Rüstungsexporte in Türkei nicht ganz gestoppt
19. Oktober 2019Der deutsche Rüstungsexportstopp für die Türkei wegen der Syrien-Offensive gilt weiterhin nur für Waffen und andere militärische Güter, die in diesem Konflikt eingesetzt werden können. Die Bundesregierung erteile "keine neuen Genehmigungen" mehr für solche Waren, stellte das Wirtschaftsministerium in einer schriftlichen Antwort klar. Die Anfrage hatte der Linken-Außenpolitiker Stefan Liebich gestellt. Bereits genehmigte Lieferungen sind damit nicht betroffen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das am Donnerstag in ihrer Regierungserklärung noch anders formuliert. Die türkische Militäroperation gegen die Kurdenmiliz YPG führe zu einem "humanitären Drama" mit großen geopolitischen Folgen. "Und deshalb wird die Bundesregierung unter den jetzigen Bedingungen auch keine Waffen an die Türkei liefern." Das hatte zu Spekulationen geführt, es könne sich doch um einen kompletten Rüstungsexportstopp wie gegen Saudi-Arabien handeln.
Hat Merkel die Öffentlichkeit getäuscht?
Staatssekretär Ulrich Nußbaum aus dem für Exportkontrolle zuständigen Wirtschaftsministerium schreibt nun: "Die Bundesregierung erteilt keine neuen Genehmigungen für Rüstungsgüter, die durch die Türkei in Syrien eingesetzt werden könnten." So hatte es auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gesagt, als er vor einer Woche den Exportstopp verkündete. Die Antwort Nußbaums datiert vom Freitag, also nach der Verkündung der Waffenruhe für Nordsyrien. Linken-Politiker Liebich wirft der Kanzlerin nun vor, die Öffentlichkeit getäuscht zu haben.
Im vergangenen Jahr machten die Lieferungen an die Türkei mit 242,8 Millionen Euro fast ein Drittel aller deutschen Kriegswaffenexporte (770,8 Millionen Euro) aus. Damit war das von Präsident Recep Tayyip Erdogan regierte Land die Nummer eins unter den Empfängern deutscher Rüstungsgüter. In den ersten acht Monaten dieses Jahres hat die Türkei Kriegswaffen für 250,4 Millionen Euro aus Deutschland erhalten. Das ist bereits jetzt der höchste Jahreswert seit 2005, obwohl noch vier Monate fehlen.
Vorwürfe gegen kurdische Milizen ...
Derweil warf die türkische Regierung den kurdischen Milizen vor, gegen die vereinbarte Waffenruhe für Nordsyrien zu verstoßen. Die türkischen Streitkräfte hielten sich ihrerseits "vollständig" an die am Donnerstag vereinbarte Waffenruhe, erklärte das Verteidigungsministerium. Trotzdem hätten "Terroristen" in den vergangenen 36 Stunden 14 Angriffe ausgeführt. Zwölf der Angriffe kamen demnach aus der Grenzstadt Ras al-Ain. Verübt wurden sie den Angaben zufolge mit leichten und schweren Waffen, darunter auch Raketen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Donnerstag nach langen Verhandlungen mit US-Vizepräsident Mike Pence einer fünftägigen Waffenruhe zugestimmt. Wenn alle Kämpfer der Kurdenmiliz YPG aus einem 30 Kilometer breiten Streifen entlang der türkischen Grenze abgezogen seien, werde der Militäreinsatz enden, erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu.
... und gegen die Türkei
Nach Angaben von Aktivisten hatte die Türkei aber auch am Freitag weiterhin Luftangriffe geflohen. Bei der Bombardierung des Dorfs Bab al-Cheir seien 14 Zivilisten getötet worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Sie hat ihren Sitz in Großbritannien und bezieht Informationen von Unterstützern aus Syrien. In Ras al-Ain gab es demnach auch Gefechte zwischen der türkischen Armee und der YPG. Auch eine AFP-Reporterin auf der türkischen Seite der Grenze hörte Gefechtslärm und sah Rauch aufsteigen.
Die Luftangriffe und der Artilleriebeschuss durch die Türkei seien eine "Verletzung" der Waffenruhe, sagte der Sprecher der von der YPG dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mustafa Bali. Erdogan drohte bereits mit einer Wiederaufnahme der Offensive, sollte die YPG-Miliz nicht wie vereinbart abziehen.
sth/jj (dpa, afp)