolle Albaniens bei der Zusammenleben der Religionen im Land? Können die Nachbarländer, kann Europa vom albanischen Modell lernen?

Nicht nur die Nachbarländer, die gesamte EU und ihre Mitgliedstaaten können in dieser Hinsicht von Albanien lernen. Die religiösen Gemeinschaften kapseln sich nicht voneinander ab, sondern leben vielmehr Zusammenhalt und Solidarität vor. Das ist sehr wohltuend zu beobachten in Zeiten, in denen Religion immer wieder missbraucht wird. Dieses albanische Modell kann zum Zusammenwachsen der Region beitragen. Die religiösen Gemeinschaften hier sind auch vorbildhaft, was Toleranz und den Kampf gegen soziale Ausgrenzung betrifft. Damit können sie zweifelsohne zur inneren Aussöhnung als auch zur Aussöhnung zwischen den Ländern einen wesentlichen Beitrag leisten.

Albanien erfährt viel Anerkennung für seine konstruktive Rolle in der Region und bei der regionalen Zusammenarbeit. Worin äußert sich dies konkret und wie kann dies noch stärker genutzt werden?

Die regionale Zusammenarbeit ist ganz entscheidend. Deshalb haben wir im Sommer 2014 den so genannten Berlin-Prozess initiiert. Er soll in Kernbereichen die Zusammenarbeit der Region fördern. Hierzu gehören vor allem Infrastruktur, Energie, Wirtschaft, aber auch der Jugendaustausch. Das albanische Engagement hierbei nehmen wir sehr wohlwollend wahr.

Das Gespräch führte Adelheid Feilcke

Michael Roth ist langjähriger Parlamentarier der SPD und seit 2013 Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt. Seit Januar 2014 ist er auch Beauftragter der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Mitte Dezember reiste er nach Albanien, um sich dort mit Regierungsvertretern, Abgeordneten, Studierenden und Zivilgesellschaft auszutauschen.