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Russland rätselt über Beresowskis Tod

Roman Goncharenko24. März 2013

Der plötzliche Tod des Oligarchen Boris Beresowski im britischen Exil schlägt in Russland hohe Wellen. Der Milliardär soll einst Wladimir Putin an die Macht gebracht haben, wurde jedoch später zum Kritiker des Kremls.

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Bild: Getty Images

Liest man Reaktionen aus Russland auf den plötzlichen Tod des Geschäftsmanns und Kreml-Kritikers Boris Beresowski, entsteht das Bild eines finanziell angeschlagenen, reumütigen Oligarchen. "Nichts wünsche ich mir mehr, als nach Russland zurückzukehren. Ich habe viele meiner Ansichten geändert", soll Boris Beresowski in einem Gespräch mit dem Korrespondenten des russischen Wirtschaftsmagazins "Forbes" gesagt haben. Es soll wenige Stunden vor Beresowskis Tod stattgefunden haben und war nicht für eine Veröffentlichung bestimmt.

Beresowski habe Putin um Vergebung für seine Fehler gebeten und wollte nach Russland zurückkehren, sagte der Präsidentensprecher Dmitri Peskow in mehreren Interviews für russische Medien. Ein handgeschriebener Brief Beresowskis soll im Januar 2013 bei Putin eingegangen sein. Über Reaktionen des Kremlchefs sagte Peskow nichts.

Wladimir Putin (Foto: AP/RIA Novosti)
Beresowski soll Putin um Vergebung gebeten haben.Bild: AP

Mysteriöser Tod bei London

Der einst mächtige russische Oligarch starb am Samstag (23.03.2013) im Alter von 67 Jahren. Ein Bodyguard fand die Leiche im Badezimmer in Beresowskis Haus in der Nähe von London. Die genaue Todesursache ist noch nicht geklärt. Die Polizei teilte am Sonntag mit, dass Beresowski nach ersten Erkenntnissen nicht Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Allerdings müsse das endügltige Ergebnis der Obduktion abgewartet werden, so die britischen Behörden. Es seien ebenfalls keine verdächtigen radioaktiven oder chemischen Substanzen im Haus gefunden worden.

Die Untersuchung auf ABC-Waffen wurde offenbar aufgrund des Falls von Alexander Litwinenko angeordnet. Der russische Ex-Spion Litwinenko war Beresowskis Vertrauter gewesen und ebenfalls ein Kreml-Kritiker. Litwinenko wurde 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet. Im Fall Beresowski wurde zunächst auch über einen Selbstmord oder einen Tod aus gesundheitlichen Gründen spekuliert. Der Oppositionsaktivist Sergej Parchomenko schrieb daraufhin in seinem Blog: "Ich kann mir Suizid nicht vorstellen.“

Vom Strippenzieher der Jelzin-Ära zum Exil-Oligarchen

In den 1990er Jahren spielte Beresowski eine wichtige Rolle in der russischen Politik. Der promovierte Mathematiker stieg nach dem Zerfall der Sowjetunion zum sogenannten Oligarchen, einem mächtigen Geschäftsmann mit Verbindungen zur Politik auf. Er verdiente seine Millionen unter anderem im Autohandel: Beresowski verkaufte russische Ladas und deutsche Mercedes-Limousinen. Außerdem kontrollierte der Geschäftsmann einige Banken, Ölfirmen, die Fluggesellschaft "Aeroflot" und mehrere Medien, darunter den in Russland meistgesehenen Fernsehsender ORT. Der Einfluss Beresowskis auf den damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin sei enorm gewesen, berichten Zeitzeugen.

Es soll Beresowski gewesen sein, der 1999 dem kränkelnden Jelzin den damals wenig bekannten Wladimir Putin als Nachfolger im Kreml vorgeschlagen hat, heißt es in russischen Medien. Doch nach Putins Wahlsieg im Jahr 2000 kam es zum Bruch zwischen den beiden Männern. Beresowski bekam später Asyl in Großbritannien und wurde zu einem der schärfsten Kritiker des Kremls. In Russland wurde er wegen Wirtschaftsverbrechen in Abwesenheit zu 13 Jahren Haft verurteilt. Andere Verfahren gegen ihn sind noch offen.

Das Bankkonto des einstigen Milliardärs soll in den letzten Jahren geschrumpft sein. Das russische "Forbes" schätzte Beresowskis Vermögen 2011 auf 0,7 Milliarden US-Dollar. 2008 soll es noch doppelt so viel gewesen sein. Im Herbst 2012 erlitt Beresowski eine für ihn bittere Niederlage im Streit gegen einen anderen russischen Oligarchen, Roman Abramowitsch. Ein Londoner Gericht wies Beresowskis Klage gegen Abramowitsch wegen angeblichen Betrugs beim Aktienkauf einer Ölgesellschaft ab. Beresowski musste die Gerichtskosten in Höhe von 53,3 Millionen US-Dollar tragen.

Roman Abramowitsch (Foto: AP/dapd)
Beresowski scheiterte im Streit mit Abramowitsch (vorne)Bild: dapd

Buhmann der Nation

Die Nachricht von Beresowski Tod schlägt in Russland hohe Wellen. Viele halten ihn für ein "böses Genie". "Was für ein unerwartetes Finale. Ich bin schockiert", schreibt die Journalistin des Radiosenders "Echo Moskwy" Ksenia Larina in ihrem Blog. Sie habe Beresowski zwar nicht persönlich gekannt, sein starkes Charisma aber während eines Telefoninterviews gespürt.

Beresowksi habe keinen Einfluss auf die jüngste russische Politik gehabt, so Putins Pressesprecher Peskow. Diese Einsicht teilt auch der Oppositionspolitiker Boris Nemzow. Der Kreml-Kritiker Beresowski habe die russische Opposition nie finanziell unterstützt, sagte Nemzow im Gespräch mit der Deutschen Welle. Anderen Medienberichten zufolge soll Beresowski der Opposition geholfen haben. Beweise dafür gibt es jedoch nicht.

"Beresowski war seit zehn Jahren aus der russischen Politik ausgeschlossen", erklärt der Moskauer Soziologe und ehemaliges Mitglied im Präsidialrat für Menschenrechte Dmitri Oreschkin der DW. Der im Exil lebende Oligarch sei in Russland als "mythischer Fürst der Hölle" dargestellt worden. So wollen einige Politiker Beresowski hinter der umstrittenen Punk-Band „Pussy Riot“ ausgemacht haben, was er noch zu Lebzeiten dementierte. Erst im Dezember 2012 behauptete der staatliche Fernsehsender "Russland 1", Beresowski habe einige Morde in Auftrag gegeben, darunter den eines Fernsehmoderators und eines Parlamentsabgeordneten. Die Ermittlungen laufen noch.