Sand und Jena fallen zurück
21. November 2021Nun ist also auch dem Mainstream die aktuelle Spannung an der Spitze der Frauen-Bundesliga aufgefallen: Das Magazin "11Freunde", das sich der Liga sonst nur sehr gelegentlich widmet, empfahl jüngst in den höchsten Tönen, doch lieber zu den Frauen zu gehen: so viel bodenständiger, so viel spannender, da gibt es ja echte Meisterschaftsrennen.
Die Spitze bleibt tatsächlich umkämpft wie selten: Hoffenheim fällt durch das Remis gegen Potsdam zurück, Frankfurt bleibt durch den 1:0-Sieg gegen Leverkusen punktgleich mit Bayern, Wolfsburg führt, aber kann sich nicht absetzen. Eine wunderbare Gemengelage. Bezeichnend aber auch, dass Texte über die Liga immer noch dabei anfangen, dass Frauen ja auch Fußball spielen können. Und dann wie selbstverständlich zu der Forderung kommen, man brauche jetzt viel mehr Investment.
Die Analysen, warum Frankfurt dieses Jahr so weit oben steht und sich wie die Münchnerinnen bisher an seinen Ambitionen messen lässt, liest man allerdings immer noch viel zu selten.
Turbine Potsdam behauptet sich im oberen Drittel
Bemerkenswerte Arbeit leisten indes nicht nur Leverkusen oder Frankfurt, sondern vor allem auch Turbine Potsdam. Der letzte verbliebene traditionelle Frauenverein bleibt trotz des recht alibi-mäßigen Engagements von Partnerklub Hertha BSC nicht nur an der Spitzengruppe dran, sondern hätte gegen die TSG Hoffenheim beinahe mit 3:1 gesiegt - hätte die nicht in den letzten fünf Minuten noch die Partie zum Unentschieden gedreht.
Das Spitzenrennen läuft zwar längst ohne Potsdam, aber im oberen Drittel behauptet sich Turbine wider allen Zeitgeists. Und entwickelt immer noch ausgezeichnetes Personal, aktuell etwa die groß aufspielende, 2020 von Bremen gekommene Selina Cerci. Wie weit die Potsdamerinnen dieses Jahr mithalten können, werden die nächsten Partien zeigen: Dann geht es nacheinander gegen Frankfurt, Bayern und Wolfsburg.
Düstere Aussichten für den SC Sand
Nach der knappen Rettung in der letzten Saison kann man derzeit den Eindruck gewinnen, der SC Sand habe sein Glück aufgebraucht. Oder anders: Der Balanceakt zwischen begrenzten finanziellen und strukturellen Kapazitäten und erster Liga funktioniert für den Dorfklub offenbar nicht mehr. Nach der 0:2-Niederlage gegen Freiburg steht der SC mit immer noch nur einem Punkt auf dem letzten Platz, das rettende Ufer ist sieben Punkte entfernt. Auch spielerisch scheint ein Nichtabstieg diesmal schwer vorstellbar.
Gegen Freiburg bemühte der SC sich redlich, aber in einer schwachen Partie mit vielen Ballverlusten und vielen langen Bällen brachte Sand vor allem in der zweiten Hälfte kaum überhaupt Torgefahr zustande. Kapitänin Michaela Brandenburg suchte anschließend nach positiven Erkenntnissen: "Ich bin froh, dass wir das Feuer wieder mehr sehen, daran wollen wir anknüpfen", sagte sie und versprach: "Wir werden bis zum Ende nicht aufgeben."
Gegen ein Happy End spricht derweil nicht nur die spielerische Leistung, sondern auch die Qualität der anderen. Mit den Frauen des 1. FC Köln sind diese Saison spielstarke Aufsteigerinnen oben. Köln hat zudem - anders als zuletzt Meppen - die finanzielle Kraft eines Männerprofiklubs im Rücken, der allmählich mal ernst machen muss. Auch Teams wie Bremen, Essen und Freiburg sind völlig andere Kaliber - und punkten regelmäßig.
Der Fall Kheira Hamraoui
Wäre sie ein Mann, hätte ihre Geschichte gewiss von Beginn an hohe Wellen geschlagen. Weil sie eine Frau ist, wird hier erst viel darüber gesprochen, seit ein berühmter Mann involviert ist. Die französische Spitzenspielerin Kheira Hamraoui von Paris St. Germain wurde Anfang November nach einem Team-Essen auf der Rückfahrt von zwei maskierten Männern überfallen. Ein Mann soll sie aus dem Wagen gezerrt und mit einer Eisenstange vor allem auf ihre Beine eingeschlagen haben; womöglich, um ihrer Karriere zu schaden. Da Mitspielerin Aminata Diallo während des Überfalls ohne Schaden blieb, geriet zunächst sie unter Verdacht.
Breiter in Deutschland diskutiert wird der Überfall aber erst, seit nun der französische Ex-Nationalspieler der Männer und zwischenzeitliche Sportdirektor des FC Barcelona, Eric Abidal, unter Verdacht steht. Hamraoui soll eine Sim-Karte auf seinen Namen im Handy gehabt haben.
Über die Natur der Beziehung zwischen beiden und den Drahtzieher des Überfalls wird bisher lediglich spekuliert. Hamraoui habe "erheblichen physischen und psychischen Schaden erlitten", so ihr Anwalt. Kheira Hamraoui stand beim 7:0-Sieg am Sonntag gegen Stade Reims noch nicht wieder auf dem Platz.
Während der Debatten hat Hamraouis Klub Paris Saint-Germain sportlich zumindest zwischenzeitlich Schwäche gezeigt. In der französischen D1 Feminine verlor PSG am vorherigen Spieltag überraschend mit 1:6 gegen Olympique Lyon und liegt nun drei Punkte hinter Lyon.
Es folgt der FC Paris, ein noch etwas ungewohnter Name in der Liga: Es handelt sich um den ehemals traditionsreichen Frauenverein Juvisy FCF, der im Jahr 2017 mit dem FC Paris fusionierte und seit der Saison 2018 unter diesem Namen mitspielt. Aus der Fusion entstand Frankreichs größte Frauenfußballabteilung.