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Russisch-Amerikanischer Deal: Öl gegen Know-How

31. August 2011

Rosneft und ExxonMobil machen sich gemeinsam an die Erschließung riesiger Ölvorkommen in der russischen Arktis. Den Russen geht es dabei auch um Zugang zu US-Technik.

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Die Nähe ist symbolisch: Im Firmenschild von Rosneft spiegelt sich der Kreml (Foto: AP Photo)
Die Nähe ist symbolisch: Im Firmenschild von Rosneft spiegelt sich der KremlBild: AP

Welche Bedeutung Russen und US-Amerikaner dem Abkommen beimessen, zeigt die Tatsache, dass die Unterzeichnung im pompösesten Hotel der Schwarzmeerstadt Sotschi und in Anwesenheit von Russlands Premier Putin stattfand. Letzterer nutzte die Gelegenheit, die Tragweite des geplanten Projekts mit eindrucksvollen Zahlen zu verdeutlichen. "Die direkten Investitionen in das Projekt können sich auf 200 bis 300 Milliarden Dollar belaufen. Wenn man die Infrastruktur ebenfalls berücksichtigt, dann kann der Betrag bis zu 500 Milliarden Dollar betragen."

Ölförderung in Sibirien (Foto: ap)
Ölförderung in SibirienBild: AP

Im Kern geht es um die Erschließung dreier Ölfelder im Nordosten Russlands. Die drei Prinovosemelskij-Felder haben eine Ausdehnung von 126.000 Quadratkilometern und sind damit viermal so groß wie Belgien. Um an die Ölvorkommen in bis zu 350 Metern Tiefe zu kommen, fehlt den Russen jedoch das Know-How. Die US-Amerikaner haben es und erhalten im Gegenzug Zugang zu einer der letzten unerschlossenen Regionen mit Öl- und Gasvorkommen der Welt.

Auf den ersten Blick nur Gewinner

Dementsprechend strahlten Russen und US-Amerikaner beim Vertragsabschluss um die Wette. Premier Putin sprach von neuen Horizonten. Auch ExxonMobil-Chef Rex Tillerson schwärmte: "Mit diesem Abkommen erreicht unsere Partnerschaft eine neue Ebene. Sie wird substantielle Werte für unsere beiden Unternehmen schaffen."

Die Russen behalten bei dem Gemeinschaftsunternehmen das Sagen: Der staatlich kontrollierten Rosneft werden zwei Drittel, ExxonMobil ein Drittel gehören. Zusammen wollen die Unternehmen zunächst 3,2 Milliarden Dollar investieren, um das gigantische Ölfeld in der arktischen Karasee und ein weiteres im Schwarzen Meer zu erschließen.

BP und Shell düpiert

Das Logo einer Exxon-Tankstelle (Foto: dpa)
ExxonMobil, größter Ölkonzern der WeltBild: picture-alliance/ dpa

Mit dem jetzt geschlossenen Abkommen hat ExxonMobil seine europäischen Konkurrenten düpiert. Denn eigentlich hatte der von dem Debakel im Golf von Mexiko um die Deepwater Horizon arg gebeutelte BP-Konzern das Geschäft mit den Russen machen wollen. Doch wegen einer internen Auseinandersetzung der eigenen Großaktionäre platzte das Geschäft. Auch der niederländisch-britische Konzern Royal Dutch Shell verhandelte mit Rosneft.

Dass jetzt ExxonMobil die Nase vorn hat, ist sicher auch dem Umstand zu verdanken, dass Vorstandschef Tillerson ein ausgezeichneter Russlandkenner ist. 1996 handelte er die Verträge zu Sakhalin 1, das zu einem der bedeutendsten Ölfelder der Welt zählt, zwischen Russen, US-Amerikanern und weiteren Partnern aus.

