Finanzkapitalismus adé
27. Januar 2010Seine Generalprobe für Davos hatte Nicolas Sarkozy am Montag im französichen Fernsehen. Eine ganze Sendung lang Sarko pur haben sich fast neun Millionen Franzosen auf dem Privatsender TF1 angeschaut. Immer wieder nutzte er die Talkshow für Tiraden gegen die Banken, die stärker reguliert werden müssten.
Und genau da machte Sarkozy am Mittwoch (27.01.2010) auf dem Weltwirtschaftsforum weiter. Diesmal saßen die Adressaten, die Top-Banker, im Publikum, im großen Saal des Kongress-Centers von Davos.
Sarkozys Botschaft an sie ist unmissverständlich: Wenn Boni bei Gewinnen gezahlt werden, dann sei das in Ordnung, so der Präsident. "Aber wenn Verluste gemacht werden, gibt es doch niemanden, der mir vormachen kann, dass man nicht ein Malus-System einführen könnte. Es ist eine winzige Minderheit, die in den Augen der Internationalen Gemeinschaft ein System zerstört, das sich bewährt hat".
Banker sind "not amused"
Die Reaktion auf diese scharfen Worte sind, milde gesagt, zurückhaltend. Nur einmal gab es während seiner Rede Zwischen-Applaus, was der Präsident auch sofort süffisant aufgriff: "Ich danke den zwei Personen, die hier Beifall gespendet haben."
Aber Nicolas Sarkozy ging es in seiner Rede nicht um eine reine Boni-Schelte. Nein, ihm, dem französischen Präsidenten, der 40 Minuten lang frei und fast immer etwas aufgebracht sprach, ging es um das Grundsätzliche. Welche Rolle soll die Marktwirtschaft spielen? Ist sie Selbstzweck oder sollte sie nicht vielmehr den Menschen dienen?
Finanzkapitalismus tritt die Werte des Kapitalismus mit Füßen
Auch hier fand er scharfe Worte: "Es geht nicht darum, dass wir den Kapitalismus abschaffen, wir müssen uns aber entscheiden, welchen Kapitalismus wir haben wollen." Zurzeit gebe es eine Entartung des Kapitalismus, so Sarkozy. "Kapitalismus beruht auf Werten. Der Finanzkapitalismus ist eine Abart, der die Werte des Kapitalismus mit Füßen tritt."
In diesem Zusammenhang kritisierte der Präsident Gewinne, die in keinem Verhältnis mit geschaffenen Werten ständen, sondern lediglich Resultat von Spekulationen auf den Finanzmärkten seien. In diesem System sei es für die Banken einfacher, mit fremdem Geld zu spekulieren, als Unternehmen Kredite zu geben. Und das müsse sich ändern, so der Präsident.
Ganz neu sind diese Thesen nicht, im Gegenteil. Nur bringt Sarkozy sie weitaus drastischer vor als die meisten führenden Politiker nach der Finanzkrise.
"Wir brauchen ein neues Bretton Woods"
Aber der französische Präsident hat auch eine These dabei, die noch nicht so oft zu hören war. Man müsse Ungleichheiten in der Weltwirtschaft abbauen. Länder dürften in Zukunft nicht viel mehr exportieren, als sie importieren.
Eine Ursache für diese Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft seien die Währungen, genauer Währungsschwankungen. "Die Unterbewertungen bestimmter Währungen verhindern fairen Handel", dozierte Frankreichs Präsident. "Man kann doch nicht immer die Währungen anpassen. Das ist doch Manipulation."
Sarkozy kündigte an, gegen diese Manipulationen vorzugehen. Er forderte ein neues Bretton Woods, ein neues Weltwährungssystem. Das will der Präsident selbst voranbringen, wenn er ab 2011 den Vorsitz der G8 übernimmt.
40 Minuten sprach der Präsident gegen einen in seinen Augen entarteten Kapitalismus an - am Ende klatschten auch ein paar mehr als zwei.
Autor: Manfred Götzke, zurzeit in Davos
Redaktion: Ursula Kissel