Sarkozy macht sich unbeliebt
28. Februar 2008"Terminschwierigkeiten" - mit diesem diplomatischen Euphemismus hat Paris gleich zwei deutsch-französische Treffen platzen lassen. Am Dienstag (26.2.2008) sollte Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde ihren deutschen Kollegen Peer Steinbrück empfangen. Doch Le Président wollte es anders: Er nahm die Ministerin lieber mit auf eine Unternehmens-Stippvisite durch die Provinz. Denn am 9. März und 16. März sind Kommunalwahlen in Frankreich. Und da hat bilaterale Beziehungspflege hinten anzustehen, so scheint es. Den lange geplanten inoffiziellen Gipfel zwischen Bundeskanzlerin Merkel und Nicolas Sarkozy am 3. März im deutschen Straubing hatte der Franzose schon vor Tagen um drei Monate verschieben lassen.
Getrübte Stimmung zwischen Paris und Berlin
Auf diplomatischer Ebene versucht man die Bedeutung der Absagen klein zu reden. Doch dass es nicht zum Besten bestellt ist zwischen Paris und Berlin, ist kein Geheimnis. Die deutsche Kanzlerin ist nach wie vor verstimmt wegen Sarkozys "Mittelmeer-Union". Ursprünglich gedacht als eine Art Trostpreis an die Türkei, die Sarkozy nicht in der EU haben will, ist es Frankreichs Präsident ernst mit dem Projekt. Frankreich spalte damit die EU und wolle einen europäischen Führungsanspruch, so hingegen die Bedenken Deutschlands. Die werden wohl auch nicht ausgeräumt, indem Sarkozy die Mittelmeer-Anrainer am 13. Juli nach Paris lädt - just einen Tag bevor die restlichen EU-Regierungschefs anreisen dürfen, um Frankreichs Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft zu würdigen.
Von einem Fettnäpfchen ins nächste
Nicht nur in Berlin sorgt der eigenwillige Franzose seit seinem Wahlsieg am 6. Mai 2007 bis heute für Irritationen. Im Januar dieses Jahres versprach er französischen Fischern, als EU-Ratspräsident die Fangquoten der EU abzuschaffen. Dabei hatte Frankreich erst wenige Wochen zuvor das Gesetz zum geregelten Fang mit unterzeichnet. Landwirtschaftsminister Michel Barnier hatte daraufhin Mühe, die Wogen zu glätten.
Anfang Februar tadelte EU-Kommissionspräsident Barroso die französische Regierung für ihre mangelnden Sparanstrengungen. Ebenfalls zu Beginn des Monats brachten französische Diplomaten die Idee eines Assoziierungsabkommens mit der Ukraine in Umlauf, berichtet das deutsche Wochenblatt "Die Zeit". Dabei sind sämtliche Spekulationen über eine wie auch immer geartete EU-Osterweiterung gerade Tabu.
Die Schweiz, Kanada und Belgien sind erbost, weil Sarkozy TV 5 Monde in eine rein französische Holding integrieren will. An dem frankophonen Sender sind die Partnerländer immerhin zu einem Drittel beteiligt. Das Linksblatt "Libération" schreibt in diesem Kontext vom "arroganten Schmettern des gallischen Hahns."
"Sarkozys Außenpolitik ist Innenpolitik"
Für den Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg muss eine Bewertung von Sarkozys Außenpolitik den Druck berücksichtigen, unter dem er im Inland stehe. "Es sind nur noch Wochen bis zu den Kommunalwahlen. Wenn er dort mit seiner Partei eine Schlappe erleidet, ist es mit seiner Popularität ganz dahin", sagt Frank Baasner. Weil Sarkozy außerdem alles selbst machen wolle, erhöhe das den Druck noch.
Eine klare außenpolitische Linie sei bisher nicht zu erkennen, so der Frankreich-Spezialist: "Überspitzt formuliert: Französische Außenpolitik unter Sarkozy ist bis auf weiteres Innenpolitik." Mit einer Armeebasis am persischen Golf zeige er den Franzosen, dass die Atom- und UN-Vetomacht Frankeich auch weiterhin eine eigenständige Militärpolitik machen kann. Bei der Politik gegenüber Libyens Staatschef Gaddafi gehe es vor allem darum, der französischen Atomwirtschaft Aufträge zu verschaffen.
Ist 'Sarko' der neue de Gaulle?
Alleingänge und Omnipotenz-Gehabe, die Kardinalvorwürfe gegen Nicolas Sarkozy, mussten sich auch frühere französische Präsidenten gefallen lassen, allen voran Charles de Gaulles. Der General der Résistance und erste Staatschef der Fünften Republik machte Frankreich zur von den USA unabhängigen Atommacht. 1962 forderte er ein "Europa der Vaterländer" unter der Führung Frankreichs.
Die heilende Macht der Realität
Auch Instituts-Direktor Baasner sieht Kontinuitäten. Die Idee, das Europa eine Art verlängerter Arm Frankreichs ist, sei tief verwurzelt und nicht leicht aus dem Bewusstsein zu tilgen. "Was aber selbst viele Franzosen überrascht, ist die Kaltschnäuzigkeit, beinahe Aggressivität, im Stil." Das passe nicht mit dem Bild von einem Staatspräsidenten der Fünften Republik zusammen, sagt Frank Baasner und bleibt vorsichtig optimistisch. Etliche Präsidenten in Europa - auch deutsche Kanzler - seien zunächst durch Krisen gegangen, bevor sie eine Erdung gefunden hätten. Deshalb könne sich auch bei Sarkozy eine Art Läuterungsprozess einstellen, "einfach durch die Macht der Realität."