Was Exxon noch bietet

Eine Ölrafffinerie von Rosneft am Schwarzen Meer (Foto: ITAR-TASS)
Eine Ölraffinerie von Rosneft am Schwarzen MeerBild: picture-alliance/ dpa

Die US-Amerikaner stellen den Russen nicht nur die Technologie zur Verfügung, sondern helfen ihnen sogar dabei, eigene Expertise aufzubauen, um an die schwer zugänglichen Reserven zu kommen. Die Partner gründen ein Zentrum für die Erforschung und Entwicklung von Offshore-Projekten in der Arktis in St. Petersburg. In diesem Technologietransfer sieht der Analyst Timur Chajrullin von der Investmentgesellschaft Grandis Capital den eigentlichen Zweck des Gemeinschaftsunternehmens. "Das US-amerikanische Unternehmen stellt Rosneft die Technologie und die finanziellen Mittel zur Verfügung, die man braucht, um in großer Tiefe zu arbeiten."

Auch Rosneft-Chef Eduard Chudajnatow freut sich. Eine erstklassige Basis für Offshore-Projekte in der Tiefsee zu schaffen, habe für sein Unternehmen große Priorität. Durch die Partnerschaft mit ExxonMobil wolle man die eigene Kapitalisierung verbessern, indem man führende Technologien anwende, den Weg innovativer Geschäftsmodelle beschreite und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter stärke.

Ticket nach Nordamerika

Doch damit erschöpfen sich die Vorteile des Deals aus russischer Sicht noch lange nicht, denn Rosneft bekommt laut Abkommen den Zugang zum US-amerikanischen Markt. Es erhält die Möglichkeit, Anteile an Projekten von ExxonMobil in Nordamerika, unter anderem im Golf von Mexiko, in Texas und in Kanada, zu erwerben.

Artjom Kontschin, Analyst von UniCredit Securities, sieht im Gespräch mit DW-WORLD.DE die Möglichkeit für Rosneft, in den USA aktiv zu werden, als den entscheidenden Pluspunkt. Dieser Meinung ist auch Denis Borissow, Analyst der Bank Moskwy: "Die Eintrittskarte in die USA kann für Rosneft zum ersten großen Projekt des Unternehmens auf dem Gebiet der Ölförderung werden. Bislang hat Rosneft im Westen nur das Projekt der deutschen Ruhr Öl auf dem Gebiet der Ölverarbeitung." 2010 war Rosneft zu 50 Prozent bei der Ruhr Öl eingestiegen, die ein Viertel der deutschen Raffineriekapazitäten hält.

Risiken und Nebenwirkungen

Der Firmensitz von Rosneft in Moskau (Foto: ap)
Der Firmensitz von Rosneft in MoskauBild: AP

Allerdings, so mahnt Borisow, sei es nicht einfach, in den USA zu arbeiten – allein schon wegen der hohen Umweltschutzauflagen. Und das nun geschlossene Abkommen birgt aus Expertensicht weitere Risiken: Derzeit sei es unmöglich zu sagen, wie viel Geld genau in die Tiefsee-Projekte investiert werden muss und wann sich die Investitionen auszahlen. "Um die Perspektiven der Ölfelder in der Arktis überblicken zu können, werden sicher fünf bis sieben Jahre vergehen. Dann erst werden die Erschließungsarbeiten abgeschlossen sein", gibt Analyst Borisow zu bedenken. Bei ExxonMobil sei man sich dieses Risikos aber durchaus bewusst: "Nicht umsonst liegt das Unternehmen auf Platz Eins der kapitalstärksten Firmen der Welt. Das Unternehmen ist sehr gut darin, den Gewinn aus seinen Investitionen einzuschätzen", sagt Branchenkenner Kontschin.

Auch die Tatsache, dass in Russland alles im Kreml entschieden wird, sei den US-Amerikanern sicherlich bewusst, fügt Kontschin hinzu. Vom Wohlwollen des Kreml hängen weitere Vergünstigungen ab. "Möglicherweise wurden dem US-Unternehmen steuerliche Vorteile in Aussicht gestellt", mutmaßt Timur Chajrullin von Grandis Capital. In Expertenkreisen wird darüber jedenfalls spekuliert.

Autorin: Birgit Görtz/ Evlalia Samedowa

Redaktion: Bernd Johann