Rückschlag für Brasiliens Wälder
27. April 2012Die Novelle öffnet Wege für einen Straferlass für Landwirte, die illegal gerodet haben. Mit 184 von 274 Stimmen entschieden sich die Abgeordneten für den Änderungsentwurf und stellten sich damit demonstrativ gegen die Präsidentin Dilma Rousseff.
In den vergangenen Jahrzehnten haben landwirtschaftliche Großbetriebe den Regenwald des Amazonas-Gebietes und die zentralbrasilianische Savanne mit Viehweiden und Sojaplantagen überzogen. Und das teilweise illegal.
Das neue Gesetz sieht nun einen weitgehenden Straferlass für Umweltsünder vor. So werden ab sofort Landbesitzern sämtliche Strafen für Vergehen erlassen, die vor dem 22. Juli 2008 begangen wurden, wenn sich der Straftäter für ein Umweltprogramm der Regierung registriert und die damit verbundenen Auflagen einhält. Nur: Was das Programm beinhalten soll, steht noch nicht fest.
Die Bußgelder, die die Waldvernichter damit nicht zahlen müssen, belaufen sich auf 12 Millionen Euro, schätzt der Parlamentarier Ricardo Tripoli. Darüber hinaus müssen sie auch nicht für die Wiederaufforstung aufkommen. Denn vor diesem Datum gerodete Flächen, selbst wenn sie in gesetzlich geschützten Gebieten liegen, sollen als Kulturland bestehen bleiben und registriert werden.
Da die Behörden jedoch kaum eine Möglichkeit haben festzustellen, wann ein Areal abgeholzt wurde, hindert das Gesetz im Prinzip niemanden daran, einfach weiter zu roden, klagen Umweltschützer.
Umweltschützer sind entrüstet
"Das ist der Anfang vom Ende des Waldes", urteilte Greenpeace in einer ersten Reaktion. Schließlich wird die Waldzerstörung in Brasilien für nahezu zwei Drittel der klimaschädlichen CO2-Emissionen verantwortlich gemacht.
Greenpeace und WWF werfen den brasilianischen Abgeordneten vor, sie hätten dem Druck der landwirtschaftlichen Parlamentsgruppe nachgegeben. "Seit Beginn des Verfahrens war Brasilien Geisel der Agrarlobby-Interessen. Sie hat alles getan, um ihre Forderungen per Gesetz durchzusetzen", klagt Paulo Adário von Greenpeace in Brasilien.
Maria Cecilia Wey de Brito, Generalsekretärin des WWF in Brasilien, ist ebenfalls empört. Sie müsse erst einmal verdauen, was da geschehen sein, sagt sie im Gespräch mit der DW. Die NGO klagt, das neue Waldgesetz öffne Tür und Tor für weitere Verwüstungen des brasilianischen Urwaldes durch Flächenrodung.
Der einzige Sieg der Regierung
Lediglich in einem Punkt konnte sich Präsidentin Rousseff durchsetzen: An Flüssen, die bis zu zehn Meter breit sind, müssen gerodete Ufer in einer Breite von 15 Metern wieder aufgeforstet werden. Ob das auch in Stadtgebieten gemacht werden muss, entscheiden die lokalen Behörden. Bisher hatte das Gesetz für diese Flüsse einen Schutz von 30 Metern Uferfläche vorgesehen.
Doch die Landwirte lehnen jede Art von Wiederaufforstung ab. Die Vertreter der Agrarinteressen im Parlament argumentieren: Die neue Regelung reduziere die produktive Kulturfläche des Landes um 33 Millionen Hektar, von denen ein Drittel Kleinbauern gehöre.
Für die brasilianische Umwelt könnte das neue Gesetz fatale Folgen haben. "Noch mehr Kahlschlag, Verschmutzung der Gewässer und Austrocknung - irgendwann werden auch die Landwirte die negativen Folgen zu spüren bekommen", betont Umweltschützerin Maria Cecilia Wey de Brito.