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Schachtar Donezk - Team ohne Heimat in Hamburg

18. September 2023

Seit 2014 ist Schachtar Donezk "heimatlos" und spielt nicht mehr im ostukrainischen Donezk Nun bringt der 14-malige ukrainische Meister die Champions League zurück nach Hamburg, wo Schachtars "Heimspiele" stattfinden.

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Schachtars Marian Shved bejubelt sein Tor im Champions-League-Gruppenspiel bei RB Leipzig in der Saison 2022/23
Schachtars Marian Shved bejubelt sein Tor im Champions-League-Gruppenspiel bei RB Leipzig in der Saison 2022/23 Bild: Annegret Hilse/REUTERS

Im Frühjahr 2014 trug Schachtar Donezk zum letzten Mal ein Heimspiel in der Donbass-Arena in der ostukrainischen Metropole aus. Das Stadion, von der UEFA in die höchste Kategorie mit fünf Sternen eingestuft und mit einem Fassungsvermögen von knapp 52.000 ausgestattet, war der Stolz der ganzen Region. Nach dem Olympiastadion in der Hauptstadt Kiew ist die Donbass-Arena das zweitgrößte Stadion des Landes. Erbaut für die EM 2012 in Polen und der Ukraine, wurde die Arena am 19. September 2009 eröffnet. Schachtar schlug Obolon Kiew damals mit 4:0, es sah nach einer goldene Zukunft für Klub und Stadion aus. 

Fünf Spiele wurden bei der EM 2012 in der Donbass-Arena ausgetragen, darunter das Halbfinale zwischen Spanien und Portugal (4:2 i. E.). Doch zwei Jahre später war vom Glanz der Europameisterschaft nichts mehr zu spüren. Bei Kämpfen zwischen ukrainischen Einheiten und russischen Separatisten wurde das Stadion im August 2014 schwer beschädigt. Doch der Konflikt in der Donbass-Region hatte den Fußball bereits vorher erreicht. 

Wo spielt Schachtar seit 2014?

Schachtar hatte aufgrund des Konfliktes bereits zuvor beschlossen, seine Heimspiele nicht mehr in Donezk auszutragen und war mit Beginn der Saison 2014/15 ins westukrainische Lwiw umgezogen. Seitdem liegt die Donbass-Arena brach. Die Behebung der Schäden an Fassade und Trägerstruktur ist zwar mittlerweile vorgenommen und das Spielfeld wieder einsatzbereit, doch der Konflikt im Donbass geht unvermindert weiter. 

Die Donbass-Arena nach ihrer Eröffnung 2009
Die Donbass-Arena kurz nach Fertigstellung im Jahr 2009. Der Stolz der Region liegt seit mehr als neun Jahren brachBild: picture-alliance/ dpa

Die Arena wurde zwischenzeitlich als Zentrum für die Verteilung von Hilfsgütern genutzt, Schachtar und der Fußball sind bis heute nicht zurückgekehrt, obwohl es dazu zwischenzeitlich Pläne gegeben hat. Schachtar absolvierte seine Liga-Heimspiele in den Spielzeiten 2014/15, 2015/16 und in der Hinrunde 2016/17 in Lwiw. Zur Rückrunde entschloss man sich dann zu einem Umzug nach Charkiw in der Ostukraine, das deutlich näher an Donezk liegt und wo das Zuschauerinteresse höher ist als in Lwiw. 

Im Mai 2020 zog Schachtar dann in die Hauptstadt Kiew um und spielt trägt seine Heimspiele, wie auch der große Rivale Dynamo Kiew und die Nationalmannschaft, im Olympiastadion aus. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 trug Schachtar seine Heimspiele in der Champions-League-Saison 2022/23 in der polnischen Hauptstadt Warschau aus. Nun kommt der ukrainische Spitzenklub ins Hamburger Volksparkstadion und mit ihm die Champions League

Warum Hamburg?

Warschau kam als erneuter Ausweichspielort in dieser Saison nicht in Frage, weil Legia Warschau an der Conference League teilnimmt und das Stadion deswegen bereits für internationale Spiele genutzt wird. In Deutschland waren neben Hamburg auch Düsseldorf und Gelsenkirchen im Gespräch - ebenfalls Heimstätten von Zweitligisten mit großem Stadion. Doch letztlich fiel die Entscheidung auf die Metropole im Norden. Trainieren wird Schachtar Donezk vor den Spielen in Hamburg auf dem Trainingsgeländer der HSV-Amateure, ehe es dann für die Spiele ins große Stadion geht. 

