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Russland Ukraine Handelskrieg

Roman Goncharenko22. August 2013

Hat Russland einen geheimen Plan ausgeheckt, um die Annäherung der Ukraine an die EU zu verhindern? Ganz von der Hand zu weisen ist der Verdacht nicht. Moskau und Kiew aber spielen den sogenannten Handelskrieg runter.

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Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin (Foto: Sergey Guneev/RIA Novosti)
Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch und sein russischer Amtskollege Wladimir PutinBild: picture-alliance/dpa

Der siebentägige "Handelskrieg", wie der jüngste Streit zwischen Russland und der Ukraine in den Medien beider Länder genannt wird, ist zu Ende. Der russische Zolldienst informierte am Dienstag (20.08.2013) die ukrainische Seite, es werde keine zusätzlichen Kontrollen mehr geben. Es geht um Maßnahmen, die zu einem fast kompletten Einfuhrstopp ukrainischer Waren geführt hatten.

Am 14. August schlug der Bund ukrainischer Arbeitgeber Alarm. Russland habe alle Importe aus der Ukraine als "risikohaft" eingestuft. Das führte dazu, dass Zollbeamte Waren aus der Ukraine besonders streng kontrollierten. Ob Lebensmittel oder Stahlrohre - alles musste entladen und überprüft werden. An der Grenze bildeten sich kilometerlange Schlangen aus LKWs und Eisenbahnwaggons. Die russische Aktion könnte der Ukraine einen Schaden von bis zu 2,5 Milliarden US-Dollar zugefügt haben, schätzt der Arbeitgeberbund in Kiew.

Größter Handelsstreit seit den "Gaskriegen"

Portrait von Mykola Asarow (Foto: EPA/SERGEY DOLZHENKO)
Mykola Asarow: Es wird keine Handelskriege gebenBild: picture-alliance/dpa

Es war der größte Handelsstreit zwischen den früheren sowjetischen Schwesterrepubliken seit den "Gaskriegen" 2006 und 2009, als Russland der Ukraine den Gashahn zugedreht hatte. Die Regierung in Kiew versuchte den aktuellen Vorfall herunterzuspielen. "Es wird keine Handelskriege geben", schrieb Ministerpräsident Mykola Asarow in seinem Facebook-Profil. Präsident Viktor Janukowitsch telefonierte zwar mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin, wollte sich zu Moskaus Vorgehen aber zunächst nicht äußern. Auch Putin selbst schwieg.

Was genau dahinter steckt ist bis heute Gegenstand von Spekulationen. Die Kiewer Wochenzeitung "Dserkalo Tyschnja" will herausgefunden haben, der "Handelskrieg" sei Teil eines russischen Plans. Die Annäherung der Ukraine an die Europäischen Union solle damit verhindert werden. Der Plan sieht angeblich unter anderem vor, dass ukrainische Oligarchen unter Druck gesetzt werden sollen. Moskau hat diesen Bericht weder bestätigt, noch dementiert.

Ukraine und EU kommen sich näher

Der Berater des russischen Präsidenten Sergej Glasjew bestätigte indirekt, das das Ganze mit der Europäischen Union zu tun habe. Der russische Zoll habe sich für den Fall vorbereitet, dass die Ukraine ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichne, sagte Glasjew der Nachrichten-Agentur "Interfax" am 18. August. Moskau wolle mit Schutzmaßnahmen verhindern, dass in Zukunft europäische Waren über die Ukraine zu günstigen Preisen nach Russland importiert würden, so Glasjew.

Ende November wollen die Ukraine und die EU im litauischen Vilnius ein Assoziierungsabkommen unterzeichnen, das auch die Schaffung einer Freihandelszone vorsieht. Es gilt als ein Meilenstein auf dem Weg der Ukraine in Richtung EU, auch wenn es keine Mitgliedschaft vorsieht.

Russland lockt in die Zollunion …

Der Kreml-Berater Glasjew warnte die Ukraine davor, das Abkommen mit der EU zu unterzeichnen. Er sprach von einem "selbstmörderischen Schritt". Stattdessen solle die Ukraine der Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan beitreten, sagte Glasjew. Dann könne das Land auch billigeres Gas aus Russland beziehen, lockte der Putin-Berater in einem Zeitungsinterview.

Neu sind solche Äußerungen nicht. Auch Präsident Putin versucht seit Jahren, der Ukraine die von Moskau vorangetriebene Zollunion schmackhaft zu machen. Die Botschaft: Der russische Markt sei wegen ähnlicher Standards und alter Beziehungen besser für die Ukraine als der europäische. Doch Kiew weigert sich mit dem Argument, man strebe die EU-Mitgliedschaft an. Eine Linie, die auch von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird: 55 Prozent der Ukrainer wollen, dass ihr Land noch in diesem Jahr das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet. Das ergab die Umfrage "DW-Trend" im Juli 2013.

Infografik DW-TREND Juli 2013 (Grafik: DW)

Experten in Moskau glauben, dass Russland nun die Geduld verliere. "Russland verfolgt konsequent einen Kurs, um die Ukraine zu einem Beitritt zur Zollunion zu motivieren", sagte Alexander Dorofejew, Direktor einer Beraterfirma, der DW . Der Zollstreit sei ein Signal: Die Ukraine müsse sich zwischen Russland und dem Westen entscheiden, so Dorofejew.

"Der Kreml ist nervös, weil die Ukraine so unentschlossen ist", glaubt Ruslan Grinsberg, Direktor des Wirtschaftsinstituts an der Russischen Akademie der Wissenschaften. Der Wunsch der Ukraine, Distanz zu halten missfalle der russischen Führung.

… und treibt die Ukraine nach Westen

Der siebentägige Einfuhrstopp für ukrainische Waren war nicht das einzige Signal aus Moskau. Bereits seit Mitte Juli kann der ukrainische Süßwarenhersteller "Roshen" seine Produktion nicht nach Russland liefern. Moskau stellt die Qualität der Pralinen in Frage. Es ist ein harter Schlag für die Firma des Kiewer Oligarchen Petro Poroschenko. Er gilt als Anhänger einer Annäherung an den Westen.

Ob es Russland gelingt, mit Druck die Ukraine an sich zu binden, ist noch unklar. Ricardo Giucci vom Zentrum Berlin Economics glaubt, dass Moskaus Vorgehen kontraproduktiv sein könnte. Der Experte ist Mitglied der deutschen Beratergruppe bei der ukrainischen Regierung. "Ich glaube, dass das möglicherweise die Unterstützung für das Assoziierungsabkommen eher steigern wird", sagte Giucci der DW. Die Zollkontrollen seien eine "Schikane", so der Wirtschaftsexperte. Der Vorfall mache deutlich, dass das Assoziierungsabkommen mit der EU "der einzige Weg nach vorne" sei.