Samba-Panza: "Wir brauchen Geld"
26. Januar 2014DW: Frau Präsidentin Samba-Panza, Sie haben ein Jahr, um Wahlen in der Zentralafrikanischen Republik zu organisieren – reicht diese Zeit aus?
Samba-Panza: Das war die Frist, die uns die internationale Gemeinschaft gesetzt hat. Wir sind verpflichtet, diese Frist einzuhalten, schon um unsere eigenen Verpflichtungen einzuhalten, die wir uns vor einem Jahr in Libreville auferlegt haben. Priorität wird dabei haben, die Behörde arbeitsfähig zu machen, die die Wahlen organisieren soll. Das ist natürlich schwierig, denn die Verwaltung liegt im ganzen Land am Boden, darunter auch die Behörden, die lokal für die Wählerregister zuständig sind. Wir müssen also zuallererst die nationalen und örtlichen Behörden wieder funktionsfähig machen, um den Wahlprozess anzugehen.
Als Sie gewählt wurden, hatten viele die Hoffnung, dass die Gewalt ein Ende findet. Doch es gibt weiterhin gewaltsame Übergriffe. Wie wollen Sie vorgehen, um den Konflikt zu beenden?
Gleich nach meiner Wahl haben mir die verschiedenen Gruppen Unterstützung signalisiert. Sowohl die Anti-Balaka als auch die Seleka haben sich bereit erklärt, die Kampfhandlungen einzustellen und mir in meiner Mission zu helfen. Ich habe die Verantwortlichen von Seleka und Anti-Balaka getroffen, und sie bedauern, was passiert ist. Aber es gibt viele Menschen, die sich den Bewegungen angeschlossen haben und nun nicht mehr kontrolliert werden können. Seit gestern überlegen wir gemeinsam, wie wir vorgehen müssen, wie wir sie wieder unter Kontrolle bringen können. Denn ob Seleka oder Anti-Balaka – es geht hier um einen großen Teil der Bevölkerung, Söhne und Töchter dieses Landes, Menschen, die aus verschiedenen Gründen zu den Waffen gegriffen haben. Ich bin gekommen, um zu versuchen, sie wieder zur Vernunft zu bringen. Um zu versuchen, ihnen zu vermitteln, dass sie alle bestimmte Forderungen hatten, aber dass diese Forderungen mit meiner Wahl keine Daseinsberechtigung mehr haben. Sondern dass wir alle zusammenarbeiten müssen für unser Land. Das heißt aber nicht, dass es Straflosigkeit geben wird: Wem nachgewiesen werden kann, dass er Massaker verübt hat, der kommt vor Gericht.
Es heißt bisweilen, Frankreich habe Sie in Ihre Position gebracht…
Das sehe ich nicht so. Es ist eher eine Strömung im Land – Männer, Frauen, junge Leute aus der ganzen Gesellschaft, die mich an die Macht getragen haben. Sie hatten schon seit mehreren Jahren versucht, mich ins höchste Staatsamt zu bringen – aber ich habe mich immer gewehrt. Nach dem Rücktritt des Präsidenten Djotodia aber ist diese Strömung wieder aktiv geworden. Daraufhin wurde – ob nun von Frankreich oder den Ländern der Region – meine Person unter die Lupe genommen und festgestellt, dass ich geeignet bin. Sie haben mich also ermutigt, mich um das Amt zu bewerben.
Gestern haben Sie Ihren Premierminister ernannt, André Nzapayeke. Nach welchen Kriterien werden die Regierungsmitglieder ausgewählt?
Es gelten dieselben Kriterien wie für die Wahl des Premierministers: Kompetenz, Aufrichtigkeit. Aber seien wir realistisch: Wir sind hier in einem politischen Kontext, da muss man bestimmte Sensibilitäten und Strömungen beachten: Wer ausgeschlossen ist, ist frustriert und wird sich vielleicht bewogen fühlen, wieder zu den Waffen zu greifen. Wenn ich also das Land einen möchte, muss ich alle Kräfte der Nation einbinden und gewisse Sensibilitäten berücksichtigen.
Ihr Premierminister ist nicht nur Banker, sondern auch Sozialanthropologe. Absicht oder glücklicher Zufall?
Ich habe mir seinen Background genau angesehen: seine Persönlichkeit, seine Erfahrungen und so weiter. Als Sozialanthropologe versteht er die Probleme der zentralafrikanischen Gesellschaft. Er hat lange für die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) gearbeitet, und arbeitet jetzt für die Bank der zentralafrikanischen Staaten (BDEAC). Er kennt sich im internationalen Bankensektor aus. Aus dieser Erfahrung werden wir Kapital schlagen. Zudem gehört er keiner politischen Partei an. Er und ich können unsere Entscheidungen also ohne größere Zwänge treffen.
