Ruine Olympiadorf
17. Februar 2009Mit dem markanten Schrei von Maskottchen Vucko, dem Wolf, lud Sarajevo 1984 knapp 1.300 Sportlerinnen und Sportler aus 49 Ländern zum olympischen Winterwettstreit ein. Innerhalb von sechs Jahren waren in der Stadt und auf dem im Südwesten angrenzenden Berg Igman fast alle Sportanlagen dafür komplett neu erbaut worden. Eigentlich perfekt vorbereitet, brachten Schnee in rauen Mengen und heftiger Wind die Veranstalter pünktlich zum Beginn der Spiele aber arg ins Schwitzen. Der Zeitplan drohte durcheinander zu geraten und immer wieder mussten Wettkämpfe unterbrochen werden.
Einer, der sich davon nicht beeindrucken ließ, war der bayerische Biathlet Peter Angerer. Für den damals 24-Jährigen fiel der Neuschnee vor seinem 20-Kilometer-Rennen gerade recht – mit großem Vorsprung sicherte er sich die Goldmedaille. „Für mich war es auf alle Fälle das Beste, dass der Wettkampf gestartet worden ist. Denn das waren meine Verhältnisse und für mich hat an diesem Tag alles gepasst. Die Form war da und die Einstellung stimmte. Dass ich dann relativ überlegen gewonnen habe, damit konnte ich aber nicht rechnen“, so Angerer im Rückblick.
DDR mit neunmal Gold stärkste Nation
Er gewann außerdem Silber über die zehn Kilometer, dazu Bronze mit der Staffel. Damit sorgte er alleine für drei von insgesamt vier bundesdeutschen Medaillen. Nurdie Rodel-Doppelsitzer steuerten mit Gold noch eine weitere hinzu. Alles in allem also eine enttäuschende Vorstellung der Bundesrepublik.
Viel besser lief es für die damalige DDR, die mit neun Goldmedaillen die Nationenwertung klar vor Russland und den USA gewann. Vielleicht hatte damals ja die ungewöhnliche Anreise nach Sarajevo den Teamgeist gestärkt. Skispringer Jens Weissflog erinnert sich: „Die Fahrt dorthin war etwas Besonderes. Wir sind von Oberhof aus mit dem Zug dorthin gefahren, was alleine schon eine kleine Weltreise war. Heute ist das gar nicht mehr denkbar, mit einem Zug zu Olympischen Spielen zu fahren. Die Fahrt damals dauerte glaube ich 36 Stunden.“
Das Duell Weissflog gegen Nykänen elektrisiert Skisprungfans
Für den Thüringer war das offensichtlich nicht zu lang. Bei seinen ersten Olympischen Spielen gewann er auf der Großschanze Silber hinter dem Finnen Matti Nykänen. Auf der Normalschanze drehte er dann den Spieß um und holte Gold: „Ich lag nach dem ersten Durchgang nur auf Platz zwei hinter Nykänen. Und sein Sprung im zweiten Durchgang war der Entscheidende. Ich stand ungefähr auf der Höhe, wo Nykänen gelandet ist, also bei rund 84, 85 Metern. Und neben mir stand Ulrich Wehling, der damalige Mannschaftsleiter, und der sagte mir immer “Es reicht, es reicht, es reicht“. Ich zweifelte aber noch und wollte erst warten, bis das Ergebnis auf der Anzeigetafel erschien. Und als es dann soweit war, war der Jubel bei mir natürlich groß.“
Weitere herausragende Leistungen konnten die Zuschauer im Zetra-Eispalast bewundern. Dort lieferten beispielsweise die Briten Jayne Torvill und Christopher Dean zu Maurice Ravells „Bolero“ in der Kür eine perfekte Vorstellung ab. Neunmal zogen die Kampfrichter für sie die Traumnote 6,0. An gleicher Stelle triumphierte Katarina Witt und gewann die erste von insgesamt zwei olympischen Goldmedaillen ihrer Karriere.
Der Bosnienkrieg schockiert auch ehemalige Olympioniken
Acht Jahre später war jedoch alle Freude über die friedlichen Spiele verflogen, als am 5. April 1992 der Bosnienkrieg in Sarajevo ausbrach. Vier Jahre lang bekriegten sich in der 300.000-Einwohner-Stadt und auf den Hügeln ringsherum Serben, Kroaten und Bosnier. Fast 11.000 Tote, darunter 1.600 Kinder, zeugen vom schwärzesten Kapitel der Stadtgeschichte. Beim Blick auf das Olympiagelände fallen einem heute riesige Gräberfelder ins Auge.
Die verfallenen Sportanlagen und noch immer vermintes Gelände auf dem Olympia-Berg Igman sind weitere traurige Hinterlassenschaften des Krieges. Dessen Sinn kann auch Peter Angerer bis heute nicht verstehen: „Ich habe damals in den Nachrichten Bilder gesehen, wie das Olympische Dorf gebrannt hat, oben am Berg Igman. Da denkt man schon nach, was der ganze Wahnsinn soll. Und später habe ich die Fotos gesehen, wo man die komplett zerstörten Sprungschanzen sieht. Ein solcher Krieg ist so schwachsinnig, das ist unbeschreiblich.“
Jetzt, 13 Jahre nach dem Kriegsende, gibt es zwar wieder Wintersport in den Bergen rund um Sarajevo und es kommen auch Touristen zurück in die Stadt. Von der Landkarte großer, internationaler Sportveranstaltungen bleibt Sarajevo aber weiter verschwunden.