Proteste nach judenfeindlichen Parolen
21. Juli 2014Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat Politik, Medien, Zivilgesellschaft und die muslimischen Verbände zu einem klaren Bekenntnis gegen Antisemitismus aufgerufen. "Wir erleben hierzulande gerade eine Explosion an bösem und gewaltbereiten Judenhass, die uns alle schockiert und bestürzt", erklärte der Präsident des Zentralrats, Dieter Graumann (siehe Artikelbild), in Berlin. "Dass auf deutschen Straßen antisemitische Aufrufe der übelsten und primitivsten Art skandiert werden können, hätten wir niemals im Leben mehr für möglich gehalten", betonte er.
Juden würden in Deutschland wieder offen bedroht und zum Teil auch angegriffen, Synagogen beschmiert und zum Anschlagsziel deklariert, beklagte Graumann. Diese neue Dimension des Antisemitismus werde viel zu wenig beachtet. "Antisemitismus darf nicht verschwiegen, sondern muss thematisiert und entschlossen bekämpft werden", forderte der Zentralratsvorsitzende. "Meinungsfreiheit ja, aber Volksverhetzung nein und niemals!"
Einige Redebeiträge hätten gezeigt, "dass wir es angesichts des Krieges in Nahost mit einer neuen Form des Antisemitismus zu tun haben", sagte der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider in Düsseldorf. Bei den Protesten werde verkannt, dass die Hamas das Existenzrecht Israels infrage stelle. Israel habe jedoch ein Recht auf Selbstverteidigung. Kritik an der Politik des Landes müsse zwar erlaubt sein, doch dürften Ursache und Wirkung nicht verwechselt werden, sagte der Minister. "Der Ausgangspunkt für die gegenwärtige militärische Auseinandersetzung war die Entführung von drei jüdischen Menschen durch die Hamas."
Judenfeindliche Parolen
Bundesweit hatten am Wochenende mehrere tausend Menschen gegen die militärische Auseinandersetzung zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen protestiert. Dabei wurden auch Parolen wie "Stopp dem Völkermord", "Kindermörder Israel" oder "Zionisten sind Faschisten" gerufen. In Göttingen griffen Demonstranten die Teilnehmer einer proisraelischen Gegenkundgebung an und verletzten mehrere Menschen. In Essen ermittelt die Polizei wegen eines geplanten Angriffs auf die örtliche Alte Synagoge.
In Berlin wurden nach den Nahost-Demonstrationen vom Wochenende 42 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wegen antiisraelischer Gewaltaufrufe in einem Video ermittelt der Staatsschutz auch gegen einen muslimischen Prediger. Das Video kursiert seit Samstag im Internet. Innensenator Frank Henkel (CDU) rief dazu auf, Judenhass entschieden entgegenzutreten. "In unserem Land und in unserer Stadt ist kein Platz für Antisemitismus", betonte er. Deutschland und Berlin hätten eine historische Verantwortung zum Schutz des Staates Israel.
Zuvor hatte es massive Kritik daran gegeben, dass die Berliner Polizei nicht eingeschritten war, als Demonstranten die antisemitischen Parolen riefen. Das Berliner Büro des American Jewish Committee (AJC) hatte gegen die Demonstranten, die die Parolen gerufen hatten, Strafanzeige erstattet. In einem Brief appellierte das AJC am Wochenende an Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), "solche Vorfälle öffentlich sofort zu verurteilen, um klare Grenzen zu setzen".
"Null Toleranz"
CDU-Generalsekretär Peter Tauber forderte "Null Toleranz" gegenüber Demonstranten, die mit judenfeindlichen Parolen Israel verunglimpfen. "Das wichtige Gut der Demonstrationsfreiheit darf nicht für antiisraelische oder antisemitische Stimmungsmache missbraucht werden", erklärte Tauber am Montag mit Blick auf Kundgebungen von Palästinensern in Berlin. Demonstranten, die gegen Gesetze verstießen, müssten deren volle Härte zu spüren bekommen. Tauber betonte: "Für uns ist es ein großes Geschenk, dass es heute wieder lebendige jüdische Gemeinden bei uns gibt." Nach den menschenverachtenden Gräueltaten der Nazis sei das nicht selbstverständlich.
Auch die SPD-Spitze verurteilte die judenfeindlichen Parolen bei anti-israelischen Demonstrationen. "Antisemitismus, in welcher Form auch immer, ist in keiner Weise akzeptabel. Wer so was unterstützt oder verantwortet, der ist nicht mehr bei Trost", sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner in Berlin.
kle/jj (kna, epd, dpa, afp)