"Friedensdialog verzögert sich"
29. Oktober 2014DW: Frau Samba-Panza, Sie haben kürzlich in einer Rede an die Nation angekündigt, dass Sie die Armee der Zentralafrikanischen Republik wieder aufbauen wollen. Ihr Land liegt aber finanziell am Boden. Wie wollen Sie das schaffen?
Catherine Samba-Panza: Das Land hat zwar Probleme, aber Sie wissen, dass eine nationale Armee für die Souveränität eines Staates essentiell ist. Unsere Armee soll den Frieden und die Entwicklung des Landes garantieren. Man investiert in die Armee, damit sie die Bevölkerung schützen kann. Die Menschen leiden unter der Instabilität - und deshalb haben wir eine Einheit gegründet, die im Notfall schnell intervenieren kann. Diese Eingreiftruppe soll der Anfang einer neuen, republikanischen, professionellen Armee sein. Und diese Armee soll alle Bevölkerungsgruppen repräsentieren: regional, konfessionell und ethnisch.
Vor dem "nationalen Übergangsrat", dem CNT, haben Sie auch versprochen, künftig hart gegen Straflosigkeit in Ihrem Land vorzugehen. Wegen der Sicherheitslage gibt zurzeit aber gar keine funktionierende Justiz. Wie wollen Sie das ändern?
Mir sind die Schwierigkeiten des Rechtssystems bewusst. Die Gefängnisse wurden zerstört, die Gerichtsgebäude geplündert und viele Richter haben das Land verlassen. Die wenigen Beamten, die noch da sind, leben in Angst. Aber wir werden durch ein Abkommen mit der MINUSCA (Anm. d. Red.: die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in der Zentralafrikanischen Republik) Unterstützung bekommen, etwa bei der Ausbildung von Personal und bei der Wiederherstellung des Strafrechts. Vor allem haben wir einen Teil unserer Souveränität aufgegeben und akzeptiert, dass ausländische Richter gemeinsam mit unseren Richtern arbeiten dürfen. Die Chefanklägerin des Weltstrafgerichts hat Ermittlungen wegen Gräueltaten während des Bürgerkriegs in der Zentralafrikanischen Republik eingeleitet, nachdem wir die Hilfe des Internationalen Strafgerichtshofs gefordert haben. Das zeigt, wie sehr wir bereit sind, gegen Straflosigkeit vorzugehen, trotz aller Schwierigkeiten.
Die mehrheitlich muslimischen Séléka-Rebellen sind noch überall im Land präsent. Auch die christlich dominierten Anti-Balaka-Milizen attackieren die Hauptstadt Bangui so oft sie können. Warum ist es so schwierig, diese Gruppen zu entwaffnen?
Die französischen, europäischen und internationalen Truppen hatten den Auftrag, die Guerilla-Gruppen zu entwaffnen. Trotz des starken Mandats der UNO hatten sie Schwierigkeiten diese Aufgabe zu bewältigen. Den Gruppierungen ist es gelungen sich wieder zu bewaffnen, weil auch viele unserer Nachbarländer von Konflikten heimgesucht werden, wie der Sudan oder der Südsudan. Das fördert den illegalen Waffenhandel. Dagegen können wir allein nicht ansteuern. Deshalb haben wir uns an die Afrikanische Union (AU) und die MINUSCA gewandt, denn die UNO hat bessere Mittel, um gegen den illegalen Waffenhandel vorzugehen.
Am Rande der UNO-Generalversammlung hatten Sie Bedenken geäußert, dass der Wahltermin im Februar 2015 eventuell nicht eingehalten werden kann. Aber neulich haben Sie wieder betont, dass die Zeit ihrer Übergangsregierung im Februar endet. Wie passt das zusammen?
Vor einem Monat hat der Präsident der Nationalen Wahlbehörde in einem Interview von objektiven Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Wahl gesprochen. Er hat finanzielle und politische Zwänge erwähnt. Als ich gefragt wurde, habe ich die gleichen Bedenken geäußert. Dann hieß es plötzlich, dass ich keine Wahlen wünsche. Dabei habe ich nur genau die gleichen Bedenken geäußert wie der Kollege.
Sie haben angekündigt, dass Sie ein Versöhnungskomitee gründen wollen. Wie genau soll das aussehen und von wo aus soll es arbeiten?
Die Versöhnung sollte an der Basis stattfinden, angesichts der Zerrissenheit der zentralafrikanischen Gesellschaft. Die zweite Etappe wäre die Sorgen der Bevölkerung landesweit zu erfassen. Danach könnte der Dialog starten. Wir haben zwei Monate durch die politischen Turbulenzen verloren. Wenn es so weitergeht, dann werden wir nicht vor 2015 mit diesem politischen Dialog beginnen können. Daher habe ich vorgeschlagen, ein Vorbereitungskomitee zu gründen, das die politische, ethnische und religiöse Vielfalt der Gesellschaft repräsentiert. Dieses Komitee sollte entscheiden, ob die beiden Ex-Präsidenten Francois Bozizé und Michel Djotodia am politischen Dialog teilnehmen dürfen.
Und trotzdem gibt es immer wieder Kritik, dass Ihre Regierung nicht alle Teile der Gesellschaft repräsentiert…
Alle politischen Kräfte wurden einbezogen. Wir haben ungefähr 60 politische Parteien im Land. Viele haben sich zusammengeschlossen, sonst hätten wir eine Regierung von 150 Personen gehabt. Zurzeit haben wir vier Mitglieder der Séléka in der Regierung. Wenn ich Vorwürfe höre, dass die Regierung nicht repräsentativ ist, dann kann ich nur sagen: Das stimmt nicht.
Was erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft, besonders von Deutschland?
Deutschland ist Mitgliedstaat der Europäischen Union und die wiederum arbeitet sehr aktiv an unserer Seite. Die EU hat Truppen geschickt und leistet eine gute Entwicklungshilfe. Deutschland ist ein wichtiges Land in Europa und wir zählen darauf, dass es sich noch mehr engagiert. Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel habe ich ihr gesagt, dass sie auch in Afrika ein Vorbild für viele Frauen ist. Und dass ich auf die Solidarität zwischen Frauen setze - und auf ihre Unterstützung bei meiner schwierigen Mission. Ich habe auch den Wunsch geäußert, nach Deutschland zu kommen.
Können Sie den Zentralafrikanern denn versprechen, dass die Krise im Land bald beendet ist?
Ich bin - wie die Feuerwehr - im Notfall hier angetreten, um die Lage zu beruhigen. Die Zentralafrikaner haben viel Hoffnung in mich gesetzt und ich darf sie nicht enttäuschen. Ich werde alles tun, um Frieden, Sicherheit und besonders Entwicklung zu garantieren. Denn diese Krise ist in erster Linie eine Entwicklungs- und Armutskrise.
Frau Samba-Panza, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Eric Topona.
Catherine Samba-Panza ist seit 20. Januar 2014 Interimspräsidentin der Zentralafrikanischen Republik. Zuvor war sie fast ein Jahr lang Bürgermeisterin der Hauptstadt Bangui, eingesetzt vom damaligen de facto Präsidenten Djotodia.