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Vinyl - Schallplatten für Jäger und Sammler

Silke Wünsch15. Oktober 2015

In der Plattenladenwoche feiern Plattenläden in ganz Deutschland sich selbst. Und das zurecht: Das Vinyl hat Streaming und MP3s überlebt. Darum ist ein Besuch in einem Schallplattenantiquariat mehr als nur ein Einkauf.

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Plattenantiquariat in Köln
Bild: DW/S. Wünsch

Eine Hofeinfahrt in einem Kölner Szeneviertel. Im Gang stapeln sich alte Diskothekenlautsprecher, Hi Fi-Geräte, Kartons mit Platten. An den Wänden hängen Konzertplakate. Aus dem hinteren Verkaufsraum schallen Stimmen und rotzige Gitarrenmusik.

Bruno ist Stammkunde und kennt sich bestens im Laden aus. Er nimmt die Rock-Platte vom Plattenteller, packt sie sorgfältig ein und holt eine andere Scheibe aus dem Stapel vor ihm. "Das ist eine so genannte 7inch, also eine Single", erklärt Bruno, "Von 1954, erschienen beim berühmten Brunswick-Label." Andächtig legt er die kleine Platte auf, es knistert und knackt. Dann erklingen die ersten Takte eines Swings, gespielt von einer Bigband. Bruno strahlt übers ganze Gesicht. "Sy Oliver and his Orchestra mit Louis Armstrong und einem seiner größten Hits, C'est si bon!"

Platten sind Leidenschaft

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Vielleicht ist auch unter diesen Schellack-Platten ein KleinodBild: DW/E. Numanovic

Bruno ist glühender Schallplatten-Fan, ein "Freak", wie er von sich selber sagt. Er hat gut 5000 LPs in seiner Sammlung – Jazz von A bis Z, Soundtracks von Filmen, klassische Musik aus allen Epochen. Warum er diese beachtliche Musiksammlung nicht auf CD hat? Da lässt Bruno nicht mit sich diskutieren: "Das haptische Gefühl der LP ist einfach unschlagbar. Der Soundtrack von 'Spartakus' zum Beispiel. Man klappt das Album wie ein Buch auf, und da springt einem Kirk Douglas in Technicolor direkt ins Gesicht. Das ist Artwork, Kunst. So was kann keine CD leisten!"

Covergestaltung – das ist eine Sache. Ein anderer Vorteil der Schallplatte ist: Man weiß noch nicht, wie lange sich Daten auf einer CD halten. Eine Platte ist ewig haltbar – wenn man sie gut behandelt. Ein bisschen knistern darf sie ja. Und das Top-Argument der Plattenliebhaber ist: Die Platte hat einen vollen Klang, die CD klingt kalt.

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Schätzchen für kleines Geld

Heute laufen Menschen jeden Alters auf Schallplattenbörsen herum, stöbern auf Flohmärkten, suchen im Internet oder sogar bei Wohnungsauflösungen nach wertvollen Stücken. Und natürlich im Plattenantiquariat. Inhaber Uwe kennt sich genauestens aus mit der Musik, der Auflage, Labelkunde und verschiedenen Qualitäten. Er weiß auch ganz genau, wie eine vernünftige Plattensammlung aussieht. Wenn Kunden ihm ihre angeblich vollständige Jazz-Sammlung anbieten, dann schaut Uwe erst mal nach, ob wirklich alle wichtigen Meilensteine dabei sind. Und merkt sehr schnell, wenn da vor ihm schon einer war und die Schätze aussortiert hat. "Ohne die wichtigen Platten ist so eine Sammlung nicht mehr viel wert", erklärt Uwe.

In der Hand hält er eine Oscar Peterson Platte vom MPS Label, dem ersten deutschen Jazz-Label, dessen Produktionen für ihre hohe Aufnahmequalität berühmt waren. "Wenn man so eine MPS-Scheibe aus den 60er, 70er Jahren findet, kann die gebraucht schon mal bis zu 20 Euro kosten." Der Wert einer gebrauchten LP richtet sich nach dem Zustand der Platte, aber auch danach, wie das Cover aussieht: ob es angerissen ist oder ob Kritzeleien drauf sind.

Als nächstes hält Uwe einen weiteren Jazz-Klassiker hoch: "Und hier haben wir das Köln-Konzert von Keith Jarrett. Spätere Auflage. Die erste hatte ein strukturiertes Cover, diese hier hat ein glattes. Ein Doppelalbum, das jetzt hier 15 Euro kostet – vorausgesetzt natürlich, dass die Platte in einem TOP-Zustand ist."

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Im Antiquariat werden sämtliche Nischen bedientBild: Imago

Die Jagd auf Sammlerstücke

Seine Kunden kann Uwe kaum beschreiben. Zu ihm kommen alle – vom 20-jährigen DJ bis hin zum gut betuchten Jazzliebhaber. Manche wühlen nur in den Kartons herum und kaufen nichts. Andere kommen, um das Schnäppchen ihres Lebens zu machen. "Das sind richtige Freaks, wie Briefmarkensammler. Die Platten landen direkt in der Vitrine, das sind für die professionellen Sammler richtige Kapitalanlagen. Als die Finanzkrise losging, da sind diejenigen, die noch nicht alles Geld verloren hatten, hingegangen und haben wie die Verrückten Schallplatten gekauft."

Cover - The Velvet Underground and Nico
Wer die Platte nicht kennt, der kennt zumindest die BananeBild: Polydor (Universal)US

Man kann sich in Katalogen über den Markt informieren und macht sich dann entsprechend auf die Suche. Die Preisskala ist nach oben offen. Es werden 500 Euro gezahlt, aber auch mehrere tausend. Den höchsten Preis hat eine bislang verschollen geglaubte Platte von Velvet Underground & Nico erzielt. Die 1966er Urfassung der späteren Kultplatte "Andy Warhol" wurde bei Ebay für 155.401 US-Dollar versteigert.

Die Platte stirbt nicht aus

Immer mehr Leute kommen in den engen Kölner Hinterhof. Man begrüßt sich, ein Bierchen wird aufgemacht, Zigaretten angezündet. Zwei junge, rasta-behaarte Männer verschwinden gleich im Inneren des Ladens in der Elektro-Ecke. Sie setzen sich Kopfhörer auf und hören sich Platten an – sie suchen nach neuem Material für ihre DJ-Sets. Uwe schaut wohlwollend zu. "Manche junge Leute wissen noch nicht mal, dass eine Platte zwei Seiten hat. Die gucken sich das Ding an wie ein siebtes Weltwunder." Das sind Uwes liebste Kunden. Bei ihnen macht es ihm besonders Spaß, wenn er sie für das Vinyl begeistern kann.