Sanktionen gegen die Ukraine?
13. Dezember 2013Wegen der Versuche der ukrainischen Staatsmacht, die Proteste gegen die Regierung gewaltsam aufzulösen, sind in der EU und in den USA Stimmen laut geworden, die Sanktionen gegen Kiew fordern. Unter ukrainischen Experten gibt es Befürworter, aber auch Gegner von Strafmaßnahmen gegen Präsident Viktor Janukowitsch und Mitglieder der Regierung unter Premierminister Mykola Asarow.
Diese hatten Ende November kurz vor dem Gipfel der EU-Ostpartnerschaft im litauischen Vilnius auf Druck Russlands ein fertig ausgehandeltes Assoziierungsabkommen ihres Landes mit der EU auf Eis gelegt. Seitdem gehen in der Hauptstadt Kiew, aber auch in vielen anderen Städten des Landes Hunderttausende auf die Straßen. Sie fordern die EU-Integration der Ukraine.
Zwischen Zuckerbrot und Peitsche
Die EU-Staats- und Regierungschefs sollten gegenüber der jetzigen ukrainischen Führung besser auf Zuckerbrot als auf Peitsche setzen, meint Iryna Bekeschkina. Sie ist Leiterin der Stiftung "Demokratische Initiativen" in Kiew. "Europäisches Zuckerbrot" wäre für Präsident Janukowitsch eine Finanzhilfe. Doch das Geld sollte an konkrete Programme gebunden werden, meint Bekeschkina. Nur dann könnten die Mittel zweckmäßig verwendet werden, sagte sie der Deutschen Welle.
"Die Peitsche bedeutet gleich Strafen und das beendet jeden Dialog", warnt die Expertin. Doch ganz lehnt sie Sanktionen nicht ab. Diese sollten allerdings nur gezielt verhängt werden. "Sanktionen der EU halte ich gegen den Innenminister Vitali Sachartschenko und diejenigen für angebracht, die unmittelbar an der gewaltsamen Auflösung friedlicher Proteste beteiligt waren", so Bekeschkina.
Sanktionen schon lange überfällig?
Andere Experten halten nichts von einem Dialog mit der Führung in Kiew. So betont Wolodymyr Horbatsch vom ukrainischen Institut für Euro-Atlantische Zusammenarbeit, alle bisherigen Bemühungen, auf Janukowitsch einzureden, seien vergeblich gewesen. Das gelte auch für alle Versuche, mit Zuckerbrot auf ihn einzuwirken. Brüssels Strategie, Janukowitsch zu "befrieden", sei der falsche Weg, sagte er der DW.
Spätestens in Vilnius habe man das wahre Gesicht des Janukowitsch-Regimes erkennen können. Die EU hätte längst Maßnahmen ergreifen müssen, um ein gewaltsames Vorgehen der ukrainischen Behörden gegen friedliche Bürger zu verhindern, meint Horbatsch. "Sanktionen gegen bestimmte Personen hätten die jetzige Entwicklung der Ereignisse verhindert", so der Experte. Doch die europäischen Politiker hätten das Wort "Sanktionen" nicht in den Mund nehmen wollen. Sie würden befürchten, den Kontakt zu Janukowitsch komplett zu verlieren. Zu groß sei die Angst, dass Janukowitsch die Ukraine dann wieder nach Russland führt.
EU darf nicht das Volk strafen
Eine Politik gegenüber der jetzigen ukrainischen Führung, die die beiden Strategien kombiniert - Zuckerbrot und Peitsche - empfiehlt der ukrainische Politologe Viktor Neboschenko. So könnte die EU am besten auf die ukrainische Führung einwirken. Der Experte fordert Sanktionen gezielt gegen bestimmte Personen. "Man könnte die Herkunft von Wertpapieren, Immobilien und Bankguthaben ukrainischer Staatsvertreter im Ausland überprüfen", sagte er der DW. Denn so mancher Politiker kombiniere "die schwere Last des Dienstes am Volk mit unglaublichem Luxus im Westen".
Auf keinen Fall sollten Sanktionen der EU die Menschen in der Ukraine treffen. Im Gegenteil, sie bräuchten jetzt ein positives Zeichen. So rät Neboschenko den Führern der ukrainischen Oppositionsparteien, sich bei der EU dafür einzusetzen, den Teilnehmern der Proteste eine visafreie Einreise in die Schengen-Staaten zu ermöglichen. "Es ist klar, dass es sehr schwierig ist, das technisch umzusetzen. Es ist auch klar, dass sofort die Hälfte der Einwohner Kiews und der Westukraine zu dieser Kategorie gehören würde", sagte er. "Aber das wäre ein starkes politisches Signal an die ukrainische Gesellschaft, dass diejenigen, die auf dem Maidan stehen, von Europa gehört werden", so Neboschenko.