Wollen Sie in Ihrem Kabinett einen Posten für Minister für Versöhnung schaffen – wie im ebenfalls krisengeschüttelten Mali?
Ja. Allerdings wird es kein Minister ausschließlich für Versöhnung werden. Er wird ein Aufgabengebiet haben, an das sich die nationale Versöhnung anlehnen lässt. Denn wir müssen den Willen zur Versöhnung bekräftigen, indem wir damit eine spezielle Abteilung beauftragen.
Seit Monaten bemühen sich die religiösen Führer der Zentralafrikanischen Republik, die Menschen miteinander zu versöhnen. Bislang mit wenig Erfolg. Woher kommt dieser tiefe Hass?
Wir haben es im Moment vor allem mit Kräften zu tun, die außer Kontrolle geraten sind. Denn es gibt ja hier in Bangui und im ganzen Land Initiativen zur Versöhnung zwischen den muslimischen und christlichen Gemeinschaften. Bislang gelingt es uns nicht, diese anderen Kräfte zu beherrschen. Wir sind im Gespräch mit den Anti-Balaka, damit sie die Ordnung in ihren Reihen herstellen. Das ist wichtig, und darüber haben wir gestern lange gesprochen. Es gibt Vorschläge, wie man die Leute, die aus den Provinzen gekommen sind, um sich den Milizen anzuschließen, dazu bringt zurückzugehen. Denn diese Leute haben hier nichts zu tun, kein Geld zum Überleben und werden zu Banditen. Hinzu kommen Extremisten. Das muss alles wieder in die richtigen Bahnen geleitet werden. Wir werden das schrittweise angehen. Ich versichere Ihnen, dass ich die Unterstützung der Gruppen habe. Sie nennen mich "Mama" und versichern mir, dass sie diese Taten bedauern und deren Urheber identifizieren werden. Und das werden sie auch tun. Die Dinge sind außer Kontrolle geraten, bevor ich an die Staatsspitze gewählt wurde. Aber mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft werden wir Verteidigungs- und Sicherheitskräfte aufstellen, denen es gelingt, die Ordnung wiederherzustellen.
Die Europäische Union hat angekündigt, 500 Soldaten zu schicken. Reicht das?
Vielleicht reicht es nicht aus. Aber es wird trotzdem eine große Unterstützung sein. Denn die Truppen, die bislang hier sind, werden es allein nicht schaffen, die Ordnung in Bangui und im ganzen Rest des Landes wiederherzustellen. Wir brauchen mehr Truppen – und daher ist uns das Engagement der EU sehr willkommen.
Was erwarten Sie von Deutschland?
Deutschland gehört zu Europa. Der französische Präsident Hollande ist dabei, die Länder der Europäischen Union zu mobilisieren, damit sie ihre Unterstützung für die Zentralafrikanische Republik ausweiten und sich an der Seite Frankreichs engagieren. Ich spüre den Willen dazu und es hat ja auch schon Versprechungen gegeben. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass das bald konkreter wird. Von Deutschland – einem wichtigen Player in der Europäischen Union – erwarte ich eine bedeutende Unterstützung: im humanitären Sektor, was die Sicherheit angeht und auch finanziell. Denn wenn ich die Verwaltung wieder in Gang bringen möchte, brauche ich finanzielle Hilfe: um Gehälter und Pensionen zu bezahlen und neue soziale Spannungen zu vermeiden. Denn wenn ich meine Amtszeit schon mit sozialen Spannungen anfange, haben wir bald noch mehr Schwierigkeiten. Deutschland könnte auch helfen, die Radios im Inneren des Landes wieder aufzubauen und auch in Bangui einen Sender aufzubauen. Das wäre gut.
Sie haben lange für eine deutsche Versicherung gearbeitet – haben also auch eine persönliche Beziehung zu Deutschland …
Ja! Und ich hatte das Glück, einmal für einen Monat nach Deutschland eingeladen zu werden. Ich habe mir den Bundestag und mehrere deutsche Städte angesehen. In einem Land gewesen zu sein, in einem Land gelebt zu haben und dort in allen Ehren aufgenommen worden zu sein, das schafft ein starkes Band zu diesem Land, das prägt. Ich glaube, die Beziehungen zu Deutschland könnten sogar noch ausgebaut werden, wenn Deutschland mich in meiner Arbeit begleiten möchte.
Das Interview führten Dirke Köpp und Kossivi Tiassou.