Russlands Position in Syrien
8. Juni 2013Genf solle ein neues Dayton werden, wünscht sich Dmitri Trenin. "Amerikaner und Russen sollen die syrischen Vertreter an einen Tisch bringen und zu einer Einigung zwingen", sagte der Direktor des Moskauer Carnegie-Zentrums der Deutschen Welle. In der Nähe der US-Stadt Dayton wurde 1995 das Abkommen über das Ende des Balkan-Krieges in Bosnien und Herzegowina ausgehandelt. Ob es bei der geplanten Syrien-Konferenz in Genf zu einem ähnlichen Durchbruch kommt? Der Experte ist skeptisch: "Das würde eine diplomatische Allianz zwischen Russland und Amerika in der Syrien-Frage notwendig machen." Aber momentan seien die Chancen dafür "nicht groß", meint Trenin.
Anfang Mai bewegten sich Russland und die USA zum ersten Mal seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien deutlich aufeinander zu. Mit ihrem Vorschlag, erneut wie 2012 eine internationale Syrien-Konferenz zu veranstalten, sorgten der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein US-Kollege John Kerry weltweit für Aufsehen. Der Moskauer Experte Trenin sieht darin ein Zeichen, dass Washington - genauso wie Moskau - eine politische Lösung anstrebt und eine militärische Eskalation in der Region vermeiden möchte.
Unterschiede in der Grundsatzfrage bleiben
Die Vorbereitung der Konferenz erweist sich allerdings als schwierig. Ursprünglich hätte sie noch im Mai stattfinden sollen. Inzwischen gilt Juli als der früheste Termin, wie der stellvertretende russische Außenminister Gennadi Gatilow nach Gesprächen mit Vertretern der USA und der UN in Genf am Mittwoch (05.06.2013) mitteilte. Russland sieht seine Pflicht getan, in dem es die syrische Regierung zur Teilnahme an der Genfer Konferenz überredet hat. Ob und welche Oppositionskräfte dabei sein werden, ist offen.
Trotz gemeinsamer Initiative: Die Differenzen zwischen Russland und USA bleiben. Der russische Außenminister Lawrow warf den USA inzwischen eine "starke Verzerrung" bei der Darstellung der Vereinbarungen vor. Die jüngsten Kommentare des State Departments, wonach die Syrien-Konferenz eine Absetzung der jetzigen Regierung zum Ziel habe, seien falsch, so Lawrow. Aus Moskaus Sicht gehe es in Genf um eine Regierungsbildung, die sowohl von den aktuellen Machthabern als auch von der Opposition unterstützt werde. Ein anderes Beispiel ist der Streit um eine mögliche Teilnahme des Iran an der Syrien-Konferenz, was Russland befürwortet.
Insbesondere in der Grundsatzfrage bleiben die Unterschiede bestehen. Die USA sprechen dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad jede Legitimität ab. Washington plädiert für einen Machtwechsel in Damaskus. Russland dagegen stärkt dem syrischen Präsidenten den Rücken. Mit seinem Vetorecht im UN-Sicherheitsrat blockierte Russland mehrmals Resolutionen, um eine militärische Intervention in Syrien zu verhindern.
Russland lässt die Säbel rasseln
Russlands Präsident Wladimir Putin hat diese Haltung beim Gipfel mit der Europäischen Union in dieser Woche in Jekaterinburg noch einmal bekräftigt. "Alle Versuche, auf die Situation durch eine direkte militärische Intervention einzuwirken, sind zum Scheitern verurteilt", sagte Putin. Der Kremlchef warnte vor "schweren humanitären Folgen", die eine solche Einmischung nach sich ziehen würde.
Die Botschaft des Kremlchefs galt in erster Linie EU-Staaten wie Frankreich und Großbritannien, die Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen nicht ausgeschlossen hatten. Solche Lieferungen sind ab dem 01. August 2013 möglich, weil sich die EU nicht auf eine Verlängerung des Waffenembargos einigen konnte. "Ich denke, dass die russische Seite irritiert und enttäuscht ist von der letzten Entscheidung der EU, Waffenlieferungen freizugeben", sagte Hans-Henning Schröder von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) der DW.
Russland selbst kündigt immer neue Waffenlieferungen an Syrien an. So könnte Damaskus mehr als zehn russische Kampfjets bekommen, hieß es aus Moskau. Zuvor sorgte eine geplante Lieferung von russischen Flugabwehrraketen vom Typ S-300 an Syrien für Schlagzeilen. Die Verträge seien legal, allerdings noch nicht ausgeführt, sagte Putin in Jekaterinburg.
Es bleibt aber nicht nur bei Ankündigungen. Seit Anfang Juni hat die russische Marine ihre Präsenz im Mittelmeer verstärkt. Eine Gruppe von 16 Kriegschiffen plant unter anderem einen Besuch im syrischen Hafen Tartus, wo Russland eine Marinebasis unterhält.
"Assads Siege stärken Moskau"
Der russische Außenpolitik-Experte Trenin spricht von einem "Nervenkrieg": "Russland versucht, einige Hitzköpfe im Westen zu kühlen, während die EU Druck auf Assad ausübt", glaubt der Direktor des Carnegie-Zentrums. Der Ausgang sei ungewiss, sagt Trenin. Er verweist auf andere Kräfte, die auf eine militärische Lösung setzen, neben Syriens Machthaber Assad auch Katar und Saudi-Arabien.
In der letzten Zeit konnten die syrischen Regierungstruppen einige Erfolge im Kampf mit den Oppositionellen feiern. So konnten sie die strategisch wichtige Stadt Al-Kusair an der Grenze zum Libanon einnehmen. Das stärke nicht nur Assad, sondern auch Russland vor der Genfer Konferenz, meint Schröder von der SWP: "Die russische Verhandlungsposition ist gestärkt, weil Assad im Moment militärisch die Oberhand zu haben scheint".