Russische Soldaten üben in Weißrussland
16. August 2017Seit dem 14. August treffen in Weißrussland (Belarus) russische Truppen ein. Im September sollen sie dort an den gemeinsamen Manövern "Sapad-2017" ("Westen 2017") teilnehmen. Nach russischen Angaben werden es insgesamt 12.700 Soldaten sein. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bedankte sich höflich bei Moskau für diese Informationen, betonte aber, dass man sie überprüfen werde.
Das Wiener Dokument aus dem Jahr 2011 über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen (WD 11) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schreibt eine Obergrenze von 13.000 teilnehmenden Militärs bei Manövern vor. Westliche Politiker und Experten befürchten, dass Russland diese Obergrenze bei den bevorstehenden Manövern nicht einhalten wird. Und weißrussische Oppositionelle befürchten, dass die russischen Truppen nach den Übungen einfach bleiben und faktisch das Land besetzen werden.
Unruhe bei den Nachbarn
Die Truppenkonzentration an den westlichen Grenzen Russlands und in Weißrussland sorgt auch in der Ukraine, Polen und in den baltischen Staaten für Unruhe. Der litauische Verteidigungsminister Raimundas Karoblis spricht von 100.000 russischen Soldaten, mit denen der russische Präsident Wladimir Putin die "NATO auf die Probe stellen" wolle.
Margarete Klein von der Berliner Stiftung "Wissenschaft und Politik" vermutet, dass sich diese Zahlen auf den gesamten Umfang der Übungen beziehen. "Die Übungen finden zum Teil in Belarus, zum Großteil aber auch in Russland statt”, sagte sie im Gespräch mit der DW. Klein betonte, zurzeit werde viel spekuliert. "Da müssen wir eigentlich abwarten, was passiert. Es ist schwierig, im Vorfeld etwas über die Zahlen zu sagen", so die Russland-Expertin.
Zweifel an Zahlenangaben
Auch der russische Militärexperte Alexander Golz weist darauf hin, dass das Kommando der weißrussischen Streitkräfte mitgeteilt habe, die bevorstehenden Übungen würden sich über ein Gebiet von der Kola-Halbinsel im Norden Russlands bis nach Kaliningrad erstrecken. Daher würden nicht nur in Weißrussland Truppen zusammengezogen, sondern auch in Russland selbst, so Golz.
Was Angaben zu den Zahlen der Soldaten angehe, habe der Kreml einen schlechten Ruf, sagte der Experte der DW. "Schon während des Konflikts im Donbass hat Russland das Wiener Dokument eigenartig interpretiert", sagte Golz. So habe der Kreml die Truppenverlegung an die Grenze zur Ukraine als Teil eines Manövers bezeichnet. Moskau habe dabei betont, die Anzahl der Soldaten würde die vom Wiener Dokument festgelegte Obergrenze nicht erreichen.
Alles im Rahmen des Zulässigen?
Medienberichten zufolge hat das russische Verteidigungsministerium etwa 4000 Eisenbahn-Waggons für den Transport der Truppen nach Weißrussland bestellt. Das ist mehr als bei früheren Manövern. Der weißrussische Militärexperte Alexander Alessin sagte der DW, für die Manöver im Jahr 2013 seien rund 3000 Waggons geordert worden.
Alessin zeigt sich zuversichtlich, dass sich auch bei den Manövern in diesem Jahr alles innerhalb der zulässigen Obergrenzen bewegen wird. Er fügte hinzu, dass nach seinen eigenen Berechnungen in einer modernen Armee bis zu 30 Tonnen Fracht auf jeden Soldaten entfallen würden. "Dieser Mittelwert ergibt sich aus dem Gewicht des militärischen Geräts, der Munition, der Ausrüstung, der Lebensmittel usw.", so der Experte.
Garant der Unabhängigkeit?
Das Szenario einer "Okkupation von Belarus" hält Alessin für unwahrscheinlich. "Die Besetzung des einzigen verbündeten Staates würde das Vertrauen in den Kreml endgültig untergraben, auch bei seinen potenziellen Partnern", sagte der Experte. In einem solchen Fall würde auch der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko seine Glaubwürdigkeit im In- und Ausland verlieren. An einer solchen Entwicklung sei keine der Seiten interessiert. Alessin erinnerte daran, dass der Kreml schon im Jahr 2013 in Weißrussland Luftstützpunkte einrichten wollte. Minsk habe das abgelehnt.
Auch Alexander Golz ist überzeugt, dass Lukaschenko nicht zulassen wird, dass nach den Manövern im September russische Truppen in Weißrussland bleiben. Zwar habe Lukaschenko 20 Jahre lang geschickt aus Russland Geld bezogen und dabei immer unterstrichen, dass sein Land ein strategischer Vorposten Russlands sei. "Aber als es um russische Militärstützpunkte in Belarus ging, drehte sich Lukaschenko um 180 Grad. Interessanterweise musste Putin das schlucken", sagt der russische Militärexperte.