Mindestens drei Mal wird die Hymne der Königsklasse bei Schachtars Heimspielen in der Gruppenphase im Volksparkstadion erklingen. Als ersten Gegner erwarten die Ukrainer den FC Porto am 19. September in Hamburg. Mit dem FC Barcelona kommt am 7. November dann ein echter europäischer Hochkaräter in die Hansestadt. Die Fans des HSV dürften dann mit gemischten Gefühlen auf "ihr Stadion" schauen. Denn eigene Heimspiele in der Champions League sind beim Zweitligisten langer her, zuletzt spielte der HSV in der Saison 2006/07 in der Champions League und schied in der Gruppenphase aus. 

Welche Rolle spielt der HSV? 

Seitdem wartet man in Hamburg auf die Rückkehr der Königsklasse. Jetzt gibt es sie, nur eben ohne den HSV auf dem Platz. Hinter den Kulissen ist der Klub hingegen in die Organisation der Spiele involviert. "Der HSV übernimmt für die Ukrainer die komplette organisatorische Umsetzung der Spieltage im Volksparkstadion, auch der Ticket-Verkauf wird über den HSV realisiert", heißt es auf der Website des Zweitligisten, der auch ganz gezielt die eigenen Fans mit den Spielen von Schachtar ansprechen will. Dauerkarteninhaber und Mitglieder hatten bis Ende August ein Vorkaufsrecht auf die Karten für die drei Gruppenspiele gegen den Porto, Antwerpen und Barcelona. 

"Wir sind sehr dankbar, dass uns der HSV, die Stadt und das Stadion-Management so professionell und auf einem so hohen Niveau geholfen haben“, sagte der kaufmännische Leite von Donezk, Dmytro Kyrylenko der "Sport Bild". Wie bei internationalen Heimspielen aller Klubs in Deutschland kommt die Stadt für den Polizeieinsatz auf, die Spiele sind von der UEFA aber allesamt nicht als Risikospiele eingestuft worden. Den Sicherheitsdienst, die VIP-Betreuung und andere Stadionbetriebsaufgaben übernimmt der HSV. Das Stadion muss nach den aufwändigen UEFA-Statuten umgerüstet werden und darf nur Sitzplätze haben. Die Kapazität des Volksparkstadions verringert sich dadurch von rund 57.000 auf etwa 51.000 Plätze.

Außenansicht des Volksparkstadions in Hamburg
Schachtar Donezk und der HSV hoffen auf ein ausverkauftes Volksparkstadion gegen Port, Antwerpen und BarcelonaBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Über die Verteilung der Einnahmen zwischen dem HSV und Schachtar Donezk machten beide Klubs allerdings keine Angaben, dem HSV sollen aber Berichten zufolge bis zu 1,5 Mio. Euro Zusatzeinnahmen winken. Der Klub teilte außerdem mit, dass es bei jedem Ticketkauf die Option geben, wahlweise einen, drei oder fünf Euro zusätzlich als Spende zu zahlen, "um den Kriegsleidenden in der Ukraine zu helfen".

Welche Gäste werden erwartet? 

Mit dabei sein bei einem oder mehreren der außergewöhnlichen Spiele in "seiner" Stadt wird wohl Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Außerdem soll auch ein Besuch von Tschentschers Vorgänger als Oberhaupt der Stadt Hamburg, Bundeskanzler Olaf Scholz, zur Debatte stehen.

Deutschland | Neue Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Kiew
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko mit Berlins regierendem Bürgermeister Kai Wegner bei einem Besuch in der deutschen HauptstadtBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Neben bekannten Gesichtern der Hamburger Lokalprominenz könnten auch zwei eng mit der Hansestadt verbundene Männer dabei sein: Der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko und sein jüngerer Bruder Wladimir standen während ihrer Karrieren als Profi-Boxer beim Hamburger Boxstall Universum unter Vertrag. Im November 1996 gaben beide ihr Profidebüt in der Hansestadt. Die gemeinsame Vermarktungsagentur der Brüder "Klitschko Management Group GmbH“ hat ihren Sitz in Hamburg, Vitali Klitschkos Ex-Ehefrau lebt mit den gemeinsamen Kindern in der Hansestadt, seit sie die Ukraine in Folge des russischen Überfalls verlassen hat. 

DW Kommentarbild David Vorholt
David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion