1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Russland: Wahlen in Zeiten des Angriffskrieges

15. März 2024

Mitten im Krieg will Kremlchef Putin seine Macht absichern. Die dreitägige Präsidentenwahl gilt weder als frei noch als fair. Zudem protestiert die Ukraine gegen den Urnengang in ihren Regionen.

https://p.dw.com/p/4dZMh
Russland | Präsidentschaftswahlen 2024
Ein russischer Soldat bei der Stimmabgabe in einem Wahllokal in WladiwostokBild: Yuri Smityuk/TASS/picture alliance

Die ersten Wahllokale im flächenmäßig größten Land der Erde öffneten am Freitagmorgen um 8.00 Uhr (MEZ) im äußersten Osten auf der Halbinsel Katschatka am Pazifischen Ozean. Weil in Russland elf Zeitzonen gelten, wird die Abstimmung erst am Sonntagabend um 19.00 Uhr (MEZ) enden, wenn in Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg, ganz im Westen des riesigen Reiches an der Ostsee die letzten Wahllokale schließen.

Mit der Wahl, die unter Ausschluss der Opposition stattfindet, will sich Kremlchef Wladimir Putin die Macht für weitere sechs Jahre sichern. Überschattet wird der Urnengang durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der vor zwei Jahren begann, und durch Manipulationsvorwürfe.

Russland | 18. Kongress der Kommunistischen Partei | Nikolai Charitonow
Nikolai Charitonow, Kommunistische Partei Russlands (Archiv)Bild: Vladimir Gerdo/TASS/dpa/picture alliance

Opposition ruft zu "Protestwahl" auf

Auf dem Papier stehen zwar außer Putin, der als unabhängiger Kandidat antritt, drei weitere Bewerber zur Wahl: der Kommunist Nikolai Charitonow, der Liberale Wladislaw Dawankow und Leonid Sluzki von der nationalistischen Partei LDPR. Doch sie vertreten ebenfalls die Standpunkte des Kremls und unterstützen dessen Chef zum Teil sogar direkt. Jedem von ihnen prognostizieren die staatlichen Meinungsforscher fünf bis sechs Prozent der Stimmen. Putin wiederum werden 82 Prozent vorausgesagt - so viel wie noch nie in zuvor seit seinem Amtsantritt als russischer Staatschef im Jahr 2000. 

Leonid Eduardowitsch SluzkiLeonid Eduardowitsch Sluzki
Leonid Sluzki, Liberal-Demokratische Partei Russlands (Archiv)Bild: Council.gov.ru/wikipedia

Allerdings findet in diesem Jahr die Wahl auch ohne die Opposition statt. Bewerber, die sich gegen Putins Angriffskrieg in der Ukraine aussprachen, wurden gar nicht erst als Kandidaten zugelassen. Deshalb spricht die Opposition auch von einer "Wahlfarce", die nichts mit einer Abstimmung nach demokratischen Regeln gemein habe, und rief zu einer Protestwahl gegen Putin auf: Wähler sollten etwa die Stimmzettel durch ein Häkchen für mehrere Kandidaten gleichzeitig ungültig machen. Die Protestwähler sollen sich zudem am Sonntag um 12.00 Uhr an den Wahllokalen einfinden, um so zu zeigen, dass sie gegen Putin sind.

Erste Protestaktionen und Festnahmen

Der erste Wahltag war begleitet von mehreren Protestaktionen und Festnahmen. In mehreren Städten und Regionen wurden den Behörden zufolge in Wahllokalen Brandsätze gezündet. Von der unabhängigen Nachrichtenagentur Sota veröffentlichte Aufnahmen aus einem Wahllokal in Moskau zeigten eine ältere Frau, die eine Wahlkabine in Brand setzt, bevor sie festgenommen wird. In anderen Landesteilen zündeten Wähler bei der Stimmabgabe Molotowcocktails oder Feuerwerkskörper. Andernorts schütteten Menschen Farbe in die Wahlurnen.

In St. Petersburg versuchte nach Angaben der Wahlbehörde eine 20-jährige Frau, einen Molotow-Cocktail auf ein Stimmlokal zu werfen. Vor einem Wahllokal in einer russisch besetzten Region der Ukraine explodierte laut der örtlichen Wahlkommission eine Bombe. Bei den Protestaktionen wurde anscheinend niemand verletzt. Trotz der Warnungen der Behörden vor Strafen für Protestierende wurden mindestens neun Menschen wegen "Vandalismus" in Wahllokalen festgenommen. Unklar war zunächst, ob es sich um einen koordinierten Protest gegen die Wahl oder Einzelfälle handelte.

OSZE muss draußen bleiben

Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind diesmal nicht eingeladen. Schon vor der Abstimmung gab es zahlreiche Vorwürfe der organisierten Wahlfälschung.

Nicht nur werden laut unabhängigen Beobachtern massenhaft Staatsbedienstete und Angestellte großer Firmen an die Urnen gedrängt, um die Wahlbeteiligung in die Höhe zu treiben. Der Kreml hat an den drei Tagen auch illegale Scheinabstimmungen in besetzten Gebieten der Ukraine angesetzt.

Kiew fordert Nicht-Anerkennung

Die Ukraine protestierte gegen die unter Bruch des Völkerrechts abgehaltenen Abstimmungen und forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Ergebnisse nicht anzuerkennen. Die Wahlen seien illegitim und hätten keine juristischen Folgen, hieß es in Kiew. Sie gäben zudem Anlass, Putin nicht als Präsident anzuerkennen. Die Oberste Rada, das ukrainische Parlament, verlangte zudem, den Sanktionsdruck auf Russland zu erhöhen.

Das Außenministerium in Kiew warf Russland vor, unter Verstoß des internationalen Rechts die territoriale Integrität der Ukraine zu verletzten. Das Ministerium forderte die Menschen in den besetzten Gebieten auf, nicht an den "Pseudowahlen" teilzunehmen.

114 Millionen Wahlberechtigte

In den besetzten Teilen der ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sind nach russischen Angaben 4,5 Millionen Menschen zum Urnengang aufgerufen. Abgestimmt wird auch auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die Moskau bereits 2014 annektiert hatte. 

Russland | Präsidentschaftswahlen
Auch auf der von Russland 2014 annektierten Halbinsel Krim soll abgestimmt werden - hier im Ort PerewalneBild: Viktor Korotaev/Kommersant/Sipa USA/picture alliance

Die Zahl der in anderen Ländern lebenden Wahlberechtigten gibt Russland mit rund zwei Millionen an. Damit sind laut Wahlkommission rund 114 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. Der Kreml hofft auf eine hohe Wahlbeteiligung.

Putin hatte 2020 eigens die Verfassung ändern lassen, um wieder als Kandidat antreten zu können. Nach derzeit gültiger Verfassung darf er auch 2030 wieder kandidieren, dann aber zum letzten Mal, und könnte theoretisch bis 2036 im Amt bleiben.

mak/sti (dpa, afp, rtr)

Redaktionsschluss 17.30 Uhr. Dieser Artikel wird nicht mehr aktualisiert.