Söldner im Dienste des Terrors?
24. April 2004
DW-WORLD: In der jüngsten Vergangenheit häufen sich Berichte über Söldner im Irak. Es gibt Schätzungen, dass sich dort etwa 15.000 Mitarbeiter von privaten Sicherheitsfirmen aufhalten sollen. Auch eine Italienische Geisel, die vor kurzem erschossen wurde, war Mitarbeiter in einer solchen Sicherheitsfirma. Diese Unternehmen übernehmen Aufgaben, die früher den staatlichen Streitkräften vorbehalten waren. Handelt es sich hierbei um eine neue Form des Söldnerwesens?
Enrique Bernales Ballesteros: Zu diesen geschätzten 15.000 muss man noch jene dazuzählen, die sich beispielsweise im Kosovo, in verschiedenen Ländern Afrikas oder Südamerikas, wie Kolumbien, aufhielten und noch aufhalten. Da kommt man auf eine Zahl, die mindestens vier mal so hoch liegt. Bei den Armeen, die über private Sicherheitsfirmen organisiert werden, können wir von einem neuen Typus des Söldnertums sprechen. Es geht hier nicht um die klassischen Söldner, jene Glücksritter, die wie Rambos während der Unabhängigkeitskriege in Afrika wüteten. Wir sprechen hier von etwas viel ausgefeilterem, einem extrem gefährlichen Phänomen für die Staaten. Solche Unternehmen, die überall auf der Welt Sicherheit verkaufen, werden nicht nur mit ungeheuer viel Geld bezahlt. Gehen Sie doch mal nach Sierra Leone und schauen Sie sich an, was diese Unternehmen am Diamantenhandel verdient und wie sie dort die Wirtschaft beeinflusst haben. Sie halfen nicht beim Wiederaufbau, im Gegenteil, sie verlängerten die Konflikte.
Viele private Militärfirmen sehen sich keineswegs als Söldnerfirmen. Warum sind sie so gefährlich?
Weil hier der Krieg privatisiert wird. In meinen Berichten für die UNO habe ich immer klar gemacht, dass man diese Unternehmen nicht grundsätzlich verbieten sollte. Sie können bei der Logistik, bei Material- oder Lebensmitteltransporten effektiv eingesetzt werden. Verbieten sollte man aber sehr wohl die Firmen, die Privatarmeen aufstellen. Diese Armeen dürfen auf keinen Fall die staatlichen Streit- und Polizeikräfte ersetzen.
Greifen Ihrer Kenntnis nach diese Firmen in Kampfhandlungen im Irak ein?
Die Situation im Irak ist äußerst komplex. Irak ist ein Land, das gegen das Völkerrecht besetzt ist. Es geschehen dort sehr seltsame Dinge, häufig verbunden mit der Verletzung von Menschenrechten. Verletzt werden nicht nur die Rechte des irakischen Volkes, sondern auch die von Hunderten Soldaten, die unter dem Vorwand, für Sicherheit und Befriedung des Iraks zu sorgen, dorthin geschickt wurden, aber in Wirklichkeit für die Verlängerung des bewaffneten Konfliktes missbraucht werden. In diesem Rahmen gibt es auch Unternehmen die unter dem Vorwand des Wiederaufbaus als Sicherheitsdienstler auftreten und zum Beispiel Ölfelder sichern. Ich kann allerdings nicht sagen, dies oder jenes Unternehmen beschäftigt Söldner, da fehlt es an Information.
Genügt das bestehende Völkerrecht aus, um das Phänomen zu regulieren?
Nein. Es gibt zwar ein sehr gutes Gesetz in Südafrika, das es Südafrikanern verbietet, in Militärfirmen zu arbeiten, die Privatarmeen aufstellen. Es gab einen Gesetzesentwurf in Großbritannien. Aber es gibt keine internationale Regelung. Ich untersuche das Thema der privaten Sicherheitsfirmen seit 1996 und habe darauf hingewiesen, dass sie sehr gefährlich sein können, da sie gesetzliche Lücken im internationalen Recht ausnutzen.
Lesen Sie im zweiten Teil, warum es zwischen Terroristen und Söldnern eine Verbindung gibt.
Wie steht die UNO im Moment zu dieser Situation?
Ich werde mein Mandat in diesem Jahr nach 17 Jahren beenden. Ich habe einige Vorschläge bezüglich der privaten Sicherheitsfirmen gemacht, zum einen auf der Ebene des Menschenrechtsausschusses der UNO und zum anderen vor der Generalversammlung. Zunächst hat man meine Einschätzungen nicht berücksichtigt, doch in den letzten Resolutionen haben sowohl die Generalversammlung als auch der Ausschuss dieses Thema mit aufgenommen und meine Position unterstützt. Was fehlt, ist ein politischer Wille gemeinsam mit der UNO eine größere operative Handlungsfähigkeit auf diesem Gebiet zu ermöglichen.
In Ihrem letzten Bericht haben Sie davon gesprochen, dass es eine Verbindung zwischen Söldnertum und Terrorismus gibt. Was genau haben Sie damit gemeint?
Gemeinhin geht man davon aus, dass Terror von Fanatikern ausgeübt wird, die die Wertschätzung ihrers eigenen Lebens und das anderer verloren haben. Das ist gut möglich. Aber es ist auch folgendes denkbar: Wenn eine Gruppe das Ziel verfolgt, möglichst viel Terror zu verbreiten, dann braucht diese Gruppe dafür militärisches Fachwissen, über das ein Fanatiker nicht verfügt. Terrorismus ist häufig mit dem Drogenhandel verflochten und die Terror-Organisationen verfügen über so viele finanzielle Mittel, die es ihnen ermöglichen, sich von Experten für Terrorakte ausbilden zu lassen. Diese Möglichkeit ist realistisch. Aus der Betrachtung verschiedener Terroranschläge kann man schließen, dass Terroristen für ihre Planung und Training Söldner anheuerten.
Zum Beispiel?
Ich habe keinen Beweis, aber denkbar ist auch das: Die genaue Betrachtung der Anschläge des 11. September lässt vermuten, dass die Täter offensichtlich militärisch geschult worden sind und dass sie dieses militärische Training, nicht von Al-Kaida sondern von Leuten mit militärischen Fachkenntnissen in den USA selbst erhalten haben könnten. Wir wissen noch sehr wenig über den Terrorismus. Die internationalen Organismen müssen verstehen, dass terroristische Organisationen sehr viel intensiver untersucht werden müssen und zwar mehr über strategische Geheimdienstarbeit und Infiltration als über Krieg.
Sie haben 17 Jahre als Berichterstatter gearbeitet. Ist Afrika weiter Tummelplatz für Söldner?
Seit Mitte 2002 werden zum Beispiel immer wieder Söldneraktivitäten an der Elfenbeinküste angezeigt. Aber grundsätzlich gilt: Jeglicher bewaffneter Konflikt zieht Söldner unterschiedlicher Coleur an. Nehmen Sie Kolumbien, auch hier gibt es Söldner. Es ist offensichtlich, dass die FARC-Rebellen Söldner angeheuert haben, um Waffen zu kaufen und zu transportieren. Ein bekannter Fall ist die Aktion jordanischer und russischer Söldner, die über FARC-kontrolliertem Gebiet mindestens 10.000 Gewehre neuester Generation abwarfen.
Der Peruaner Enrique Bernales Ballesteros ist seit 1987 Berichterstatter der Vereinten Nationen für das Söldnerwesen. Sein Mandat endet offiziell im August 2004. Der Sonderberichterstatter ist beim Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) angesiedelt.