Runder Tisch zu Missbrauchsfällen
24. März 2010Um den Ansatz zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in Deutschland hat es innerhalb der Bundesregierung lange Debatten gegeben. Zuletzt setzte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein einheitliches Vorgehen ein.
Zwei-Säulen-Konzept der Bundesregierung
Zum einen bestimmte die Bundesregierung am Mittwoch (24.3.2010) die ehemalige SPD-Bundesfamilienministerin Christine Bergmann zur unabhängigen Missbrauchs-Beauftragten. Opfer sollen sich direkt an die 70-Jährige wenden können. Zudem soll Bergmann Vorschläge für Hilfen für Opfer erarbeiten.
Zum anderen wird sich ein ressortübergreifender so genannter Runder Tisch um Prävention von Missbrauch und mögliche juristische Konsequenzen kümmern. Das Gremium soll seine Arbeit am 23. April aufnehmen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Bildungsministerin Annette Schavan und Familienministerin Kristina Schröder (beide CDU) übernehmen den Vorsitz.
Mitwirken werden Vertreter von Opfer- und Familienverbänden, Schulträgern sowie der katholischen- und evangelischen Kirche.
Im Kern geht es darum: Welche Hilfe und Unterstützung benötigen die Opfer. Was ist nach Übergriffen zu tun und wie lassen sich diese vermeiden.
Es geht auch um mögliche Entschädigungszahlungen
Kanzlerin Merkel betonte, das Forum müsse sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft blicken. Aufgegriffen werden müssten auch Fragen der Verjährungsfristen und möglicher Entschädigungszahlungen.
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hatte Ende Februar für einen eigenen Runden Tisch zur strafrechtlichen Aufarbeitung der Missbrauchsfälle an Einrichtungen der katholischen Kirche plädiert. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hatte jedoch eine Debatte allein für die katholische Kirche abgelehnt. Leutheusser-Schnarrenberger wollte erreichen, dass die katholische Kirche bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch künftig eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeitet.
Scharfe Kritik von den Grünen
Als äußerst unzureichend kritisierte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast die Pläne der Regierung zur Aufklärung von Kindesmissbrauch. "Bei den Missbrauchsfällen handelt es sich um schwere Straftaten, die rein gar nicht zu einem Runden Tisch passen", sagte Künast. Der Kanzlerin warf die Grünen-Politikerin vor, sie habe sich "nicht getraut, wirklich scharfe Worte und klare Worte zu sprechen".
FDP für weitere Schritte
Die FDP-Fraktion will über die beschlossenen Maßnahmen hinaus zur Vorbeugung gegen Missbrauch bundesweit staatlich geförderte Beratungsstellen für pädophile Männer einrichten lassen. Die Liberalen drängen auch auf eine Therapiepflicht für Straftäter, die ein Sexualdelikt begangen haben. Zudem fordert die FDP, anonyme Anlaufstellen für Opfer und Zeugen sexueller Übergriffe einzurichten. "So ein Angebot könnte von Jugendämtern oder dem Weißen Ring getragen werden", erläuterte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Christian Ahrendt. Ein entsprechendes Eckpunktepapier der FDP soll in Kürze mit dem Koalitionspartner CDU/CSU erörtert werden.
Zu den Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen gibt es am Donnerstag im Bundestag auch eine Aktuelle Stunde.
Autorin: Susanne Eickenfonder (dpa, apn, afp)
Redaktion: Annamaria Sigrist