Russland und Iran als ziemlich beste Freunde
4. September 2020Die Kommunikation zwischen Russland und Iran verdichtet sich. Anfang dieser Woche hielt sich der russische Außenminister Sergej Lawrow in der iranischen Hauptstadt auf, während sein iranischer Amtskollege Dschawad Sarif im Sommer - Juni und Juli - bereits zweimal nach Moskau gereist war.
Bei diesen Gesprächen standen zwei für den Iran derzeit sehr wichtige Themen auf der Agenda: Die Zukunft des Atomabkommens wie auch das Waffenembargo gegen den Iran, das dem Atomabkommen gemäß in diesem Oktober ausläuft.
Die nun eingeschlagene Richtung fasste Lawrow in Teheran noch einmal zusammen. Sein Land unterstütze direkte Verhandlungen zwischen Iran und den Vereinigten Staaten, erklärte er. Moskau sei bereit, zum Zustandekommen solcher Gespräche beizutragen. "Wir denken, es ist besser, Differenzen und offene Fragen direkt anzugehen und auf diesem Weg Antworten zu erhalten", sagte Lawrow der Zeitung "The Tehran Times".
Das diskret formulierte Dialogangebot in Richtung Washington ist der diplomatische Teil der russisch-iranischen Strategie. Der andere setzt auf eine verstärkte militärische Zusammenarbeit der beiden Länder. "Bald werden wir in der russisch-iranischen militärtechnischen Partnerschaft ein neues Kapitel aufschlagen", hatte der iranische Botschafter in Russland, Kasem Dschalali, kurz vor Lawrows Visite auf seinem Telegram-Kanal erklärt. Diesen Anspruch dokumentierte Ende August auch der iranische Verteidigungsminister Ali Schamchani. Er hatte in Moskau an einem mehrtägigen militärischen Forum teilgenommen.
Unerfüllter Waffenwunsch
Wie sich die militärische Zusammenarbeit konkret entwickeln wird, ist derzeit allerdings noch offen. Der US-Verteidigungsnachrichtendienst DIA habe offenbar Hinweise, dass Iran nach Aufhebung des Waffenembargos russische Panzer, Boden-Luft-Raketen des Typs S-400 und ein weiteres Raketensystem kaufen wolle, berichtet das auf Nahost-Themen spezialisierte Online-Magazin "Al-Monitor". Darüber hinaus sei Teheran auch an russischen SU-30-Jets, dem modernen Pilotenschulflugzeug Yak-130 und T-90-Panzern interessiert. Beschlossen seien diese Käufe allerdings noch lange nicht, so "Al-Monitor": "Es existiert ein großer Unterschied zwischen der Erklärung eines Interesses an Waffenkäufen und der tatsächlichen Unterzeichnung eines entsprechenden Liefervertrags."
Hinzu komme ein weiteres, schreibt "Al Monitor": Liefere Russland Waffen an den Iran, müsse es um deren professionelle Verwendung besorgt sein. Der Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine Anfang Januar - kurz nach der Tötung des damaligen Kommandeurs der Al-Kuds-Brigaden Kassem Soleimani - habe gezeigt, wie fehleranfällig die iranischen Kommandoketten in Zeiten erhöhter militärischen Anspannung seien.
Demokratisierung? Nein danke!
Die Nähe Russlands und Irans gründet neben gemeinsamen strategischen und ökonomischen Interessen auch auf weltanschaulicher Verbundenheit. Moskau und Teheran hätten sich einander aufgrund ihrer gemeinsamen Vorbehalte gegenüber liberalen Ideen westlicher Prägung angenähert, heißt es in einer Analyse des amerikanischen "Foreign Policy Research Institute" (FPRI). "Die Farbrevolutionen im postsowjetischen Raum und die 'Grüne Bewegung' 2009 im Iran haben eine Abneigung gegen die Demokratisierungsagenda des Westens verstärkt", heißt es dort.
So scheint es, als formierten sich die Gegenspieler der liberalen Ideen derzeit neu. In diese Richtung weist etwa die gemeinsame Marineübung, die Russland, China und Iran im Dezember vergangenen Jahres im Indischen Ozean und im Golf von Oman abhielten. Dieses Manöver - die erste russisch-iranische Übung außerhalb des Kaspischen Meeres - war von den Teilnehmern auch als Botschaft an die USA gemeint, heißt es in der FPRI-Analyse. Die Teilnehmer hätten demonstriert, dass sie im Zweifel nicht bereit seien, die Aktivitäten, die Washington in der Auseinandersetzung mit Iran am Persischen entfalte, tatenlos hinzunehmen. Das im Vergleich zu früheren Übungen deutlich erhöhte technische Niveau habe diesen Anspruch unterstrichen.
Hoffnung auf neue Märkte
Auch wirtschaftlich sind Russland und Iran eng miteinander verbunden. Zwar gilt der Iran mit seinen reichen Erdölressourcen in Moskau durchaus als potentieller Konkurrent. Dennoch stellt Russland seine Transportwege für den Export iranischen Öls nach China zur Verfügung. Russland werde seine Einspeisestrukturen zur Verfügung stellen, zitierte das Fachportal "Oilprice.com" im August 2020 einen namentlich nicht genannten iranischen Regierungsvertreter. "Die Anlagen sollen ausgebaut werden und anschließend soll das iranische Rohöl durch Kasachstan weiter nach China transportiert werden", so die iranische Quelle weiter. Dieses Projekt entspricht dem Geist des bislang nur in Teilen bekannt gewordenen iranisch-chinesischen Kooperationsabkommens.
Zugleich hat Russland zuletzt auch seine Investitionen in die Transportinfrastruktur im Iran erhöht. Denn wirtschaftlich spielt der Iran aus Sicht Moskaus bei der Entwicklung der russischen Exportmärkte eine große Rolle. Er ist eine wichtige Station auf dem Weg zum Persischen Golf und den Märkten Südostasiens. Über die künftigen Handelsrouten kann Iran, sollten die US-Sanktionen irgendwann auslaufen, auch seine eigenen Waren exportieren.
Ein weiteres Signal für einen engeren Schulterschluss zwischen Moskau und Teheran könnte auf dem Treffen der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SCO) kommende Woche in Moskau erfolgen. In der SCO ist der Iran nur Beobachter. Der russische Außenminister Lawrow hatte sich gegenüber seinem Amtskollegen Sarif im Juli für eine baldige Vollmitgliedschaft Irans bei dem Regionalbündnis ausgesprochen. Die SCO wurde 2001 von China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan gegründet, seit 2017 sind auch Pakistan und Indien Vollmitglieder.
Das aufgefüllte Vakuum
So unterschiedlich die Interessen beider Staaten politisch und wirtschaftlich in manchen Punkten auch sind: Einig dürften sich Teheran und Moskau darin sein, dass eine wie im Einzelnen auch immer auszugestaltende Allianz für beide ein ideales Instrument ist, um den Einfluss der USA in der Region zurückzudrängen. Der partielle Rückzug Washingtons aus der Region hat ein Vakuum hinterlassen, das die beiden Partner umgehend ausgefüllt haben.