Wird nun zurück spioniert?
8. Juli 2014Die Enttarnung eines mutmaßlichen amerikanischen Spions beim Bundesnachrichtendienst (BND) hat die Berliner Politik nach anfänglichen Empörungsgesten ins Nachdenken gebracht. Die Debatte kreist nun zunehmend um konkrete Konsequenzen. Der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andreas Schockenhoff macht sich dafür stark, den Erkundungsauftrag des BND auf die USA zu erweitern. Man müsse zur Kenntnis nehmen, "dass es auch zwischen Freunden zu massiven geheimdienstlichen Übergriffen kommen kann". Dagegen müsse sich Deutschland "mit der gesamten Bandbreite geheimdienstlicher Möglichkeiten wehren". Schockenhof: "Wir dürfen nicht in einer Richtung blind sein." Der BND brauche einen "360-Grad-Blick".
Der CDU-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter, forderte mehr Geld für die deutsche Spionageabwehr. Deutschland habe "an der falschen Stelle gespart", sagte er. "Unser Dienst verfügt über ein 120stel der Mittel der NSA." Kiesewetter verlangte eine "erhebliche Aufstockung" des Budgets für den BND.
In alle Richtungen arbeiten
Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl forderte eine aktive Reaktion auf die jüngsten Enthüllungen. Es sei "vollkommen richtig", dass deutsche Dienste künftig in alle Richtungen nachrichtendienstlich arbeiteten. Auch der frühere Regierungskoordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt, plädierte für ein solches Vorgehen.
Sein Parteikollege Rolf Mützenich sieht das anders. Der Vize-Fraktionschef erklärte: "Eine Ausweitung des BND-Aufklärungsauftrags auf das befreundete Ausland ist nicht hilfreich. Man kann doch nicht kritisieren, dass die US-Dienste maßlos Daten sammeln, und dann dasselbe tun." In diesem Punkt ist er sich mit der Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt einig: Sie betonte: "Die Antwort auf Spionage ist nicht Gegenspionage." Stattdessen müsse die Regierung ein entschiedeneres Auftreten gegenüber der US-Administration an den Tag legen.
Demgegenüber sieht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor allem die USA in der Bringschuld. "Wir erwarten, dass die Vereinigten Staaten nicht nur einräumen, was geschehen ist, sondern konstruktiv mit uns zusammenarbeiten, dass so etwas nicht wieder geschieht", sagte die CDU-Politikerin bei einem Besuch der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf im Münsterland.
Ruf nach Spitzentreffen
Angesichts der deutsch-amerikanischen Vertrauenskrise forderten Politiker aus Koalition und Opposition ein Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit US-Präsident Barack Obama. Der CSU-Innenexperte Michael Frieser mahnte ein "Spitzentreffen der Verantwortlichen" an. Und die Linken-Parteichefin Katja Kipping sagte: "Entschuldigungen am Telefon gab es genug. Obama sollte schleunigst in den Flieger steigen."
Der Generalbundesanwalt hatte in der Vorwoche einen 31-jährigen BND-Mitarbeiter festnehmen lassen, der über einen Zeitraum von zwei Jahren 218 Geheimdokumente für 25.000 Euro an US-Geheimdienste verkauft haben soll. Der Mann steht auch im Verdacht, den Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Affäre um die Abhörpraktiken des amerikanischen Geheimdienstes NSA ausspioniert zu haben. Der US-Fernsehsender CBS berichtet unter Berufung auf Regierungsvertreter, dass der Auslandsgeheimdienst CIA in den Fall involviert sei. Dort sei nicht ein einzelner Mitarbeiter dafür verantwortlich gewesen, sondern es habe sich um eine von oben autorisierte Aktion gehandelt.
Die Spähaffäre belastet die Beziehungen zwischen Berlin und Washington bereits seit mehr als einem Jahr. Im März hatte der NSA-Ausschuss des Bundestages seine Arbeit aufgenommen. Er soll nicht nur die Rolle der NSA, sondern auch die des BND klären.
Botschaft angeblich kooperationsbereit
Nachdem die US-Regierung zu der Spionageaffäre tagelang geschwiegen hat, gab nun immerhin die US-Botschaft in Berlin ein Signal der Kooperationsbereitschaft. "Wir arbeiten mit der deutschen Regierung zusammen, um sicherzustellen, dass die Frage angemessen gelöst wird", erklärte die Botschaft. Zur Sache selbst wollte sie sich nicht äußern. Es sei Politik der USA, zu laufenden Ermittlungsverfahren oder Vorwürfen hinsichtlich der Geheimdienste keine Stellung zu nehmen.
Ähnlich hatte sich zuvor US-Regierungssprecher Josh Earnest in Washington geäußert. Auch er betonte aber die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Das Verhältnis zu Deutschland sei "unglaublich wichtig" - auch die Kooperation in Geheimdienstfragen.
kle/rb (afp, dpa, rtr)