Rätselraten nach der Wahl in Italien
5. März 2018Der Chef der rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen "Lega" ließ am Tag nach seinem Wahlsieg innerhalb der rechten Koalitionsliste keine Zweifel aufkommen: Matteo Salvini will Ministerpräsident werden und die rechte Parteigruppe anführen, nachdem er den Medienunternehmer Silvio Berlusconi mit seiner noch relativ gemäßigten "Forza Italia" auf Platz zwei verwiesen hat. Salvini hat 17, Berlusconi nur 14 Prozent der Stimmen erreicht. Zusammen mit zwei rechtsradikalen Mini-Parteien kommt das rechtspopulistische Lager auf 37 Prozent der Stimmen. Das reicht aber nicht zur Regierungsbildung. Ein Koalitionspartner muss her. Wer das sein könnte, ließ "Lega"-Chef Salvini offen. Er sprach lieber von dem historischen Tag. "Die Italiener haben für die Befreiung von der Europäischen Union gestimmt", tönte Salvini. Weder Brüssel noch Berlin noch Paris würden den Italienern künftig etwas vorschreiben.
Anspruch auf Regierung
Der Spitzenkandidat der "Bewegung 5 Sterne", Luigi Di Maio, hat mit 32 Prozent der Stimmen das beste Einzelergebnis für eine Partei erreicht. "Obwohl es regnet, ist das ein ganz toller Tag für uns", sagte Di Maio in Rom. Er ließ aber auch offen, mit welcher Partei oder Liste er denn koalieren will. Natürlich erhebt auch er den Anspruch mit seiner populistischen Bewegung, die vor neun Jahren als reine Protestbewegung eines Komikers startete, jetzt zu regieren. "Wir haben eine Verantwortung, das Projekt einer Regierungsbildung zu beginnen", sagte Di Maio in Rom. Er gab sich weniger radikal als die rechte Seite. "Alles Taktik. Er will staatsmännisch erscheinen", meinte dazu ein Analyst im Fernsehsender RAI.
Wähler sind nicht wirklich beunruhigt
Wähler, Fachleute und Medien zerbrechen sich jetzt in Italien die Köpfe, wie es nach dem breiten Sieg der Populisten von rechts und links weitergehen könnte. Amalia Losario, eine junge Wählerin aus Rom, findet das Ergebnis sehr gut. Sie hat für die "Lega" gestimmt, weil sie sich "von den bisher regierenden Sozialdemokraten um Parteichef Matteo Renzi betrogen fühlt". Sie räumt allerdings ein, dass eine Koalitionsbildung extrem schwer ist, egal in welche Richtung. "Eine Zusammenarbeit von linken Populisten bei den '5 Sternen' und von Salvinis Lega halte ich für unmöglich. Die sind einfach zu unterschiedlich." Wähler Angelo Cannizzaro neigt eher zu der "Bewegung 5 Sterne". Er hat den Wahlausgang, bei dem sich die großen Gruppen gegenseitig blockieren, erwartet. "Es ist an der Zeit, dass die '5 Sterne' mit dem guten Ergebnis auf Partnersuche gehen. Die sollten endlich erwachsen werden, sich bewegen und ihren Hintern hochkriegen." Besorgt über den drohenden Stillstand und die Regierungskrise sind die wenigsten Wähler, die am Montag nach der Wahl mit der DW in Rom sprechen. "Am Ende werden die Parteien schon etwas mauscheln und irgendeinen Deal schließen. Es muss sich etwas ändern. Entweder die '5 Sterne' oder die Lega müssen im Süden mal so richtig aufräumen", meint Arianne Fusta, die selbst aus Sizilien stammt.
"Populisten werden die neue Norm"
Giovanni Orsina lehrt an der LUISS-Universität Zeitgeschichte und analysiert die italienische Politik seit Jahren. Für ihn ist das Ergebnis der Wahl keine Überraschung. "Die Populisten auf der linken und rechten Seite werden die neuen Mainstream-Parteien, die neuen Volksparteien in Italien werden. Sie lösen die Sozialdemokraten und die konservative Forza Italia ab. Ob uns das gefällt oder nicht, es wird es künftig den Zweikampf zwischen '5 Sterne' und Lega geben." Der für sein Comeback gefeierte 81-jährige Silvio Berlusconi sei nun wirklich erledigt. Auch Sozialisten-Chef Renzi sei fertig, so Giovanni Orsina. "Renzi hat keine Ahnung, was er machen soll, und Berlusconi hat nur noch Angst zu sterben." Eine Zusammenarbeit der Parteien untereinander hält Professor Orsina im Moment für sehr unwahrscheinlich. "Es wird eine lange Phase des Übergangs geben, genau wie in anderen europäischen Staaten. Nehmen Sie nur den Brexit und die Unsicherheit drumherum, nehmen Sie den Rest der Welt. Die Demokratie, wie wir sie kannten, ist in einer schrecklichen Krise."
Wie geht es weiter?
Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella wird die Anführer der siegreichen Parteien in den nächsten Tagen einzeln zu Gesprächen einladen, um auszuloten, ob sie einen Plan zur Regierungsbildung haben und Koalitionen möglich sind. Falls der Präsident zum Ergebnis kommt, dass mit dem Wahlergebnis die beiden Kammern des Parlaments keine Regierung tragen können, könnte er eine Regierung aus "Technokraten" für eine Übergangszeit bestimmen. Dann stünden vielleicht in einem Jahr Neuwahlen an. Die letzte "Technokraten"-Regierung führte von 2011 bis 2013 Mario Monti. Er kam auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ins Amt, in der der damalige Regierungschef Silvio Berlusconi ratlos war.